Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja öffters vor Hurerey und Unzucht unter dem bösen Gesindet bey dieser Gelegenheit vorzugehen pflegt.
§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewisse Maße ihren guten Grund. Es ist billig, daß man den löblich-geführten Lebens-Wandel rechtschaf- fener und wohlverdienter Personen, beyderley Ge- schlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei- ben soll, denen andern zu einer guten Nachfolge, öf- fentlich vorstelle. Es ist auch gut, daß manche Zu- hörer/ die sonst sehr selten an den Tod gedencken, bey dieser Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster- bens erinnert werden. Zu beklagen aber ists daß sie heutiges Tages gröstentheils zu einem Staats- und Gewohnheits-Werck geworden. Jst der Priester nicht ein wahrer Gläubiger, so wird aus der Leichen-Predigt eine leichte und leichtsinnige, ja wohl gar eine Lügen-Predigt. Da heist es, wie sich der selig Verstorbene den von ihm selbst erwehl- ten Leichen-Text bey allen Fällen zu Nutz gemacht, da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch gött- licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und an seinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß ihm der Priester und Beicht-Vater unterschiedene auf seinem Sterbe-Bette vorgeschlagen, und er sich einen daraus ausgelesen. Jst der Verstorbene von vornehmen Hause und hoher Bedienung, oder sei- ne Hinterlassenen sind bey der Stadt angesehene Leute, oder der Priester weiß, daß er einen stattlichen Recompens vor seine Mühe werde zu gewarten
haben,
Von Begraͤbniſſen.
Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja oͤffters vor Hurerey und Unzucht unter dem boͤſen Geſindet bey dieſer Gelegenheit vorzugehen pflegt.
§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewiſſe Maße ihren guten Grund. Es iſt billig, daß man den loͤblich-gefuͤhrten Lebens-Wandel rechtſchaf- fener und wohlverdienter Perſonen, beyderley Ge- ſchlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei- ben ſoll, denen andern zu einer guten Nachfolge, oͤf- fentlich vorſtelle. Es iſt auch gut, daß manche Zu- hoͤrer/ die ſonſt ſehr ſelten an den Tod gedencken, bey dieſer Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster- bens erinnert werden. Zu beklagen aber iſts daß ſie heutiges Tages groͤſtentheils zu einem Staats- und Gewohnheits-Werck geworden. Jſt der Prieſter nicht ein wahrer Glaͤubiger, ſo wird aus der Leichen-Predigt eine leichte und leichtſinnige, ja wohl gar eine Luͤgen-Predigt. Da heiſt es, wie ſich der ſelig Verſtorbene den von ihm ſelbſt erwehl- ten Leichen-Text bey allen Faͤllen zu Nutz gemacht, da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch goͤtt- licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und an ſeinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß ihm der Prieſter und Beicht-Vater unterſchiedene auf ſeinem Sterbe-Bette vorgeſchlagen, und er ſich einen daraus ausgeleſen. Jſt der Verſtorbene von vornehmen Hauſe und hoher Bedienung, oder ſei- ne Hinterlaſſenen ſind bey der Stadt angeſehene Leute, oder der Prieſter weiß, daß er einen ſtattlichen Recompens vor ſeine Muͤhe werde zu gewarten
haben,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0687"n="667"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Begraͤbniſſen.</hi></fw><lb/>
Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja oͤffters vor<lb/>
Hurerey und Unzucht unter dem boͤſen Geſindet bey<lb/>
dieſer Gelegenheit vorzugehen pflegt.</p><lb/><p>§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewiſſe<lb/>
Maße ihren guten Grund. Es iſt billig, daß man<lb/>
den loͤblich-gefuͤhrten Lebens-Wandel rechtſchaf-<lb/>
fener und wohlverdienter Perſonen, beyderley Ge-<lb/>ſchlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei-<lb/>
ben ſoll, denen andern zu einer guten Nachfolge, oͤf-<lb/>
fentlich vorſtelle. Es iſt auch gut, daß manche Zu-<lb/>
hoͤrer/ die ſonſt ſehr ſelten an den Tod gedencken, bey<lb/>
dieſer Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster-<lb/>
bens erinnert werden. Zu beklagen aber iſts daß<lb/>ſie heutiges Tages groͤſtentheils zu einem Staats-<lb/>
und Gewohnheits-Werck geworden. Jſt der<lb/>
Prieſter nicht ein wahrer Glaͤubiger, ſo wird aus der<lb/>
Leichen-Predigt eine leichte und leichtſinnige, ja<lb/>
wohl gar eine Luͤgen-Predigt. Da heiſt es, wie<lb/>ſich der ſelig Verſtorbene den von ihm ſelbſt erwehl-<lb/>
ten Leichen-Text bey allen Faͤllen zu Nutz gemacht,<lb/>
da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch goͤtt-<lb/>
licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und<lb/>
an ſeinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß<lb/>
ihm der Prieſter und Beicht-Vater unterſchiedene<lb/>
auf ſeinem Sterbe-Bette vorgeſchlagen, und er ſich<lb/>
einen daraus ausgeleſen. Jſt der Verſtorbene von<lb/>
vornehmen Hauſe und hoher Bedienung, oder ſei-<lb/>
ne Hinterlaſſenen ſind bey der Stadt angeſehene<lb/>
Leute, oder der Prieſter weiß, daß er einen ſtattlichen<lb/><hirendition="#aq">Recompens</hi> vor ſeine Muͤhe werde zu gewarten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">haben,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[667/0687]
Von Begraͤbniſſen.
Gottesacker-Kirchen, vor Uppigkeit, ja oͤffters vor
Hurerey und Unzucht unter dem boͤſen Geſindet bey
dieſer Gelegenheit vorzugehen pflegt.
§. 8. Die Leichen-Predigten haben auf gewiſſe
Maße ihren guten Grund. Es iſt billig, daß man
den loͤblich-gefuͤhrten Lebens-Wandel rechtſchaf-
fener und wohlverdienter Perſonen, beyderley Ge-
ſchlechts, deren Andencken jederzeit im Seegen blei-
ben ſoll, denen andern zu einer guten Nachfolge, oͤf-
fentlich vorſtelle. Es iſt auch gut, daß manche Zu-
hoͤrer/ die ſonſt ſehr ſelten an den Tod gedencken, bey
dieſer Gelegenheit, wider ihren Willen, ihres Ster-
bens erinnert werden. Zu beklagen aber iſts daß
ſie heutiges Tages groͤſtentheils zu einem Staats-
und Gewohnheits-Werck geworden. Jſt der
Prieſter nicht ein wahrer Glaͤubiger, ſo wird aus der
Leichen-Predigt eine leichte und leichtſinnige, ja
wohl gar eine Luͤgen-Predigt. Da heiſt es, wie
ſich der ſelig Verſtorbene den von ihm ſelbſt erwehl-
ten Leichen-Text bey allen Faͤllen zu Nutz gemacht,
da er doch manchmahl keinen einzigen Spruch goͤtt-
licher heiliger Schrifft mehr im Kopff gehabt, und
an ſeinen Leichen-Text wohl nicht eher gedacht, biß
ihm der Prieſter und Beicht-Vater unterſchiedene
auf ſeinem Sterbe-Bette vorgeſchlagen, und er ſich
einen daraus ausgeleſen. Jſt der Verſtorbene von
vornehmen Hauſe und hoher Bedienung, oder ſei-
ne Hinterlaſſenen ſind bey der Stadt angeſehene
Leute, oder der Prieſter weiß, daß er einen ſtattlichen
Recompens vor ſeine Muͤhe werde zu gewarten
haben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/687>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.