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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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Von Opern und Comoedien.
verdrießlich fallen, eine ordentlich-gekleidete Person
in ihrem lasterhafften Bezeugen zu sehen, und ihr
fast nicht glaublich anscheinen, daß ein serieuser
Mensch so exorbitant thun solte, ob es schon täglich
geschähe, daß mancher, der sich aber nicht selbst
kennet, viele von den ungereimten Minen an sich
hätte, welche man in einer zwey oder dreystündigen
Action einem solchen Acteur beylegte. Es könte
auch zufälliger Weise geschehen, daß eine solche un-
masquirte Person iemand am Hofe oder in der
Stadt ähnlich sähe, welches sodann vielen Schertz
und daraus entstehende Ungelegenheit verursachen
würde. Deswegen gäbe man ordentlich bey al-
len Repraesentationen dergleichen Character den
Dienern, oder sonst geringern Leuten, damit man
die Zuschauer desto leichter corrigiren, und ihnen
sagen könne, daß sie sich nicht also stellen solten, wie
dergleichen unhöfliche Leute zu thun pflegen.

§. 14. Bißweilen wird den Operisten unter dem
Fuß gegeben, daß sie einen und andern Fehler, den
man bey Hof-Leuten gewahr wird, unvermerckter
weise mit berühren müssen. Die andere Gemah-
lin des Kaysers Leopoldi, Claudia Felicitas, be-
diente sich öffters der Gelegenheit, in der Opera ei-
ne und die andere Erinnerung am Hofe zu thun;
wie denn absonderlich einer, so den Titul führte:
La Lanterna di Diogene, bekandt ist, worinnen
Diogenes dem gantzen Hof seine Fehler vorrückte,
und dem Kayser selbst unter der Gestalt des Ale-
xandri M.
sagte, daß er aus allzu milder Gnade,

nicht
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Von Opern und Comœdien.
verdrießlich fallen, eine ordentlich-gekleidete Perſon
in ihrem laſterhafften Bezeugen zu ſehen, und ihr
faſt nicht glaublich anſcheinen, daß ein ſerieuſer
Menſch ſo exorbitant thun ſolte, ob es ſchon taͤglich
geſchaͤhe, daß mancher, der ſich aber nicht ſelbſt
kennet, viele von den ungereimten Minen an ſich
haͤtte, welche man in einer zwey oder dreyſtuͤndigen
Action einem ſolchen Acteur beylegte. Es koͤnte
auch zufaͤlliger Weiſe geſchehen, daß eine ſolche un-
maſquirte Perſon iemand am Hofe oder in der
Stadt aͤhnlich ſaͤhe, welches ſodann vielen Schertz
und daraus entſtehende Ungelegenheit verurſachen
wuͤrde. Deswegen gaͤbe man ordentlich bey al-
len Repræſentationen dergleichen Character den
Dienern, oder ſonſt geringern Leuten, damit man
die Zuſchauer deſto leichter corrigiren, und ihnen
ſagen koͤnne, daß ſie ſich nicht alſo ſtellen ſolten, wie
dergleichen unhoͤfliche Leute zu thun pflegen.

§. 14. Bißweilen wird den Operiſten unter dem
Fuß gegeben, daß ſie einen und andern Fehler, den
man bey Hof-Leuten gewahr wird, unvermerckter
weiſe mit beruͤhren muͤſſen. Die andere Gemah-
lin des Kayſers Leopoldi, Claudia Felicitas, be-
diente ſich oͤffters der Gelegenheit, in der Opera ei-
ne und die andere Erinnerung am Hofe zu thun;
wie denn abſonderlich einer, ſo den Titul fuͤhrte:
La Lanterna di Diogene, bekandt iſt, worinnen
Diogenes dem gantzen Hof ſeine Fehler vorruͤckte,
und dem Kayſer ſelbſt unter der Geſtalt des Ale-
xandri M.
ſagte, daß er aus allzu milder Gnade,

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[803/0827] Von Opern und Comœdien. verdrießlich fallen, eine ordentlich-gekleidete Perſon in ihrem laſterhafften Bezeugen zu ſehen, und ihr faſt nicht glaublich anſcheinen, daß ein ſerieuſer Menſch ſo exorbitant thun ſolte, ob es ſchon taͤglich geſchaͤhe, daß mancher, der ſich aber nicht ſelbſt kennet, viele von den ungereimten Minen an ſich haͤtte, welche man in einer zwey oder dreyſtuͤndigen Action einem ſolchen Acteur beylegte. Es koͤnte auch zufaͤlliger Weiſe geſchehen, daß eine ſolche un- maſquirte Perſon iemand am Hofe oder in der Stadt aͤhnlich ſaͤhe, welches ſodann vielen Schertz und daraus entſtehende Ungelegenheit verurſachen wuͤrde. Deswegen gaͤbe man ordentlich bey al- len Repræſentationen dergleichen Character den Dienern, oder ſonſt geringern Leuten, damit man die Zuſchauer deſto leichter corrigiren, und ihnen ſagen koͤnne, daß ſie ſich nicht alſo ſtellen ſolten, wie dergleichen unhoͤfliche Leute zu thun pflegen. §. 14. Bißweilen wird den Operiſten unter dem Fuß gegeben, daß ſie einen und andern Fehler, den man bey Hof-Leuten gewahr wird, unvermerckter weiſe mit beruͤhren muͤſſen. Die andere Gemah- lin des Kayſers Leopoldi, Claudia Felicitas, be- diente ſich oͤffters der Gelegenheit, in der Opera ei- ne und die andere Erinnerung am Hofe zu thun; wie denn abſonderlich einer, ſo den Titul fuͤhrte: La Lanterna di Diogene, bekandt iſt, worinnen Diogenes dem gantzen Hof ſeine Fehler vorruͤckte, und dem Kayſer ſelbſt unter der Geſtalt des Ale- xandri M. ſagte, daß er aus allzu milder Gnade, nicht E e e 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/827>, abgerufen am 22.11.2024.