§. 8. Es wird auch öffters, wenn viel Königliche und Churfürstliche Personen zusammen kommen, zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte Reyhe gehalten, und sie setzen sich pele mele an die Tafel. Die hohen Standes-Personen männli- chen Geschlechts nehmen die Hochfürstlichen Da- mes bey der Hand, und führen sie zur Tafel, ohne auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie sie wollen, oder wie sie zu gewissen Stellen durch das Loß angewiesen werden.
§. 9. Wenn eine Visite von einem geringern an einen höhern abgestattet werden soll, die zwar aus Höflichkeit geschehen könnte oder würde, die aber doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit ist, und der geringere erfährt, daß er bey dem hö- heren ein allzuschlecht Ceremoniel bekommen soll, so bleibt er lieber davon. Dieses ereignet sich nicht selten in Teutschland, wenn mächtige und an- sehnliche Vasallen bey ihren Lehns-Herren einspre- chen wollen. Sie praetendiren bey ihren Visiten dasjenige, so andern Standes-Personen bey der- gleichen Zusprüchen an Höflichkeit erwiesen wird, sie wollen mit ihren Kutschen in den innern Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der Stiegen absteigen, sie verlangen einen Cammer- Juncker zur Aufwartung, sie wollen in den Fürst- lichen Zimmern logiren, und wie die andern servirt seyn, u. s. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih- nen gar selten accordirt.
§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von höheren
Stande,
Z 5
Von Viſiten u. Zuſammenk. groſſer Herren.
§. 8. Es wird auch oͤffters, wenn viel Koͤnigliche und Churfuͤrſtliche Perſonen zuſammen kommen, zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte Reyhe gehalten, und ſie ſetzen ſich péle méle an die Tafel. Die hohen Standes-Perſonen maͤnnli- chen Geſchlechts nehmen die Hochfuͤrſtlichen Da- mes bey der Hand, und fuͤhren ſie zur Tafel, ohne auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie ſie wollen, oder wie ſie zu gewiſſen Stellen durch das Loß angewieſen werden.
§. 9. Wenn eine Viſite von einem geringern an einen hoͤhern abgeſtattet werden ſoll, die zwar aus Hoͤflichkeit geſchehen koͤnnte oder wuͤrde, die aber doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit iſt, und der geringere erfaͤhrt, daß er bey dem hoͤ- heren ein allzuſchlecht Ceremoniel bekommen ſoll, ſo bleibt er lieber davon. Dieſes ereignet ſich nicht ſelten in Teutſchland, wenn maͤchtige und an- ſehnliche Vaſallen bey ihren Lehns-Herren einſpre- chen wollen. Sie prætendiren bey ihren Viſiten dasjenige, ſo andern Standes-Perſonen bey der- gleichen Zuſpruͤchen an Hoͤflichkeit erwieſen wird, ſie wollen mit ihren Kutſchen in den innern Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der Stiegen abſteigen, ſie verlangen einen Cammer- Juncker zur Aufwartung, ſie wollen in den Fuͤrſt- lichen Zimmern logiren, und wie die andern ſervirt ſeyn, u. ſ. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih- nen gar ſelten accordirt.
§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von hoͤheren
Stande,
Z 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0385"n="361"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von <hirendition="#aq">Viſit</hi>en u. Zuſammenk. groſſer Herren.</hi></fw><lb/><p>§. 8. Es wird auch oͤffters, wenn viel Koͤnigliche<lb/>
und Churfuͤrſtliche Perſonen zuſammen kommen,<lb/>
zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte<lb/>
Reyhe gehalten, und ſie ſetzen ſich <hirendition="#aq">péle méle</hi> an die<lb/>
Tafel. Die hohen Standes-Perſonen maͤnnli-<lb/>
chen Geſchlechts nehmen die Hochfuͤrſtlichen <hirendition="#aq">Da-<lb/>
mes</hi> bey der Hand, und fuͤhren ſie zur Tafel, ohne<lb/>
auf einigen Rang zu <hirendition="#aq">reflecti</hi>ren, entweder wie ſie<lb/>
wollen, oder wie ſie zu gewiſſen Stellen durch das<lb/>
Loß angewieſen werden.</p><lb/><p>§. 9. Wenn eine <hirendition="#aq">Viſite</hi> von einem geringern an<lb/>
einen hoͤhern abgeſtattet werden ſoll, die zwar aus<lb/>
Hoͤflichkeit geſchehen koͤnnte oder wuͤrde, die aber<lb/>
doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit<lb/>
iſt, und der geringere erfaͤhrt, daß er bey dem hoͤ-<lb/>
heren ein allzuſchlecht <hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> bekommen ſoll,<lb/>ſo bleibt er lieber davon. Dieſes ereignet ſich<lb/>
nicht ſelten in Teutſchland, wenn maͤchtige und an-<lb/>ſehnliche <hirendition="#aq">Vaſall</hi>en bey ihren Lehns-Herren einſpre-<lb/>
chen wollen. Sie <hirendition="#aq">prætendi</hi>ren bey ihren <hirendition="#aq">Viſit</hi>en<lb/>
dasjenige, ſo andern Standes-Perſonen bey der-<lb/>
gleichen Zuſpruͤchen an Hoͤflichkeit erwieſen wird,<lb/>ſie wollen mit ihren Kutſchen in den innern<lb/>
Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der<lb/>
Stiegen abſteigen, ſie verlangen einen Cammer-<lb/>
Juncker zur Aufwartung, ſie wollen in den Fuͤrſt-<lb/>
lichen Zimmern <hirendition="#aq">logi</hi>ren, und wie die andern <hirendition="#aq">ſervi</hi>rt<lb/>ſeyn, u. ſ. w. doch dergleichen <hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> wird ih-<lb/>
nen gar ſelten <hirendition="#aq">accordi</hi>rt.</p><lb/><p>§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von hoͤheren<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Stande,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[361/0385]
Von Viſiten u. Zuſammenk. groſſer Herren.
§. 8. Es wird auch oͤffters, wenn viel Koͤnigliche
und Churfuͤrſtliche Perſonen zuſammen kommen,
zu Vermeydung des Rang-Streits nur eine bunte
Reyhe gehalten, und ſie ſetzen ſich péle méle an die
Tafel. Die hohen Standes-Perſonen maͤnnli-
chen Geſchlechts nehmen die Hochfuͤrſtlichen Da-
mes bey der Hand, und fuͤhren ſie zur Tafel, ohne
auf einigen Rang zu reflectiren, entweder wie ſie
wollen, oder wie ſie zu gewiſſen Stellen durch das
Loß angewieſen werden.
§. 9. Wenn eine Viſite von einem geringern an
einen hoͤhern abgeſtattet werden ſoll, die zwar aus
Hoͤflichkeit geſchehen koͤnnte oder wuͤrde, die aber
doch nicht von unvermeydlicher Nothwendigkeit
iſt, und der geringere erfaͤhrt, daß er bey dem hoͤ-
heren ein allzuſchlecht Ceremoniel bekommen ſoll,
ſo bleibt er lieber davon. Dieſes ereignet ſich
nicht ſelten in Teutſchland, wenn maͤchtige und an-
ſehnliche Vaſallen bey ihren Lehns-Herren einſpre-
chen wollen. Sie prætendiren bey ihren Viſiten
dasjenige, ſo andern Standes-Perſonen bey der-
gleichen Zuſpruͤchen an Hoͤflichkeit erwieſen wird,
ſie wollen mit ihren Kutſchen in den innern
Schloß-Hof hineinfahren, und unten an der
Stiegen abſteigen, ſie verlangen einen Cammer-
Juncker zur Aufwartung, ſie wollen in den Fuͤrſt-
lichen Zimmern logiren, und wie die andern ſervirt
ſeyn, u. ſ. w. doch dergleichen Ceremoniel wird ih-
nen gar ſelten accordirt.
§. 10. Sind ihre Gemahlinnen von hoͤheren
Stande,
Z 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/385>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.