Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Theil. VII. Capitul.

§. 16. Die offtmahls ziemlich rauhen und un-
gestimmten Flöthen der Dichter stellen sich bey
dergleichen Solennitäten vor andern mit ein, und
übergeben ihre Gedichte so gut oder übel sie gera-
then wollen. Ein gewisser Autor ereifert sich über
die massen über den Autorem eines Gedichts, wel-
ches von einem elenden Stümper im Nahmen ei-
ner vornehmen Reichs-Stadt, auf die von dem
Glorwürdigsten Römischen Kayser Josepho dem I.
daselbst eingenommene Huldigung verfertiget wor-
den: Er sagt, der Antritt der Regierung eines
Christlichen Kaysers ist die allerbeste Gelegenheit,
die man immermehr wündschen und verlangen kan,
demselben seine allerunterthänigste Devotion zu er-
weisen, und solte daher von den alleredelsten Federn
durch die auserlesensten Gedichte besungen werden.
Da kömmt so ein armer Sünder aufgetreten, den
die Meistersänger zu Nürnberg nicht gerne vor ih-
ren Lehrmeister erkennen würden, und will mit sei-
ner ausgetrockneten Vena im Nahmen einer gan-
tzen vornehmen Reichs-Stadt ein solch Gänse-
Geschnatter unter den Schwähnen unserer Zeit
anstimmen, daß der gantze Musen-Berg eine Reso-
nanz
davon geben soll. Wenn ich an das Bey-
spiel des grossen Alexanders gedencke, welcher dem
in seinen Landen befindlichen Poeten Choerilo vor
ieglichen schlimmen Vers eine Maulschelle zur Be-
lohnung gegeben, so möchte ich das Recompens
mit unserm Dichter nicht theilen, dafern derselbige
unter gleichmäßigen scharffen Censoribus seinen
Preiß erlangen soll.

§. 17.
III. Theil. VII. Capitul.

§. 16. Die offtmahls ziemlich rauhen und un-
geſtimmten Floͤthen der Dichter ſtellen ſich bey
dergleichen Solennitaͤten vor andern mit ein, und
uͤbergeben ihre Gedichte ſo gut oder uͤbel ſie gera-
then wollen. Ein gewiſſer Autor ereifert ſich uͤber
die maſſen uͤber den Autorem eines Gedichts, wel-
ches von einem elenden Stuͤmper im Nahmen ei-
ner vornehmen Reichs-Stadt, auf die von dem
Glorwuͤrdigſten Roͤmiſchen Kayſer Joſepho dem I.
daſelbſt eingenommene Huldigung verfertiget wor-
den: Er ſagt, der Antritt der Regierung eines
Chriſtlichen Kayſers iſt die allerbeſte Gelegenheit,
die man immermehr wuͤndſchen und verlangen kan,
demſelben ſeine allerunterthaͤnigſte Devotion zu er-
weiſen, und ſolte daher von den alleredelſten Federn
durch die auserleſenſten Gedichte beſungen werden.
Da koͤmmt ſo ein armer Suͤnder aufgetreten, den
die Meiſterſaͤnger zu Nuͤrnberg nicht gerne vor ih-
ren Lehrmeiſter erkennen wuͤrden, und will mit ſei-
ner ausgetrockneten Vena im Nahmen einer gan-
tzen vornehmen Reichs-Stadt ein ſolch Gaͤnſe-
Geſchnatter unter den Schwaͤhnen unſerer Zeit
anſtimmen, daß der gantze Muſen-Berg eine Reſo-
nanz
davon geben ſoll. Wenn ich an das Bey-
ſpiel des groſſen Alexanders gedencke, welcher dem
in ſeinen Landen befindlichen Poeten Chœrilo vor
ieglichen ſchlimmen Vers eine Maulſchelle zur Be-
lohnung gegeben, ſo moͤchte ich das Recompens
mit unſerm Dichter nicht theilen, dafern derſelbige
unter gleichmaͤßigen ſcharffen Cenſoribus ſeinen
Preiß erlangen ſoll.

§. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0688" n="664"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">VII.</hi> Capitul.</hi> </fw><lb/>
          <p>§. 16. Die offtmahls ziemlich rauhen und un-<lb/>
ge&#x017F;timmten Flo&#x0364;then der Dichter &#x017F;tellen &#x017F;ich bey<lb/>
dergleichen <hi rendition="#aq">Solennit</hi>a&#x0364;ten vor andern mit ein, und<lb/>
u&#x0364;bergeben ihre Gedichte &#x017F;o gut oder u&#x0364;bel &#x017F;ie gera-<lb/>
then wollen. Ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Autor</hi> ereifert &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
die ma&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber den <hi rendition="#aq">Autorem</hi> eines Gedichts, wel-<lb/>
ches von einem elenden Stu&#x0364;mper im Nahmen ei-<lb/>
ner vornehmen Reichs-Stadt, auf die von dem<lb/>
Glorwu&#x0364;rdig&#x017F;ten Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kay&#x017F;er <hi rendition="#aq">Jo&#x017F;epho</hi> dem <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t eingenommene Huldigung verfertiget wor-<lb/>
den: Er &#x017F;agt, der Antritt der Regierung eines<lb/>
Chri&#x017F;tlichen Kay&#x017F;ers i&#x017F;t die allerbe&#x017F;te Gelegenheit,<lb/>
die man immermehr wu&#x0364;nd&#x017F;chen und verlangen kan,<lb/>
dem&#x017F;elben &#x017F;eine alleruntertha&#x0364;nig&#x017F;te <hi rendition="#aq">Devotion</hi> zu er-<lb/>
wei&#x017F;en, und &#x017F;olte daher von den alleredel&#x017F;ten Federn<lb/>
durch die auserle&#x017F;en&#x017F;ten Gedichte be&#x017F;ungen werden.<lb/>
Da ko&#x0364;mmt &#x017F;o ein armer Su&#x0364;nder aufgetreten, den<lb/>
die Mei&#x017F;ter&#x017F;a&#x0364;nger zu Nu&#x0364;rnberg nicht gerne vor ih-<lb/>
ren Lehrmei&#x017F;ter erkennen wu&#x0364;rden, und will mit &#x017F;ei-<lb/>
ner ausgetrockneten <hi rendition="#aq">Vena</hi> im Nahmen einer gan-<lb/>
tzen vornehmen Reichs-Stadt ein &#x017F;olch Ga&#x0364;n&#x017F;e-<lb/>
Ge&#x017F;chnatter unter den Schwa&#x0364;hnen un&#x017F;erer Zeit<lb/>
an&#x017F;timmen, daß der gantze <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;en-</hi>Berg eine <hi rendition="#aq">Re&#x017F;o-<lb/>
nanz</hi> davon geben &#x017F;oll. Wenn ich an das Bey-<lb/>
&#x017F;piel des gro&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Alexanders</hi> gedencke, welcher dem<lb/>
in &#x017F;einen Landen befindlichen Poeten <hi rendition="#aq">Ch&#x0153;rilo</hi> vor<lb/>
ieglichen &#x017F;chlimmen Vers eine Maul&#x017F;chelle zur Be-<lb/>
lohnung gegeben, &#x017F;o mo&#x0364;chte ich das <hi rendition="#aq">Recompens</hi><lb/>
mit un&#x017F;erm Dichter nicht theilen, dafern der&#x017F;elbige<lb/>
unter gleichma&#x0364;ßigen &#x017F;charffen <hi rendition="#aq">Cen&#x017F;oribus</hi> &#x017F;einen<lb/>
Preiß erlangen &#x017F;oll.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 17.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[664/0688] III. Theil. VII. Capitul. §. 16. Die offtmahls ziemlich rauhen und un- geſtimmten Floͤthen der Dichter ſtellen ſich bey dergleichen Solennitaͤten vor andern mit ein, und uͤbergeben ihre Gedichte ſo gut oder uͤbel ſie gera- then wollen. Ein gewiſſer Autor ereifert ſich uͤber die maſſen uͤber den Autorem eines Gedichts, wel- ches von einem elenden Stuͤmper im Nahmen ei- ner vornehmen Reichs-Stadt, auf die von dem Glorwuͤrdigſten Roͤmiſchen Kayſer Joſepho dem I. daſelbſt eingenommene Huldigung verfertiget wor- den: Er ſagt, der Antritt der Regierung eines Chriſtlichen Kayſers iſt die allerbeſte Gelegenheit, die man immermehr wuͤndſchen und verlangen kan, demſelben ſeine allerunterthaͤnigſte Devotion zu er- weiſen, und ſolte daher von den alleredelſten Federn durch die auserleſenſten Gedichte beſungen werden. Da koͤmmt ſo ein armer Suͤnder aufgetreten, den die Meiſterſaͤnger zu Nuͤrnberg nicht gerne vor ih- ren Lehrmeiſter erkennen wuͤrden, und will mit ſei- ner ausgetrockneten Vena im Nahmen einer gan- tzen vornehmen Reichs-Stadt ein ſolch Gaͤnſe- Geſchnatter unter den Schwaͤhnen unſerer Zeit anſtimmen, daß der gantze Muſen-Berg eine Reſo- nanz davon geben ſoll. Wenn ich an das Bey- ſpiel des groſſen Alexanders gedencke, welcher dem in ſeinen Landen befindlichen Poeten Chœrilo vor ieglichen ſchlimmen Vers eine Maulſchelle zur Be- lohnung gegeben, ſo moͤchte ich das Recompens mit unſerm Dichter nicht theilen, dafern derſelbige unter gleichmaͤßigen ſcharffen Cenſoribus ſeinen Preiß erlangen ſoll. §. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/688
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/688>, abgerufen am 25.08.2024.