§. 18. Bey gewissen Umständen muß ein ver- nünfftiger Mensch nicht allein seiner Begierde, in Annehmung der Titulaturen, die engsten Schran- cken setzen, sondern ihr auch wohl gantz und gar wi- derstehen. Meinem Bedüncken nach ist es rath- sam, bey folgenden Fällen die Demuth auszuüben, und das Gepränge des Tituls bey Seite zu setzen: (I.)Jn dem Beichtstuhl. An diesem Ort erschei- net man vor dem Angesicht GOttes, nicht als ein Cavalier und Hochwohlgebohrner Herr, nicht als eine Excellenz und grosser General, sondern als ein bußfertiger und um Gnade flehender Sünder, der sich vor GOtt zu demüthigen hohe Ursache hat. (II.)Jn Gegenwart der Höhern, die sonst durch die grosse Titulatur, die wir zu eben der Zeit von den Geringern annähmen, auf gewisse Maße fast ver- unehret würden; Es ist hier nicht die Rede von dem Titul des Praedicats und der Bedienung, in der man stehet, die einem der Höhere selbst mittheilet, son- dern von einer andern Ehren-Benennung, als, Jh- re Gnaden, Gnädiger Herr, u. s. w. Kommt ei- nem die Titulatur vollends gar nicht zu, so ist es noch thörichter; Es läst also sehr abgeschmackt, wenn sich ein Schul-Monarche, in Beyseyn eines grossen Staats-Ministers, von seinen Schülern, Jhro Ex- cellenz nennen läst. (III.)Jn Umgange mit denen Gelehrten, da sie uns nach der Gnade, die sie in den übrigen Fällen vor uns haben, oder der Ungnade, mit der sie uns ansehen, bey der Titulatur besonders distinguiren; Jch verstehe aber hierun-
ter
I. Theil. III. Capitul.
§. 18. Bey gewiſſen Umſtaͤnden muß ein ver- nuͤnfftiger Menſch nicht allein ſeiner Begierde, in Annehmung der Titulaturen, die engſten Schran- cken ſetzen, ſondern ihr auch wohl gantz und gar wi- derſtehen. Meinem Beduͤncken nach iſt es rath- ſam, bey folgenden Faͤllen die Demuth auszuuͤben, und das Gepraͤnge des Tituls bey Seite zu ſetzen: (I.)Jn dem Beichtſtuhl. An dieſem Ort erſchei- net man vor dem Angeſicht GOttes, nicht als ein Cavalier und Hochwohlgebohrner Herr, nicht als eine Excellenz und groſſer General, ſondern als ein bußfertiger und um Gnade flehender Suͤnder, der ſich vor GOtt zu demuͤthigen hohe Urſache hat. (II.)Jn Gegenwart der Hoͤhern, die ſonſt durch die groſſe Titulatur, die wir zu eben der Zeit von den Geringern annaͤhmen, auf gewiſſe Maße faſt ver- unehret wuͤrden; Es iſt hier nicht die Rede von dem Titul des Prædicats und der Bedienung, in der man ſtehet, die einem der Hoͤhere ſelbſt mittheilet, ſon- dern von einer andern Ehren-Benennung, als, Jh- re Gnaden, Gnaͤdiger Herr, u. ſ. w. Kommt ei- nem die Titulatur vollends gar nicht zu, ſo iſt es noch thoͤrichter; Es laͤſt alſo ſehr abgeſchmackt, wenn ſich ein Schul-Monarche, in Beyſeyn eines groſſen Staats-Miniſters, von ſeinen Schuͤlern, Jhro Ex- cellenz nennen laͤſt. (III.)Jn Umgange mit denen Gelehrten, da ſie uns nach der Gnade, die ſie in den uͤbrigen Faͤllen vor uns haben, oder der Ungnade, mit der ſie uns anſehen, bey der Titulatur beſonders diſtinguiren; Jch verſtehe aber hierun-
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I. Theil. III. Capitul.
§. 18. Bey gewiſſen Umſtaͤnden muß ein ver-
nuͤnfftiger Menſch nicht allein ſeiner Begierde, in
Annehmung der Titulaturen, die engſten Schran-
cken ſetzen, ſondern ihr auch wohl gantz und gar wi-
derſtehen. Meinem Beduͤncken nach iſt es rath-
ſam, bey folgenden Faͤllen die Demuth auszuuͤben,
und das Gepraͤnge des Tituls bey Seite zu ſetzen:
(I.) Jn dem Beichtſtuhl. An dieſem Ort erſchei-
net man vor dem Angeſicht GOttes, nicht als ein
Cavalier und Hochwohlgebohrner Herr, nicht als
eine Excellenz und groſſer General, ſondern als ein
bußfertiger und um Gnade flehender Suͤnder, der
ſich vor GOtt zu demuͤthigen hohe Urſache hat.
(II.) Jn Gegenwart der Hoͤhern, die ſonſt durch
die groſſe Titulatur, die wir zu eben der Zeit von den
Geringern annaͤhmen, auf gewiſſe Maße faſt ver-
unehret wuͤrden; Es iſt hier nicht die Rede von dem
Titul des Prædicats und der Bedienung, in der man
ſtehet, die einem der Hoͤhere ſelbſt mittheilet, ſon-
dern von einer andern Ehren-Benennung, als, Jh-
re Gnaden, Gnaͤdiger Herr, u. ſ. w. Kommt ei-
nem die Titulatur vollends gar nicht zu, ſo iſt es noch
thoͤrichter; Es laͤſt alſo ſehr abgeſchmackt, wenn ſich
ein Schul-Monarche, in Beyſeyn eines groſſen
Staats-Miniſters, von ſeinen Schuͤlern, Jhro Ex-
cellenz nennen laͤſt. (III.) Jn Umgange mit
denen Gelehrten, da ſie uns nach der Gnade, die
ſie in den uͤbrigen Faͤllen vor uns haben, oder der
Ungnade, mit der ſie uns anſehen, bey der Titulatur
beſonders diſtinguiren; Jch verſtehe aber hierun-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/90>, abgerufen am 23.11.2024.
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