Privilegien ihres Fürstl. Ehe-Gemahls mit theilhafftig.
§. 10. Nachdem wir gesehen, in wie weit die Fürstlichen Personen befugt sind, ihre Te- stamente zu machen, so fragt sichs ferner, ob sie ihre Kinder wohl enterben können, daß sie in den Fürstl. Landen nicht succediren sollen. Denn in denen eigenthümbl. ihnen zustehenden Gütern bedienen sie sich des Rechts der privat- Personen. Grotius macht einen Unterscheid unter den Reichen, die veräusert werden kön- nen und die nicht veralieniret werden mögen. Er hält davor, daß bey jenem die Enterbung ausser allen Zweiffel angehe und von den übri- gen Gütern nicht unterschieden sey. Nun ist es zwar wahr, daß, wenn sie das Fürstenthum durch die Enterbung den Söhnen entziehen wollen, nöthig sey, daß es veräusert werden kön- ne, denn es kan sonst nicht, wenn es nicht alie- niret werden mag, von den Kindern auff ande- re gebracht werden. Aber aus der Befugniß zu alieniren entstehet nicht alsobald das Recht zu enterben. Ja, da die Königreiche und Für- stenthümer nur nach dem Völcker-Recht ge- schätzet werden, die Testamente aber, durch welche die Enterbungen geschehen, Bürgerli- chen Rechtens sind, so ist zu behaupten, daß die Königreiche und Fürstenthümer keine Enter-
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Privilegien ihres Fuͤrſtl. Ehe-Gemahls mit theilhafftig.
§. 10. Nachdem wir geſehen, in wie weit die Fuͤrſtlichen Perſonen befugt ſind, ihre Te- ſtamente zu machen, ſo fragt ſichs ferner, ob ſie ihre Kinder wohl enterben koͤnnen, daß ſie in den Fuͤrſtl. Landen nicht ſuccediren ſollen. Denn in denen eigenthuͤmbl. ihnen zuſtehenden Guͤtern bedienen ſie ſich des Rechts der privat- Perſonen. Grotius macht einen Unterſcheid unter den Reichen, die veraͤuſert werden koͤn- nen und die nicht veralieniret werden moͤgen. Er haͤlt davor, daß bey jenem die Enterbung auſſer allen Zweiffel angehe und von den uͤbri- gen Guͤtern nicht unterſchieden ſey. Nun iſt es zwar wahr, daß, wenn ſie das Fuͤrſtenthum durch die Enterbung den Soͤhnen entziehen wollen, noͤthig ſey, daß es veraͤuſert werden koͤn- ne, denn es kan ſonſt nicht, wenn es nicht alie- niret werden mag, von den Kindern auff ande- re gebracht werden. Aber aus der Befugniß zu alieniren entſtehet nicht alſobald das Recht zu enterben. Ja, da die Koͤnigreiche und Fuͤr- ſtenthuͤmer nur nach dem Voͤlcker-Recht ge- ſchaͤtzet werden, die Teſtamente aber, durch welche die Enterbungen geſchehen, Buͤrgerli- chen Rechtens ſind, ſo iſt zu behaupten, daß die Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthuͤmer keine Enter-
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Privilegien ihres Fuͤrſtl. Ehe-Gemahls mit
theilhafftig.
§. 10. Nachdem wir geſehen, in wie weit
die Fuͤrſtlichen Perſonen befugt ſind, ihre Te-
ſtamente zu machen, ſo fragt ſichs ferner, ob
ſie ihre Kinder wohl enterben koͤnnen, daß ſie in
den Fuͤrſtl. Landen nicht ſuccediren ſollen.
Denn in denen eigenthuͤmbl. ihnen zuſtehenden
Guͤtern bedienen ſie ſich des Rechts der privat-
Perſonen. Grotius macht einen Unterſcheid
unter den Reichen, die veraͤuſert werden koͤn-
nen und die nicht veralieniret werden moͤgen.
Er haͤlt davor, daß bey jenem die Enterbung
auſſer allen Zweiffel angehe und von den uͤbri-
gen Guͤtern nicht unterſchieden ſey. Nun iſt
es zwar wahr, daß, wenn ſie das Fuͤrſtenthum
durch die Enterbung den Soͤhnen entziehen
wollen, noͤthig ſey, daß es veraͤuſert werden koͤn-
ne, denn es kan ſonſt nicht, wenn es nicht alie-
niret werden mag, von den Kindern auff ande-
re gebracht werden. Aber aus der Befugniß
zu alieniren entſtehet nicht alſobald das Recht
zu enterben. Ja, da die Koͤnigreiche und Fuͤr-
ſtenthuͤmer nur nach dem Voͤlcker-Recht ge-
ſchaͤtzet werden, die Teſtamente aber, durch
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/196>, abgerufen am 24.11.2024.
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