§. 2. Die Politici und Publicisten streiten, was den Tutoribus der souverainen Reiche vor eine Gewalt zustehe, ob sie eine Majestatem tempora- riam haben oder nicht. Meines Erachtens braucht es keines grossen Disputs, sondern es ist am be- sten, wenn man sagt, es käme ihnen so viel Po- testaet zu, als ihnen andre Puissancen, das Mini- sterium und das Volck gönnen und überlassen wollen. Bißweilen sind sie von den würcklich re- gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterschie- den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor blosse grosse Staats-Ministri anzusehen.
§. 3. Die Vormundschafftlichen Regierungen sind nicht allezeit die besten, und erhellet sonderlich aus unterschiedenen Exempeln der Fürstlichen Häu- ser in Teutschland, daß ie mehr sie dergleichen Re- gierungen unterworffen gewesen, ie unglücklicher sie geworden. Daher ist es auch kommen, daß man in einigen alten Schrifften, an statt Vor- mundschafftliche Administration, das Wort Ger- habschafftlich findet; es ist dieses ein alt Oesterrei- chisch Wort, und soll so viel bedeuten, als Vor- mundschafftlich; wie denn bekandt, daß Kayser Maximilianus i. die ungetreuen Vormünder Ger- haber, das ist, Gernhaber, die das Land lieber selbst gerne hätten, genennet. S. Tom. IX. Elect. Jur. Publ. p. 460.
§. 4. Die Bestellung der Vormundschafften wird in den Fundamental-Gesetzen des Reiches, und in den besondern Vergleichen, so die Regenten
dieser-
III. Theil. I. Capitul.
§. 2. Die Politici und Publiciſten ſtreiten, was den Tutoribus der ſouverainen Reiche vor eine Gewalt zuſtehe, ob ſie eine Majeſtatem tempora- riam haben oder nicht. Meines Erachtens braucht es keines groſſen Diſputs, ſondern es iſt am be- ſten, wenn man ſagt, es kaͤme ihnen ſo viel Po- teſtæt zu, als ihnen andre Puiſſancen, das Mini- ſterium und das Volck goͤnnen und uͤberlaſſen wollen. Bißweilen ſind ſie von den wuͤrcklich re- gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterſchie- den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor bloſſe groſſe Staats-Miniſtri anzuſehen.
§. 3. Die Vormundſchafftlichen Regierungen ſind nicht allezeit die beſten, und erhellet ſonderlich aus unterſchiedenen Exempeln der Fuͤrſtlichen Haͤu- ſer in Teutſchland, daß ie mehr ſie dergleichen Re- gierungen unterworffen geweſen, ie ungluͤcklicher ſie geworden. Daher iſt es auch kommen, daß man in einigen alten Schrifften, an ſtatt Vor- mundſchafftliche Adminiſtration, das Wort Ger- habſchafftlich findet; es iſt dieſes ein alt Oeſterrei- chiſch Wort, und ſoll ſo viel bedeuten, als Vor- mundſchafftlich; wie denn bekandt, daß Kayſer Maximilianus i. die ungetreuen Vormuͤnder Ger- haber, das iſt, Gernhaber, die das Land lieber ſelbſt gerne haͤtten, genennet. S. Tom. IX. Elect. Jur. Publ. p. 460.
§. 4. Die Beſtellung der Vormundſchafften wird in den Fundamental-Geſetzen des Reiches, und in den beſondern Vergleichen, ſo die Regenten
dieſer-
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III. Theil. I. Capitul.
§. 2. Die Politici und Publiciſten ſtreiten, was
den Tutoribus der ſouverainen Reiche vor eine
Gewalt zuſtehe, ob ſie eine Majeſtatem tempora-
riam haben oder nicht. Meines Erachtens braucht
es keines groſſen Diſputs, ſondern es iſt am be-
ſten, wenn man ſagt, es kaͤme ihnen ſo viel Po-
teſtæt zu, als ihnen andre Puiſſancen, das Mini-
ſterium und das Volck goͤnnen und uͤberlaſſen
wollen. Bißweilen ſind ſie von den wuͤrcklich re-
gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterſchie-
den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor
bloſſe groſſe Staats-Miniſtri anzuſehen.
§. 3. Die Vormundſchafftlichen Regierungen
ſind nicht allezeit die beſten, und erhellet ſonderlich
aus unterſchiedenen Exempeln der Fuͤrſtlichen Haͤu-
ſer in Teutſchland, daß ie mehr ſie dergleichen Re-
gierungen unterworffen geweſen, ie ungluͤcklicher
ſie geworden. Daher iſt es auch kommen, daß
man in einigen alten Schrifften, an ſtatt Vor-
mundſchafftliche Adminiſtration, das Wort Ger-
habſchafftlich findet; es iſt dieſes ein alt Oeſterrei-
chiſch Wort, und ſoll ſo viel bedeuten, als Vor-
mundſchafftlich; wie denn bekandt, daß Kayſer
Maximilianus i. die ungetreuen Vormuͤnder Ger-
haber, das iſt, Gernhaber, die das Land lieber ſelbſt
gerne haͤtten, genennet. S. Tom. IX. Elect.
Jur. Publ. p. 460.
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wird in den Fundamental-Geſetzen des Reiches,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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