§. 13. Es ist nicht zu billigen, wenn einige sich de- rerjenigen, die sie doch erst zu ihren Gevattern er- wehlet, hernacher schämen, sie, zumahl vor Leuten, geringe achten, sich auch wohl gar verlauten lassen, sie hätten diesen oder jenen nur aus Noth darzu ge- nommen, weil sie keinen andern bekommen können. Es ist besser, wenn man diejenigen, die man solcher Ehre nicht würdig achtet, gantz und gar weg läst, als daß man sie nachgehends durch Geringachtung be- trübet und kräncket.
§. 14. Bey der Beylegung der Tauff-Nahmen gehet viel wunderlich Zeug vor. Einige legen ih- ren Kindern gantz heydnische Nahmen bey, die Christen unanständig, da es doch billiger wäre, wenn sie ihnen christliche Nahmen mittheilten, die von einer guten Bedeutung wären, und dabey sie sich mancher Christen-Pflichten erinnern könten. Andere affectiren auf eine wunder-seltzame Weise dabey. Also meldet Crusius in seinem wohlberuf- fenen Priester, p. 119. daß der Nahme Engel in Hamburg und gantz Nieder-Sachsen sehr gemein wäre; er hätte auch selbst in Thüringen einige Frauens-Personen gekandt, so diesen Nahmen ge- führet. Ob aber solche Personen in der That gu- te oder böse Engel wären, würden derselben Män- ner, so bereits einen Scheffel Saltz mit ihnen ge- gessen, am besten wissen. Eben dieser Autor ge- dencket pag. 143. daß den schändlichen Nahmen, Judas, ein Cavalier aus einem alten adelichen Ge- schlecht geführet. Manche Nahmen sind ein blos-
ser
II. Theil. XVI. Capitul.
§. 13. Es iſt nicht zu billigen, wenn einige ſich de- rerjenigen, die ſie doch erſt zu ihren Gevattern er- wehlet, hernacher ſchaͤmen, ſie, zumahl vor Leuten, geringe achten, ſich auch wohl gar verlauten laſſen, ſie haͤtten dieſen oder jenen nur aus Noth darzu ge- nommen, weil ſie keinen andern bekommen koͤnnen. Es iſt beſſer, wenn man diejenigen, die man ſolcher Ehre nicht wuͤrdig achtet, gantz und gar weg laͤſt, als daß man ſie nachgehends durch Geringachtung be- truͤbet und kraͤncket.
§. 14. Bey der Beylegung der Tauff-Nahmen gehet viel wunderlich Zeug vor. Einige legen ih- ren Kindern gantz heydniſche Nahmen bey, die Chriſten unanſtaͤndig, da es doch billiger waͤre, wenn ſie ihnen chriſtliche Nahmen mittheilten, die von einer guten Bedeutung waͤren, und dabey ſie ſich mancher Chriſten-Pflichten erinnern koͤnten. Andere affectiren auf eine wunder-ſeltzame Weiſe dabey. Alſo meldet Cruſius in ſeinem wohlberuf- fenen Prieſter, p. 119. daß der Nahme Engel in Hamburg und gantz Nieder-Sachſen ſehr gemein waͤre; er haͤtte auch ſelbſt in Thuͤringen einige Frauens-Perſonen gekandt, ſo dieſen Nahmen ge- fuͤhret. Ob aber ſolche Perſonen in der That gu- te oder boͤſe Engel waͤren, wuͤrden derſelben Maͤn- ner, ſo bereits einen Scheffel Saltz mit ihnen ge- geſſen, am beſten wiſſen. Eben dieſer Autor ge- dencket pag. 143. daß den ſchaͤndlichen Nahmen, Judas, ein Cavalier aus einem alten adelichen Ge- ſchlecht gefuͤhret. Manche Nahmen ſind ein bloſ-
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II. Theil. XVI. Capitul.
§. 13. Es iſt nicht zu billigen, wenn einige ſich de-
rerjenigen, die ſie doch erſt zu ihren Gevattern er-
wehlet, hernacher ſchaͤmen, ſie, zumahl vor Leuten,
geringe achten, ſich auch wohl gar verlauten laſſen,
ſie haͤtten dieſen oder jenen nur aus Noth darzu ge-
nommen, weil ſie keinen andern bekommen koͤnnen.
Es iſt beſſer, wenn man diejenigen, die man ſolcher
Ehre nicht wuͤrdig achtet, gantz und gar weg laͤſt, als
daß man ſie nachgehends durch Geringachtung be-
truͤbet und kraͤncket.
§. 14. Bey der Beylegung der Tauff-Nahmen
gehet viel wunderlich Zeug vor. Einige legen ih-
ren Kindern gantz heydniſche Nahmen bey, die
Chriſten unanſtaͤndig, da es doch billiger waͤre,
wenn ſie ihnen chriſtliche Nahmen mittheilten, die
von einer guten Bedeutung waͤren, und dabey ſie
ſich mancher Chriſten-Pflichten erinnern koͤnten.
Andere affectiren auf eine wunder-ſeltzame Weiſe
dabey. Alſo meldet Cruſius in ſeinem wohlberuf-
fenen Prieſter, p. 119. daß der Nahme Engel in
Hamburg und gantz Nieder-Sachſen ſehr gemein
waͤre; er haͤtte auch ſelbſt in Thuͤringen einige
Frauens-Perſonen gekandt, ſo dieſen Nahmen ge-
fuͤhret. Ob aber ſolche Perſonen in der That gu-
te oder boͤſe Engel waͤren, wuͤrden derſelben Maͤn-
ner, ſo bereits einen Scheffel Saltz mit ihnen ge-
geſſen, am beſten wiſſen. Eben dieſer Autor ge-
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Judas, ein Cavalier aus einem alten adelichen Ge-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/652>, abgerufen am 25.11.2024.
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