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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIX. Capitul.
und der übermäßige Pracht, welcher mit den Todten
getrieben wird, weder zu verantworten noch zu ent-
schuldigen. Es ist der Tod eine harte Straffe der
Erb-Sünde, die wir allzusammen an uns tragen,
und ein abscheulich Ebenbild unsers entsetzlichen
Falles, welcher durch den ersten Menschen auf uns,
seine Nachkommen, gebracht worden. Wie kommt
es denn, daß wir unsere Todten nicht ohn eintzig Ge-
pränge, mit Bezeugung der grösten Demuth, zur
Erde bringen? und warum stellen wir bey ihren
Begräbnissen gleichsam einen Triumph an, wozu
wir eben so wenig Anlaß zu nehmen, als wenig wir
Ursache haben, deswegen einige Sieges-Zeichen zu
tragen, weil wir durch unsere Schuld aus dem Pa-
radieß gejagt worden?

§. 6. Wie nun das verschwenderische Wesen
bey den Begräbnissen im geringsten nicht zu billigen,
also handeln auch diejenigen Hinterlassenen nicht
weniger wider den Wohlstand, die eine reiche und
ansehnliche Erbschafft bekommen, und dennoch dem
Verstorbenen zu Liebe und Ehren fast nichts anwen-
den. wollen, sondern ein so schlechtes und armseliges
Begräbniß anstellen, das seinem Stand und Meri-
ten nicht geziemend noch anständig ist.

§. 7. Die nächtlichen Beysetzungen sind an vie-
len Orten mit gutem Grunde verboten; es wäre
aber zu wünschen, daß sie allenthalben abgeschafft
möchten werden! denn es ist nicht zu beschreiben,
was vor ein unordentlicher Zulauff, vor ein ärger-
licher Tumult, vor Schwärmen, Eindringen in die

Gottes-

II. Theil. XIX. Capitul.
und der uͤbermaͤßige Pracht, welcher mit den Todten
getrieben wird, weder zu verantworten noch zu ent-
ſchuldigen. Es iſt der Tod eine harte Straffe der
Erb-Suͤnde, die wir allzuſammen an uns tragen,
und ein abſcheulich Ebenbild unſers entſetzlichen
Falles, welcher durch den erſten Menſchen auf uns,
ſeine Nachkommen, gebracht worden. Wie kommt
es denn, daß wir unſere Todten nicht ohn eintzig Ge-
praͤnge, mit Bezeugung der groͤſten Demuth, zur
Erde bringen? und warum ſtellen wir bey ihren
Begraͤbniſſen gleichſam einen Triumph an, wozu
wir eben ſo wenig Anlaß zu nehmen, als wenig wir
Urſache haben, deswegen einige Sieges-Zeichen zu
tragen, weil wir durch unſere Schuld aus dem Pa-
radieß gejagt worden?

§. 6. Wie nun das verſchwenderiſche Weſen
bey den Begraͤbniſſen im geringſten nicht zu billigen,
alſo handeln auch diejenigen Hinterlaſſenen nicht
weniger wider den Wohlſtand, die eine reiche und
anſehnliche Erbſchafft bekommen, und dennoch dem
Verſtorbenen zu Liebe und Ehren faſt nichts anwen-
den. wollen, ſondern ein ſo ſchlechtes und armſeliges
Begraͤbniß anſtellen, das ſeinem Stand und Meri-
ten nicht geziemend noch anſtaͤndig iſt.

§. 7. Die naͤchtlichen Beyſetzungen ſind an vie-
len Orten mit gutem Grunde verboten; es waͤre
aber zu wuͤnſchen, daß ſie allenthalben abgeſchafft
moͤchten werden! denn es iſt nicht zu beſchreiben,
was vor ein unordentlicher Zulauff, vor ein aͤrger-
licher Tumult, vor Schwaͤrmen, Eindringen in die

Gottes-
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[666/0686] II. Theil. XIX. Capitul. und der uͤbermaͤßige Pracht, welcher mit den Todten getrieben wird, weder zu verantworten noch zu ent- ſchuldigen. Es iſt der Tod eine harte Straffe der Erb-Suͤnde, die wir allzuſammen an uns tragen, und ein abſcheulich Ebenbild unſers entſetzlichen Falles, welcher durch den erſten Menſchen auf uns, ſeine Nachkommen, gebracht worden. Wie kommt es denn, daß wir unſere Todten nicht ohn eintzig Ge- praͤnge, mit Bezeugung der groͤſten Demuth, zur Erde bringen? und warum ſtellen wir bey ihren Begraͤbniſſen gleichſam einen Triumph an, wozu wir eben ſo wenig Anlaß zu nehmen, als wenig wir Urſache haben, deswegen einige Sieges-Zeichen zu tragen, weil wir durch unſere Schuld aus dem Pa- radieß gejagt worden? §. 6. Wie nun das verſchwenderiſche Weſen bey den Begraͤbniſſen im geringſten nicht zu billigen, alſo handeln auch diejenigen Hinterlaſſenen nicht weniger wider den Wohlſtand, die eine reiche und anſehnliche Erbſchafft bekommen, und dennoch dem Verſtorbenen zu Liebe und Ehren faſt nichts anwen- den. wollen, ſondern ein ſo ſchlechtes und armſeliges Begraͤbniß anſtellen, das ſeinem Stand und Meri- ten nicht geziemend noch anſtaͤndig iſt. §. 7. Die naͤchtlichen Beyſetzungen ſind an vie- len Orten mit gutem Grunde verboten; es waͤre aber zu wuͤnſchen, daß ſie allenthalben abgeſchafft moͤchten werden! denn es iſt nicht zu beſchreiben, was vor ein unordentlicher Zulauff, vor ein aͤrger- licher Tumult, vor Schwaͤrmen, Eindringen in die Gottes-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/686>, abgerufen am 22.11.2024.