§. 2. Werden die Vasallen in einen und dem an- dern mächtiger als ihre Vorfahren gewesen, oder bekommen neue Dignitaeten, so setzt es allerhand Disputen, sie praetendiren mehr Ehren-Bezeugun- gen, und wollen doch weniger ertheilen, bißweilen bemühen sie sich gantz und gar der Lehns-Pflicht zu entziehen, daß also die Lehns-Herren bey diesen Fällen Ursach haben, auf ihrer Hut zu seyn, damit die bißherigen Observanzen und Pacta genau bey- behalten und erfüllet werden. Gelangen die Lehns-Herren zu neuen Titulaturen, und zu grösse- rer Macht und Ansehen, so schreiben sie ihren Vasal- len bißweilen unangenehme Ceremonielle vor, zumahl wenn sie ihnen sonst nicht gewogen, oder sie vorher von ihnen einiger massen beleidiget worden, oder wenn sie wissen, daß sie sehr ohnmächtig, und sich keiner frembden Assistenz zu getrösten haben.
§. 3. Bevor um eine neue Lehns-Empfängniß angesucht wird, so muß allezeit der Todt oder die Veränderung des vorigen Vasallen bey der Lehns- Cantzley angezeigt werden. Also ist in der Reichs- Hofraths-Ordnung Kaysers Ferdinandi III. ent- halten: Es sollen auch die Agnaten und Procura- tores, so offt sie die Reichs-Lehn zu empfargen ansuchen, genugsame Beweise thun, wenn einen/ etzliche, oder alle, deren Nahmen in vorigen Leins- Briefen einverleibt, Todes verschieden, und gau- bige Attestationes beylegen, in welchem Jahre Monathe und an welchem Tage sich iedweder To- desfall zugetragen, ingleichen wie nahe die ansu-
cherden
II. Theil. V. Capitul.
§. 2. Werden die Vaſallen in einen und dem an- dern maͤchtiger als ihre Vorfahren geweſen, oder bekommen neue Dignitæten, ſo ſetzt es allerhand Diſputen, ſie prætendiren mehr Ehren-Bezeugun- gen, und wollen doch weniger ertheilen, bißweilen bemuͤhen ſie ſich gantz und gar der Lehns-Pflicht zu entziehen, daß alſo die Lehns-Herren bey dieſen Faͤllen Urſach haben, auf ihrer Hut zu ſeyn, damit die bißherigen Obſervanzen und Pacta genau bey- behalten und erfuͤllet werden. Gelangen die Lehns-Herren zu neuen Titulaturen, und zu groͤſſe- rer Macht und Anſehen, ſo ſchreiben ſie ihren Vaſal- len bißweilen unangenehme Ceremonielle vor, zumahl wenn ſie ihnen ſonſt nicht gewogen, oder ſie vorher von ihnen einiger maſſen beleidiget worden, oder wenn ſie wiſſen, daß ſie ſehr ohnmaͤchtig, und ſich keiner frembden Aſſiſtenz zu getroͤſten haben.
§. 3. Bevor um eine neue Lehns-Empfaͤngniß angeſucht wird, ſo muß allezeit der Todt oder die Veraͤnderung des vorigen Vaſallen bey der Lehns- Cantzley angezeigt werden. Alſo iſt in der Reichs- Hofraths-Ordnung Kayſers Ferdinandi III. ent- halten: Es ſollen auch die Agnaten und Procura- tores, ſo offt ſie die Reichs-Lehn zu empfargen anſuchen, genugſame Beweiſe thun, wenn einen/ etzliche, oder alle, deren Nahmen in vorigen Leins- Briefen einverleibt, Todes verſchieden, und gau- bige Atteſtationes beylegen, in welchem Jahre Monathe und an welchem Tage ſich iedweder To- desfall zugetragen, ingleichen wie nahe die anſu-
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II. Theil. V. Capitul.
§. 2. Werden die Vaſallen in einen und dem an-
dern maͤchtiger als ihre Vorfahren geweſen, oder
bekommen neue Dignitæten, ſo ſetzt es allerhand
Diſputen, ſie prætendiren mehr Ehren-Bezeugun-
gen, und wollen doch weniger ertheilen, bißweilen
bemuͤhen ſie ſich gantz und gar der Lehns-Pflicht
zu entziehen, daß alſo die Lehns-Herren bey dieſen
Faͤllen Urſach haben, auf ihrer Hut zu ſeyn, damit
die bißherigen Obſervanzen und Pacta genau bey-
behalten und erfuͤllet werden. Gelangen die
Lehns-Herren zu neuen Titulaturen, und zu groͤſſe-
rer Macht und Anſehen, ſo ſchreiben ſie ihren Vaſal-
len bißweilen unangenehme Ceremonielle vor,
zumahl wenn ſie ihnen ſonſt nicht gewogen, oder ſie
vorher von ihnen einiger maſſen beleidiget worden,
oder wenn ſie wiſſen, daß ſie ſehr ohnmaͤchtig, und
ſich keiner frembden Aſſiſtenz zu getroͤſten haben.
§. 3. Bevor um eine neue Lehns-Empfaͤngniß
angeſucht wird, ſo muß allezeit der Todt oder die
Veraͤnderung des vorigen Vaſallen bey der Lehns-
Cantzley angezeigt werden. Alſo iſt in der Reichs-
Hofraths-Ordnung Kayſers Ferdinandi III. ent-
halten: Es ſollen auch die Agnaten und Procura-
tores, ſo offt ſie die Reichs-Lehn zu empfargen
anſuchen, genugſame Beweiſe thun, wenn einen/
etzliche, oder alle, deren Nahmen in vorigen Leins-
Briefen einverleibt, Todes verſchieden, und gau-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/462>, abgerufen am 25.11.2024.
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