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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Kindtauffen.
vom höhern Stande und Character, stehen in den
Gedancken, es gehöre zum unvermeidlichen Wohl-
stand, daß die Kinder nicht in der Kirche, sondern
zu Hause getaufft würden. Nun weiß ich zwar
wohl, daß der Würdigkeit dieses heiligen Sacra-
ments nichts abgehet, die Tauffe geschehe auch wo
sie wolle, wenn sie nur nach dem Befehl und der
Einsetzung GOttes verrichtet wird, weil uns, in An-
sehung des Ortes, in Göttlicher heiliger Schrifft
nichts vorgeschrieben; ich weiß aber auch, daß es
GOtt weit gefälliger, der Intention der hohen
Landes-Obrigkeit, und der Stifftung der ersten
Kirche weit gemässer, und erbaulicher, wenn sie, als
eine hochheilige Handlung, in dem Hause, welches
einmahl zu dem Gottesdienst, und zur Austheilung
der heiligen Sacramente, gewidmet ist, verrichtet
wird; ein anders ists, bey dem Nothfall, doch hier-
von ist die Rede nicht. Wie nun die Geringern
denen Höhern in allen Stücken, als nur nicht in der
Gottesfurcht und Tugend, nachahmen, so kommt
es heutiges Tages an viel Orten dahin, daß fast
niemand mehr, als etwan die Bauern, die gemei-
nen Bürger, Handwercks-Leute und Tagelöhner,
ihre Kinder in der Kirche tauffen lassen, zumahl an
den Oertern, wo die Priester denen Leuten um des
Gelds oder um der Schmauserey willen favorisi-
ren. Ein gewisser Lehrer saget gar wohl: Es ist
eine seltzame Sache, daß sich die Höhern bey ihrem
Leben so vor der Kirche scheuen, sie gehen nicht gerne
in die Kirche, sie wollen das heilige Abendmahl nicht

gerne

Von Kindtauffen.
vom hoͤhern Stande und Character, ſtehen in den
Gedancken, es gehoͤre zum unvermeidlichen Wohl-
ſtand, daß die Kinder nicht in der Kirche, ſondern
zu Hauſe getaufft wuͤrden. Nun weiß ich zwar
wohl, daß der Wuͤrdigkeit dieſes heiligen Sacra-
ments nichts abgehet, die Tauffe geſchehe auch wo
ſie wolle, wenn ſie nur nach dem Befehl und der
Einſetzung GOttes verrichtet wird, weil uns, in An-
ſehung des Ortes, in Goͤttlicher heiliger Schrifft
nichts vorgeſchrieben; ich weiß aber auch, daß es
GOtt weit gefaͤlliger, der Intention der hohen
Landes-Obrigkeit, und der Stifftung der erſten
Kirche weit gemaͤſſer, und erbaulicher, wenn ſie, als
eine hochheilige Handlung, in dem Hauſe, welches
einmahl zu dem Gottesdienſt, und zur Austheilung
der heiligen Sacramente, gewidmet iſt, verrichtet
wird; ein anders iſts, bey dem Nothfall, doch hier-
von iſt die Rede nicht. Wie nun die Geringern
denen Hoͤhern in allen Stuͤcken, als nur nicht in der
Gottesfurcht und Tugend, nachahmen, ſo kommt
es heutiges Tages an viel Orten dahin, daß faſt
niemand mehr, als etwan die Bauern, die gemei-
nen Buͤrger, Handwercks-Leute und Tageloͤhner,
ihre Kinder in der Kirche tauffen laſſen, zumahl an
den Oertern, wo die Prieſter denen Leuten um des
Gelds oder um der Schmauſerey willen favoriſi-
ren. Ein gewiſſer Lehrer ſaget gar wohl: Es iſt
eine ſeltzame Sache, daß ſich die Hoͤhern bey ihrem
Leben ſo vor der Kirche ſcheuen, ſie gehen nicht gerne
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[623/0643] Von Kindtauffen. vom hoͤhern Stande und Character, ſtehen in den Gedancken, es gehoͤre zum unvermeidlichen Wohl- ſtand, daß die Kinder nicht in der Kirche, ſondern zu Hauſe getaufft wuͤrden. Nun weiß ich zwar wohl, daß der Wuͤrdigkeit dieſes heiligen Sacra- ments nichts abgehet, die Tauffe geſchehe auch wo ſie wolle, wenn ſie nur nach dem Befehl und der Einſetzung GOttes verrichtet wird, weil uns, in An- ſehung des Ortes, in Goͤttlicher heiliger Schrifft nichts vorgeſchrieben; ich weiß aber auch, daß es GOtt weit gefaͤlliger, der Intention der hohen Landes-Obrigkeit, und der Stifftung der erſten Kirche weit gemaͤſſer, und erbaulicher, wenn ſie, als eine hochheilige Handlung, in dem Hauſe, welches einmahl zu dem Gottesdienſt, und zur Austheilung der heiligen Sacramente, gewidmet iſt, verrichtet wird; ein anders iſts, bey dem Nothfall, doch hier- von iſt die Rede nicht. Wie nun die Geringern denen Hoͤhern in allen Stuͤcken, als nur nicht in der Gottesfurcht und Tugend, nachahmen, ſo kommt es heutiges Tages an viel Orten dahin, daß faſt niemand mehr, als etwan die Bauern, die gemei- nen Buͤrger, Handwercks-Leute und Tageloͤhner, ihre Kinder in der Kirche tauffen laſſen, zumahl an den Oertern, wo die Prieſter denen Leuten um des Gelds oder um der Schmauſerey willen favoriſi- ren. Ein gewiſſer Lehrer ſaget gar wohl: Es iſt eine ſeltzame Sache, daß ſich die Hoͤhern bey ihrem Leben ſo vor der Kirche ſcheuen, ſie gehen nicht gerne in die Kirche, ſie wollen das heilige Abendmahl nicht gerne

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/643>, abgerufen am 25.11.2024.