Reichs in Respect und Ehren von uhralten Zeiten her den gecrönten Häuptern gleich geachtet wor- den, auch eine hergebrachte Observanz ist, daß ein Königlicher Gesandter in seinem eigenen Logiment den Churfürstlichen Gesandten bey Visiten die rech- te Hand giebt, in welcher Betrachtung die Chur- fürsten des Reichs von den Königen, wenn sie sel- bige in ihren Königlichen Häusern besuchen, den place d'honeur ebenfalls verlangen, so haben doch die Könige solches nicht eingehen wollen, weil zwi- schen einem König und Churfürsten dennoch ein Unterschied wäre, indem ein König ein würcklich gecröntes Haupt, und ein Churfürst hingegen nur ein vornehmer Printz wäre, welcher nicht unter die gecrönten Häupter gezehlt, sondern nur wegen sei- ner Dignitaet und Puissance den Königen certo modo agendi gleich geachtet, und nächst ihnen placirt werden könte. Also habe der Ungarische König Josephus I. bevor er noch zum Römischen König erwehlt worden, in seinem eigenen Hause den place d'honeur vor allen Churfürsten genom- men, welche ihn besucht gehabt, und sind derglei- chen Exempel in der Historie mehr zu finden. S. Lünigs Theatr. Ceremoniell. Tom. I. p. 221.
§. 43. Als der Churfürst zu Cöln an. 1706. sich an dem Königlich Frantzösischen Hofe aufhielt, so sagte ihm der vorige König in Franckreich: Sie solten an dem Königlichen Hofe nicht frembde thun, und dannenhero auch kein Ceremoniel erwarten, weil Sie daselbst gleichsam zu Hause wären. Es
raiso-
II. Theil. II. Capitul.
Reichs in Reſpect und Ehren von uhralten Zeiten her den gecroͤnten Haͤuptern gleich geachtet wor- den, auch eine hergebrachte Obſervanz iſt, daß ein Koͤniglicher Geſandter in ſeinem eigenen Logiment den Churfuͤrſtlichen Geſandten bey Viſiten die rech- te Hand giebt, in welcher Betrachtung die Chur- fuͤrſten des Reichs von den Koͤnigen, wenn ſie ſel- bige in ihren Koͤniglichen Haͤuſern beſuchen, den place d’honeur ebenfalls verlangen, ſo haben doch die Koͤnige ſolches nicht eingehen wollen, weil zwi- ſchen einem Koͤnig und Churfuͤrſten dennoch ein Unterſchied waͤre, indem ein Koͤnig ein wuͤrcklich gecroͤntes Haupt, und ein Churfuͤrſt hingegen nur ein vornehmer Printz waͤre, welcher nicht unter die gecroͤnten Haͤupter gezehlt, ſondern nur wegen ſei- ner Dignitæt und Puiſſance den Koͤnigen certo modo agendi gleich geachtet, und naͤchſt ihnen placirt werden koͤnte. Alſo habe der Ungariſche Koͤnig Joſephus I. bevor er noch zum Roͤmiſchen Koͤnig erwehlt worden, in ſeinem eigenen Hauſe den place d’honeur vor allen Churfuͤrſten genom- men, welche ihn beſucht gehabt, und ſind derglei- chen Exempel in der Hiſtorie mehr zu finden. S. Luͤnigs Theatr. Ceremoniell. Tom. I. p. 221.
§. 43. Als der Churfuͤrſt zu Coͤln an. 1706. ſich an dem Koͤniglich Frantzoͤſiſchen Hofe aufhielt, ſo ſagte ihm der vorige Koͤnig in Franckreich: Sie ſolten an dem Koͤniglichen Hofe nicht frembde thun, und dannenhero auch kein Ceremoniel erwarten, weil Sie daſelbſt gleichſam zu Hauſe waͤren. Es
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II. Theil. II. Capitul.
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her den gecroͤnten Haͤuptern gleich geachtet wor-
den, auch eine hergebrachte Obſervanz iſt, daß ein
Koͤniglicher Geſandter in ſeinem eigenen Logiment
den Churfuͤrſtlichen Geſandten bey Viſiten die rech-
te Hand giebt, in welcher Betrachtung die Chur-
fuͤrſten des Reichs von den Koͤnigen, wenn ſie ſel-
bige in ihren Koͤniglichen Haͤuſern beſuchen, den
place d’honeur ebenfalls verlangen, ſo haben doch
die Koͤnige ſolches nicht eingehen wollen, weil zwi-
ſchen einem Koͤnig und Churfuͤrſten dennoch ein
Unterſchied waͤre, indem ein Koͤnig ein wuͤrcklich
gecroͤntes Haupt, und ein Churfuͤrſt hingegen nur
ein vornehmer Printz waͤre, welcher nicht unter die
gecroͤnten Haͤupter gezehlt, ſondern nur wegen ſei-
ner Dignitæt und Puiſſance den Koͤnigen certo
modo agendi gleich geachtet, und naͤchſt ihnen
placirt werden koͤnte. Alſo habe der Ungariſche
Koͤnig Joſephus I. bevor er noch zum Roͤmiſchen
Koͤnig erwehlt worden, in ſeinem eigenen Hauſe
den place d’honeur vor allen Churfuͤrſten genom-
men, welche ihn beſucht gehabt, und ſind derglei-
chen Exempel in der Hiſtorie mehr zu finden. S.
Luͤnigs Theatr. Ceremoniell. Tom. I. p. 221.
§. 43. Als der Churfuͤrſt zu Coͤln an. 1706. ſich
an dem Koͤniglich Frantzoͤſiſchen Hofe aufhielt, ſo
ſagte ihm der vorige Koͤnig in Franckreich: Sie
ſolten an dem Koͤniglichen Hofe nicht frembde thun,
und dannenhero auch kein Ceremoniel erwarten,
weil Sie daſelbſt gleichſam zu Hauſe waͤren. Es
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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