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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
belustiget sich an dem Fremden, es mag nun entwe-
der gantz neu, oder von andern Orten und Zeiten
hergekommen seyn. Unser Frauenzimmer lachte
vor ein zwantzig Jahren über ihre Aelter- und Groß-
älter-Mütter, daß sie zu ihrer Zeit so ungemein weite
Röcke getragen, wie sie aus den alten Gemählden
wahrnahmen, und gleichwohl sind eben die wei-
ten Reiff-Röcke zu unserer Zeit als eine bequeme
und wohlanständige Mode angesehen.

Am allerwahrscheinlichsten ist, daß endlich der
Kayser, und die hohen Stände in Teutschland, der
thörichten Titul-Sucht ihrer Unterthanen, völlig
werden überdrüßig werden, alles ungereimte We-
sen, so bißanher dabey vorgangen, bey den schärff-
sten Straffen verbiethen, und ihnen mit vereinigten
Kräfften einen Riegel vorschieben.

§. 12. Die Opinion der Welt, und die Mode
der gegenwärtigen Zeit/ giebt in Erklarung der Ti-
tulatur
en und Benennungen die beste Entschei-
dung. Die Geschicht-Schreiber und Publicisten
mögen aus der ältesten Historie deduciren, wie sie
wollen, daß einige Ehren-Wörter in der teutschen
und lateinischen Sprache vor Zeiten eine vortreffli-
che Bedeutung gehabt, und den grösten Herren bey-
gelegt worden. Werden sie nicht durch den jetzi-
gen Gebrauch der Welt autorisiret, so kommen sie
doch in kein Ansehen. So sind auch manche Re-
geln der Rechts-Lehrer, dadurch sie nach ihrem
Sinn eines und das andere bey den Titulaturen
ausmachen wollen, meistentheils von gar schlechter

Krafft.

I. Theil. III. Capitul.
beluſtiget ſich an dem Fremden, es mag nun entwe-
der gantz neu, oder von andern Orten und Zeiten
hergekommen ſeyn. Unſer Frauenzimmer lachte
vor ein zwantzig Jahren uͤber ihre Aelter- und Groß-
aͤlter-Muͤtter, daß ſie zu ihrer Zeit ſo ungemein weite
Roͤcke getragen, wie ſie aus den alten Gemaͤhlden
wahrnahmen, und gleichwohl ſind eben die wei-
ten Reiff-Roͤcke zu unſerer Zeit als eine bequeme
und wohlanſtaͤndige Mode angeſehen.

Am allerwahrſcheinlichſten iſt, daß endlich der
Kayſer, und die hohen Staͤnde in Teutſchland, der
thoͤrichten Titul-Sucht ihrer Unterthanen, voͤllig
werden uͤberdruͤßig werden, alles ungereimte We-
ſen, ſo bißanher dabey vorgangen, bey den ſchaͤrff-
ſten Straffen verbiethen, und ihnen mit vereinigten
Kraͤfften einen Riegel vorſchieben.

§. 12. Die Opinion der Welt, und die Mode
der gegenwaͤrtigen Zeit/ giebt in Erklarung der Ti-
tulatur
en und Benennungen die beſte Entſchei-
dung. Die Geſchicht-Schreiber und Publiciſten
moͤgen aus der aͤlteſten Hiſtorie deduciren, wie ſie
wollen, daß einige Ehren-Woͤrter in der teutſchen
und lateiniſchen Sprache vor Zeiten eine vortreffli-
che Bedeutung gehabt, und den groͤſten Herren bey-
gelegt worden. Werden ſie nicht durch den jetzi-
gen Gebrauch der Welt autoriſiret, ſo kommen ſie
doch in kein Anſehen. So ſind auch manche Re-
geln der Rechts-Lehrer, dadurch ſie nach ihrem
Sinn eines und das andere bey den Titulaturen
ausmachen wollen, meiſtentheils von gar ſchlechter

Krafft.
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[64/0084] I. Theil. III. Capitul. beluſtiget ſich an dem Fremden, es mag nun entwe- der gantz neu, oder von andern Orten und Zeiten hergekommen ſeyn. Unſer Frauenzimmer lachte vor ein zwantzig Jahren uͤber ihre Aelter- und Groß- aͤlter-Muͤtter, daß ſie zu ihrer Zeit ſo ungemein weite Roͤcke getragen, wie ſie aus den alten Gemaͤhlden wahrnahmen, und gleichwohl ſind eben die wei- ten Reiff-Roͤcke zu unſerer Zeit als eine bequeme und wohlanſtaͤndige Mode angeſehen. Am allerwahrſcheinlichſten iſt, daß endlich der Kayſer, und die hohen Staͤnde in Teutſchland, der thoͤrichten Titul-Sucht ihrer Unterthanen, voͤllig werden uͤberdruͤßig werden, alles ungereimte We- ſen, ſo bißanher dabey vorgangen, bey den ſchaͤrff- ſten Straffen verbiethen, und ihnen mit vereinigten Kraͤfften einen Riegel vorſchieben. §. 12. Die Opinion der Welt, und die Mode der gegenwaͤrtigen Zeit/ giebt in Erklarung der Ti- tulaturen und Benennungen die beſte Entſchei- dung. Die Geſchicht-Schreiber und Publiciſten moͤgen aus der aͤlteſten Hiſtorie deduciren, wie ſie wollen, daß einige Ehren-Woͤrter in der teutſchen und lateiniſchen Sprache vor Zeiten eine vortreffli- che Bedeutung gehabt, und den groͤſten Herren bey- gelegt worden. Werden ſie nicht durch den jetzi- gen Gebrauch der Welt autoriſiret, ſo kommen ſie doch in kein Anſehen. So ſind auch manche Re- geln der Rechts-Lehrer, dadurch ſie nach ihrem Sinn eines und das andere bey den Titulaturen ausmachen wollen, meiſtentheils von gar ſchlechter Krafft.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/84>, abgerufen am 24.11.2024.