Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. I. Capitul.
mancherley Rang- und Praecedenz-Streitigkeiten
sich entsponnen.

§. 2. Es hat immer einen Grund, warum sich ein
Regent dem andern vorziehen will, oder auch bey
andern Puissancen hierinnen Beyfall erhält, mehr
Schein der Wahrheit, als der andere. Vor die-
sen haben sich die Päbste in Decidirung der Rang-
Streitigkeiten grosser Herren eine ziemliche Gurcke
heraus genommen, und dieselben, nachdem sie der
Römischen Kirche sehr favorisirt, und ihr viel Ge-
horsam und Respect erzeiget, oder nicht, in der
Päbstlichen Capelle und in den Ceremonialibus
hoch oder niedrig placirt, und daher manchen Sou-
verain
Gewalt und Unrecht gethan. Jedoch die
protestirenden Puissancen und Fürsten kehren sich
an die Päbstlichen Reglemens nicht; es haben
auch allbereits in den papistischen Zeiten die Rö-
misch-Catholischen nicht gar viel darauf gehalten.
S. Londorp. Actor. Publicor. Tom. VI. p. 318.
& 319.

§. 3. Vor Zeiten hat man einem Volck die Prae-
cedenz
zuschreiben wollen, nicht allein wegens des
Alterthums überhaupt, sondern auch wegen des Al-
terthums des Christlichen angenommenen Glau-
bens. Es ist aber auch dieses ein gar schwacher
Grund, es gebühret dem Volck einiges Lob, daß es
die heydnische Finsterniß eher verlassen; doch da-
her ist kein Argument zu nehmen von den Vorzug,
denn das Volck, das die Christliche Religion zu-
letzt angenommen, ist eben so gut, als dasjenige, so

sich

II. Theil. I. Capitul.
mancherley Rang- und Præcedenz-Streitigkeiten
ſich entſponnen.

§. 2. Es hat immer einen Grund, warum ſich ein
Regent dem andern vorziehen will, oder auch bey
andern Puiſſancen hierinnen Beyfall erhaͤlt, mehr
Schein der Wahrheit, als der andere. Vor die-
ſen haben ſich die Paͤbſte in Decidirung der Rang-
Streitigkeiten groſſer Herren eine ziemliche Gurcke
heraus genommen, und dieſelben, nachdem ſie der
Roͤmiſchen Kirche ſehr favoriſirt, und ihr viel Ge-
horſam und Reſpect erzeiget, oder nicht, in der
Paͤbſtlichen Capelle und in den Ceremonialibus
hoch oder niedrig placirt, und daher manchen Sou-
verain
Gewalt und Unrecht gethan. Jedoch die
proteſtirenden Puiſſancen und Fuͤrſten kehren ſich
an die Paͤbſtlichen Reglemens nicht; es haben
auch allbereits in den papiſtiſchen Zeiten die Roͤ-
miſch-Catholiſchen nicht gar viel darauf gehalten.
S. Londorp. Actor. Publicor. Tom. VI. p. 318.
& 319.

§. 3. Vor Zeiten hat man einem Volck die Præ-
cedenz
zuſchreiben wollen, nicht allein wegens des
Alterthums uͤberhaupt, ſondern auch wegen des Al-
terthums des Chriſtlichen angenommenen Glau-
bens. Es iſt aber auch dieſes ein gar ſchwacher
Grund, es gebuͤhret dem Volck einiges Lob, daß es
die heydniſche Finſterniß eher verlaſſen; doch da-
her iſt kein Argument zu nehmen von den Vorzug,
denn das Volck, das die Chriſtliche Religion zu-
letzt angenommen, iſt eben ſo gut, als dasjenige, ſo

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0364" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">I.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
mancherley Rang- und <hi rendition="#aq">Præcedenz-</hi>Streitigkeiten<lb/>
&#x017F;ich ent&#x017F;ponnen.</p><lb/>
          <p>§. 2. Es hat immer einen Grund, warum &#x017F;ich ein<lb/>
Regent dem andern vorziehen will, oder auch bey<lb/>
andern <hi rendition="#aq">Pui&#x017F;&#x017F;anc</hi>en hierinnen Beyfall erha&#x0364;lt, mehr<lb/>
Schein der Wahrheit, als der andere. Vor die-<lb/>
&#x017F;en haben &#x017F;ich die Pa&#x0364;b&#x017F;te in <hi rendition="#aq">Decidi</hi>rung der Rang-<lb/>
Streitigkeiten gro&#x017F;&#x017F;er Herren eine ziemliche Gurcke<lb/>
heraus genommen, und die&#x017F;elben, nachdem &#x017F;ie der<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kirche &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">favori&#x017F;i</hi>rt, und ihr viel Ge-<lb/>
hor&#x017F;am und <hi rendition="#aq">Re&#x017F;pect</hi> erzeiget, oder nicht, in der<lb/>
Pa&#x0364;b&#x017F;tlichen Capelle und in den <hi rendition="#aq">Ceremonialibus</hi><lb/>
hoch oder niedrig <hi rendition="#aq">placi</hi>rt, und daher manchen <hi rendition="#aq">Sou-<lb/>
verain</hi> Gewalt und Unrecht gethan. Jedoch die<lb/><hi rendition="#aq">prote&#x017F;ti</hi>renden <hi rendition="#aq">Pui&#x017F;&#x017F;anc</hi>en und Fu&#x0364;r&#x017F;ten kehren &#x017F;ich<lb/>
an die Pa&#x0364;b&#x017F;tlichen <hi rendition="#aq">Reglemens</hi> nicht; es haben<lb/>
auch allbereits in den papi&#x017F;ti&#x017F;chen Zeiten die Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;ch-Catholi&#x017F;chen nicht gar viel darauf gehalten.<lb/>
S. <hi rendition="#aq">Londorp. Actor. Publicor. Tom. VI. p.</hi> 318.<lb/>
&amp; 319.</p><lb/>
          <p>§. 3. Vor Zeiten hat man einem Volck die <hi rendition="#aq">Præ-<lb/>
cedenz</hi> zu&#x017F;chreiben wollen, nicht allein wegens des<lb/>
Alterthums u&#x0364;berhaupt, &#x017F;ondern auch wegen des Al-<lb/>
terthums des Chri&#x017F;tlichen angenommenen Glau-<lb/>
bens. Es i&#x017F;t aber auch die&#x017F;es ein gar &#x017F;chwacher<lb/>
Grund, es gebu&#x0364;hret dem Volck einiges Lob, daß es<lb/>
die heydni&#x017F;che Fin&#x017F;terniß eher verla&#x017F;&#x017F;en; doch da-<lb/>
her i&#x017F;t kein <hi rendition="#aq">Argument</hi> zu nehmen von den Vorzug,<lb/>
denn das Volck, das die Chri&#x017F;tliche Religion zu-<lb/>
letzt angenommen, i&#x017F;t eben &#x017F;o gut, als dasjenige, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0364] II. Theil. I. Capitul. mancherley Rang- und Præcedenz-Streitigkeiten ſich entſponnen. §. 2. Es hat immer einen Grund, warum ſich ein Regent dem andern vorziehen will, oder auch bey andern Puiſſancen hierinnen Beyfall erhaͤlt, mehr Schein der Wahrheit, als der andere. Vor die- ſen haben ſich die Paͤbſte in Decidirung der Rang- Streitigkeiten groſſer Herren eine ziemliche Gurcke heraus genommen, und dieſelben, nachdem ſie der Roͤmiſchen Kirche ſehr favoriſirt, und ihr viel Ge- horſam und Reſpect erzeiget, oder nicht, in der Paͤbſtlichen Capelle und in den Ceremonialibus hoch oder niedrig placirt, und daher manchen Sou- verain Gewalt und Unrecht gethan. Jedoch die proteſtirenden Puiſſancen und Fuͤrſten kehren ſich an die Paͤbſtlichen Reglemens nicht; es haben auch allbereits in den papiſtiſchen Zeiten die Roͤ- miſch-Catholiſchen nicht gar viel darauf gehalten. S. Londorp. Actor. Publicor. Tom. VI. p. 318. & 319. §. 3. Vor Zeiten hat man einem Volck die Præ- cedenz zuſchreiben wollen, nicht allein wegens des Alterthums uͤberhaupt, ſondern auch wegen des Al- terthums des Chriſtlichen angenommenen Glau- bens. Es iſt aber auch dieſes ein gar ſchwacher Grund, es gebuͤhret dem Volck einiges Lob, daß es die heydniſche Finſterniß eher verlaſſen; doch da- her iſt kein Argument zu nehmen von den Vorzug, denn das Volck, das die Chriſtliche Religion zu- letzt angenommen, iſt eben ſo gut, als dasjenige, ſo ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/364
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/364>, abgerufen am 22.11.2024.