Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Theil. III. Capitul.
Gradus oder Praedicats annehmen kan, ob er ihn
gleich nicht überkommen, oder die Ausfertigung die-
ser oder jenen Titulatur zur völligen Richtigkeit
und Consistenz gedyen. Die Fälle, bey denen sich
die Ausnahme von dieser Regel zuträgt, können
mancherley seyn, theils, da man seinem Amte oder
seinem Beruff nicht so wohl vorstehen würde, wenn
man sich nicht hierinne nach dem irrigen Wahn
der Leute richten wolte, theils, da einer einem gewis-
sen Amte oder Bedienung viele Jahre mit Ehren
vorgestanden, und dasjenige, was man genennt
wird, gewesen, obschon besondere Raisons in We-
ge gestanden, worinnen man etweder die Titulatur
nicht annehmen wollen, oder warum die Ausferti-
gung des Praedicats einem schwer gemacht worden,
theils auch, wenn es mit Verbewust und Connivenz
der Obern und Vorgesetzten geschiehet, und die Zeit
sehr nahe ist, da man einer gewissen Charge oder
doch eines gewissen Praedicats theilhafftig werden
soll. Also kan man es einem Medicinae Practico
nicht verdencken, wenn er von den Bauern oder
dem gemeinen Volck das Ehren-Wort Doctor
annimmt, ob er schon diesen Gradum nicht erlangt;
Wolte er sich ihnen widersetzen, und anführen, daß
er es nicht wäre, so würde seine gantze Wissen-
schafft, und wenn sie noch so fundamental wäre,
bey ihnen verdächtig werden, sie würden kein Ver-
trauen in ihn setzen, und glauben, daß er nichts ver-
stünde, weil er sich nicht als Doctor aufführen kön-
te und wolte; Wolte auch gleich mancher, um den

Leuten

I. Theil. III. Capitul.
Gradus oder Prædicats annehmen kan, ob er ihn
gleich nicht uͤberkommen, oder die Ausfertigung die-
ſer oder jenen Titulatur zur voͤlligen Richtigkeit
und Conſiſtenz gedyen. Die Faͤlle, bey denen ſich
die Ausnahme von dieſer Regel zutraͤgt, koͤnnen
mancherley ſeyn, theils, da man ſeinem Amte oder
ſeinem Beruff nicht ſo wohl vorſtehen wuͤrde, wenn
man ſich nicht hierinne nach dem irrigen Wahn
der Leute richten wolte, theils, da einer einem gewiſ-
ſen Amte oder Bedienung viele Jahre mit Ehren
vorgeſtanden, und dasjenige, was man genennt
wird, geweſen, obſchon beſondere Raiſons in We-
ge geſtanden, worinnen man etweder die Titulatur
nicht annehmen wollen, oder warum die Ausferti-
gung des Prædicats einem ſchwer gemacht worden,
theils auch, wenn es mit Verbewuſt und Connivenz
der Obern und Vorgeſetzten geſchiehet, und die Zeit
ſehr nahe iſt, da man einer gewiſſen Charge oder
doch eines gewiſſen Prædicats theilhafftig werden
ſoll. Alſo kan man es einem Medicinæ Practico
nicht verdencken, wenn er von den Bauern oder
dem gemeinen Volck das Ehren-Wort Doctor
annimmt, ob er ſchon dieſen Gradum nicht erlangt;
Wolte er ſich ihnen widerſetzen, und anfuͤhren, daß
er es nicht waͤre, ſo wuͤrde ſeine gantze Wiſſen-
ſchafft, und wenn ſie noch ſo fundamental waͤre,
bey ihnen verdaͤchtig werden, ſie wuͤrden kein Ver-
trauen in ihn ſetzen, und glauben, daß er nichts ver-
ſtuͤnde, weil er ſich nicht als Doctor auffuͤhren koͤn-
te und wolte; Wolte auch gleich mancher, um den

Leuten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Gradus</hi> oder <hi rendition="#aq">Prædicats</hi> annehmen kan, ob er ihn<lb/>
gleich nicht u&#x0364;berkommen, oder die Ausfertigung die-<lb/>
&#x017F;er oder jenen <hi rendition="#aq">Titulatur</hi> zur vo&#x0364;lligen Richtigkeit<lb/>
und <hi rendition="#aq">Con&#x017F;i&#x017F;tenz</hi> gedyen. Die Fa&#x0364;lle, bey denen &#x017F;ich<lb/>
die Ausnahme von die&#x017F;er Regel zutra&#x0364;gt, ko&#x0364;nnen<lb/>
mancherley &#x017F;eyn, theils, da man &#x017F;einem Amte oder<lb/>
&#x017F;einem Beruff nicht &#x017F;o wohl vor&#x017F;tehen wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
man &#x017F;ich nicht hierinne nach dem irrigen Wahn<lb/>
der Leute richten wolte, theils, da einer einem gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Amte oder Bedienung viele Jahre mit Ehren<lb/>
vorge&#x017F;tanden, und dasjenige, was man genennt<lb/>
wird, gewe&#x017F;en, ob&#x017F;chon be&#x017F;ondere <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;ons</hi> in We-<lb/>
ge ge&#x017F;tanden, worinnen man etweder die <hi rendition="#aq">Titulatur</hi><lb/>
nicht annehmen wollen, oder warum die Ausferti-<lb/>
gung des <hi rendition="#aq">Prædicats</hi> einem &#x017F;chwer gemacht worden,<lb/>
theils auch, wenn es mit Verbewu&#x017F;t und <hi rendition="#aq">Connivenz</hi><lb/>
der Obern und Vorge&#x017F;etzten ge&#x017F;chiehet, und die Zeit<lb/>
&#x017F;ehr nahe i&#x017F;t, da man einer gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Charge</hi> oder<lb/>
doch eines gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Prædicats</hi> theilhafftig werden<lb/>
&#x017F;oll. Al&#x017F;o kan man es einem <hi rendition="#aq">Medicinæ Practico</hi><lb/>
nicht verdencken, wenn er von den Bauern oder<lb/>
dem gemeinen Volck das Ehren-Wort <hi rendition="#aq">Doctor</hi><lb/>
annimmt, ob er &#x017F;chon die&#x017F;en <hi rendition="#aq">Gradum</hi> nicht erlangt;<lb/>
Wolte er &#x017F;ich ihnen wider&#x017F;etzen, und anfu&#x0364;hren, daß<lb/>
er es nicht wa&#x0364;re, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;eine gantze Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft, und wenn &#x017F;ie noch &#x017F;o <hi rendition="#aq">fundamental</hi> wa&#x0364;re,<lb/>
bey ihnen verda&#x0364;chtig werden, &#x017F;ie wu&#x0364;rden kein Ver-<lb/>
trauen in ihn &#x017F;etzen, und glauben, daß er nichts ver-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde, weil er &#x017F;ich nicht als <hi rendition="#aq">Doctor</hi> auffu&#x0364;hren ko&#x0364;n-<lb/>
te und wolte; Wolte auch gleich mancher, um den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Leuten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0096] I. Theil. III. Capitul. Gradus oder Prædicats annehmen kan, ob er ihn gleich nicht uͤberkommen, oder die Ausfertigung die- ſer oder jenen Titulatur zur voͤlligen Richtigkeit und Conſiſtenz gedyen. Die Faͤlle, bey denen ſich die Ausnahme von dieſer Regel zutraͤgt, koͤnnen mancherley ſeyn, theils, da man ſeinem Amte oder ſeinem Beruff nicht ſo wohl vorſtehen wuͤrde, wenn man ſich nicht hierinne nach dem irrigen Wahn der Leute richten wolte, theils, da einer einem gewiſ- ſen Amte oder Bedienung viele Jahre mit Ehren vorgeſtanden, und dasjenige, was man genennt wird, geweſen, obſchon beſondere Raiſons in We- ge geſtanden, worinnen man etweder die Titulatur nicht annehmen wollen, oder warum die Ausferti- gung des Prædicats einem ſchwer gemacht worden, theils auch, wenn es mit Verbewuſt und Connivenz der Obern und Vorgeſetzten geſchiehet, und die Zeit ſehr nahe iſt, da man einer gewiſſen Charge oder doch eines gewiſſen Prædicats theilhafftig werden ſoll. Alſo kan man es einem Medicinæ Practico nicht verdencken, wenn er von den Bauern oder dem gemeinen Volck das Ehren-Wort Doctor annimmt, ob er ſchon dieſen Gradum nicht erlangt; Wolte er ſich ihnen widerſetzen, und anfuͤhren, daß er es nicht waͤre, ſo wuͤrde ſeine gantze Wiſſen- ſchafft, und wenn ſie noch ſo fundamental waͤre, bey ihnen verdaͤchtig werden, ſie wuͤrden kein Ver- trauen in ihn ſetzen, und glauben, daß er nichts ver- ſtuͤnde, weil er ſich nicht als Doctor auffuͤhren koͤn- te und wolte; Wolte auch gleich mancher, um den Leuten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/96
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/96>, abgerufen am 23.11.2024.