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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
bethen, Dero völligen Titul hersagen liessen; Als
hätten Sie vor nöthig angesehen, alle unnöthige
und weitschweiffende Titul, als: Hochgebohren,
Hochwohlgebohren, Gnädiger Herr, Gnädige
Frau, in denen Kirchen-Gebethen, gäntzlich abzu-
schaffen.

§. 10. Wenn man die Liebe zur Veränderung
und Abwechselung, und die große Begierde der
Menschen, nach höhern Dingen, nach größern Ti-
tuln
und neuen Benennungen, in etwas genauere
Betrachtung ziehet, und einen Blick zugleich in die
künfftigen Zeiten thut, so weiß man fast nicht, was
man vor ein Urtheil fällen soll, wohin es mit den
Titulaturen endlich noch kommen werde. Sol-
ten die Menschen, nach der bißherigen Weise, auf
den Wegen, da sich die Geringern in allen Stän-
den die Titulaturen der Höhern von Zeit zu Zeit an-
gemaßt, beständig fortgehen, und es solte ihnen
kein Grentz-Stein gesetzt werden, so dürffte es in
einem oder ein paar Jahr-hunderten noch Mode
werden, daß sich die von Adel werden Jhro Durch-
lauchtigkeit nennen lassen, und die Fürstlichen Per-
sonen hingegen werden wiederum mit gantz neuen
Tituln prangen. Haben die Geringern, von ein
paar hundert Jahren her, den Höhern ihre Titul
weggenommen, was ist im Wege, daß sie nicht in
denen künfftigen Zeiten, nach ihren Begierden eben
so procediren solten? Es ist nicht zu vermuthen,
daß die Welt künfftighin so tugendhafft wird wer-
den, daß sie ihren ehrgeitzigen Begierden den Zü-
gel völlig anlegen solte.

§. 11.

I. Theil. III. Capitul.
bethen, Dero voͤlligen Titul herſagen lieſſen; Als
haͤtten Sie vor noͤthig angeſehen, alle unnoͤthige
und weitſchweiffende Titul, als: Hochgebohren,
Hochwohlgebohren, Gnaͤdiger Herr, Gnaͤdige
Frau, in denen Kirchen-Gebethen, gaͤntzlich abzu-
ſchaffen.

§. 10. Wenn man die Liebe zur Veraͤnderung
und Abwechſelung, und die große Begierde der
Menſchen, nach hoͤhern Dingen, nach groͤßern Ti-
tuln
und neuen Benennungen, in etwas genauere
Betrachtung ziehet, und einen Blick zugleich in die
kuͤnfftigen Zeiten thut, ſo weiß man faſt nicht, was
man vor ein Urtheil faͤllen ſoll, wohin es mit den
Titulaturen endlich noch kommen werde. Sol-
ten die Menſchen, nach der bißherigen Weiſe, auf
den Wegen, da ſich die Geringern in allen Staͤn-
den die Titulaturen der Hoͤhern von Zeit zu Zeit an-
gemaßt, beſtaͤndig fortgehen, und es ſolte ihnen
kein Grentz-Stein geſetzt werden, ſo duͤrffte es in
einem oder ein paar Jahr-hunderten noch Mode
werden, daß ſich die von Adel werden Jhro Durch-
lauchtigkeit nennen laſſen, und die Fuͤrſtlichen Per-
ſonen hingegen werden wiederum mit gantz neuen
Tituln prangen. Haben die Geringern, von ein
paar hundert Jahren her, den Hoͤhern ihre Titul
weggenommen, was iſt im Wege, daß ſie nicht in
denen kuͤnfftigen Zeiten, nach ihren Begierden eben
ſo procediren ſolten? Es iſt nicht zu vermuthen,
daß die Welt kuͤnfftighin ſo tugendhafft wird wer-
den, daß ſie ihren ehrgeitzigen Begierden den Zuͤ-
gel voͤllig anlegen ſolte.

§. 11.
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[62/0082] I. Theil. III. Capitul. bethen, Dero voͤlligen Titul herſagen lieſſen; Als haͤtten Sie vor noͤthig angeſehen, alle unnoͤthige und weitſchweiffende Titul, als: Hochgebohren, Hochwohlgebohren, Gnaͤdiger Herr, Gnaͤdige Frau, in denen Kirchen-Gebethen, gaͤntzlich abzu- ſchaffen. §. 10. Wenn man die Liebe zur Veraͤnderung und Abwechſelung, und die große Begierde der Menſchen, nach hoͤhern Dingen, nach groͤßern Ti- tuln und neuen Benennungen, in etwas genauere Betrachtung ziehet, und einen Blick zugleich in die kuͤnfftigen Zeiten thut, ſo weiß man faſt nicht, was man vor ein Urtheil faͤllen ſoll, wohin es mit den Titulaturen endlich noch kommen werde. Sol- ten die Menſchen, nach der bißherigen Weiſe, auf den Wegen, da ſich die Geringern in allen Staͤn- den die Titulaturen der Hoͤhern von Zeit zu Zeit an- gemaßt, beſtaͤndig fortgehen, und es ſolte ihnen kein Grentz-Stein geſetzt werden, ſo duͤrffte es in einem oder ein paar Jahr-hunderten noch Mode werden, daß ſich die von Adel werden Jhro Durch- lauchtigkeit nennen laſſen, und die Fuͤrſtlichen Per- ſonen hingegen werden wiederum mit gantz neuen Tituln prangen. Haben die Geringern, von ein paar hundert Jahren her, den Hoͤhern ihre Titul weggenommen, was iſt im Wege, daß ſie nicht in denen kuͤnfftigen Zeiten, nach ihren Begierden eben ſo procediren ſolten? Es iſt nicht zu vermuthen, daß die Welt kuͤnfftighin ſo tugendhafft wird wer- den, daß ſie ihren ehrgeitzigen Begierden den Zuͤ- gel voͤllig anlegen ſolte. §. 11.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/82>, abgerufen am 23.11.2024.