ren-Bezeigungen, die sonst unserm Stand und Be- dienung gemäß, anderer Leute Gunst und Discre- tion überlassen, so lange, biß uns GOtt wieder in bessere Umstände gesetzt. Hochmuth ist zwar über- haupt ein schändlicher Gefehrte der Armuth, sie ist aber noch unerträglicher, wenn man sie gegen dieje- nigen ausüben will, deren Gnade, Gunst oder Freundschafft wir doch benöthiget, und nicht ent- behren können. (VI.)Auf dem Sterbe-Bette, wenn wir an der Pforte der Ewigkeit stehen, die al- len Unterschied der auf dem Erd-Creyße eingeführ- ten Titulaturen den letzten Gräntz-Stein setzt, sol- ten wir billich auch diesen Tand der Eitelkeit unter unsere Füsse treten, und vielmehr auf den, in der hei- ligen Tauffe erlangten, und im Himmel angeschrie- benen Christen-Nahmen, unsere höchst-erfreuliche Blicke werffen.
§. 19. Man findet hin und wieder thörichte Leu- te in der Welt, die sich vor dasjenige ausgeben, so sie doch nicht sind, sie legen sich diejenigen Gradus, Praedicata, und andere Titulaturen bey, die sie doch nimmermehr erhalten, und auch öffters nicht erhal- ten werden; sie geben sich an fremden Orten, und bey unbekandten Leuten vor Doctores, Licentia- ten, Edelleute, Baronen, Grafen, Hof- und Kriegs- Officianten, und vor alles aus, was sie wollen; Sie vergnügen sich eine Zeitlang, so lange, als sie Geld und Geschicklichkeit haben, ihre falsche Person zu spielen, oder ihre Erdichtung unbekandt bleibet, mit dem Winde ihrer Einbildung; Wird aber ihre
wahre
I. Theil. III. Capitul.
ren-Bezeigungen, die ſonſt unſerm Stand und Be- dienung gemaͤß, anderer Leute Gunſt und Diſcre- tion uͤberlaſſen, ſo lange, biß uns GOtt wieder in beſſere Umſtaͤnde geſetzt. Hochmuth iſt zwar uͤber- haupt ein ſchaͤndlicher Gefehrte der Armuth, ſie iſt aber noch unertraͤglicher, wenn man ſie gegen dieje- nigen ausuͤben will, deren Gnade, Gunſt oder Freundſchafft wir doch benoͤthiget, und nicht ent- behren koͤnnen. (VI.)Auf dem Sterbe-Bette, wenn wir an der Pforte der Ewigkeit ſtehen, die al- len Unterſchied der auf dem Erd-Creyße eingefuͤhr- ten Titulaturen den letzten Graͤntz-Stein ſetzt, ſol- ten wir billich auch dieſen Tand der Eitelkeit unter unſere Fuͤſſe treten, und vielmehr auf den, in der hei- ligen Tauffe erlangten, und im Himmel angeſchrie- benen Chriſten-Nahmen, unſere hoͤchſt-erfreuliche Blicke werffen.
§. 19. Man findet hin und wieder thoͤrichte Leu- te in der Welt, die ſich vor dasjenige ausgeben, ſo ſie doch nicht ſind, ſie legen ſich diejenigen Gradus, Prædicata, und andere Titulaturen bey, die ſie doch nimmermehr erhalten, und auch oͤffters nicht erhal- ten werden; ſie geben ſich an fremden Orten, und bey unbekandten Leuten vor Doctores, Licentia- ten, Edelleute, Baronen, Grafen, Hof- und Kriegs- Officianten, und vor alles aus, was ſie wollen; Sie vergnuͤgen ſich eine Zeitlang, ſo lange, als ſie Geld und Geſchicklichkeit haben, ihre falſche Perſon zu ſpielen, oder ihre Erdichtung unbekandt bleibet, mit dem Winde ihrer Einbildung; Wird aber ihre
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I. Theil. III. Capitul.
ren-Bezeigungen, die ſonſt unſerm Stand und Be-
dienung gemaͤß, anderer Leute Gunſt und Diſcre-
tion uͤberlaſſen, ſo lange, biß uns GOtt wieder in
beſſere Umſtaͤnde geſetzt. Hochmuth iſt zwar uͤber-
haupt ein ſchaͤndlicher Gefehrte der Armuth, ſie iſt
aber noch unertraͤglicher, wenn man ſie gegen dieje-
nigen ausuͤben will, deren Gnade, Gunſt oder
Freundſchafft wir doch benoͤthiget, und nicht ent-
behren koͤnnen. (VI.) Auf dem Sterbe-Bette,
wenn wir an der Pforte der Ewigkeit ſtehen, die al-
len Unterſchied der auf dem Erd-Creyße eingefuͤhr-
ten Titulaturen den letzten Graͤntz-Stein ſetzt, ſol-
ten wir billich auch dieſen Tand der Eitelkeit unter
unſere Fuͤſſe treten, und vielmehr auf den, in der hei-
ligen Tauffe erlangten, und im Himmel angeſchrie-
benen Chriſten-Nahmen, unſere hoͤchſt-erfreuliche
Blicke werffen.
§. 19. Man findet hin und wieder thoͤrichte Leu-
te in der Welt, die ſich vor dasjenige ausgeben, ſo
ſie doch nicht ſind, ſie legen ſich diejenigen Gradus,
Prædicata, und andere Titulaturen bey, die ſie doch
nimmermehr erhalten, und auch oͤffters nicht erhal-
ten werden; ſie geben ſich an fremden Orten, und
bey unbekandten Leuten vor Doctores, Licentia-
ten, Edelleute, Baronen, Grafen, Hof- und Kriegs-
Officianten, und vor alles aus, was ſie wollen;
Sie vergnuͤgen ſich eine Zeitlang, ſo lange, als ſie
Geld und Geſchicklichkeit haben, ihre falſche Perſon
zu ſpielen, oder ihre Erdichtung unbekandt bleibet,
mit dem Winde ihrer Einbildung; Wird aber ihre
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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