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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XV. Capitul.
einer Staats-Raison, als aus einer GOtt gefälli-
gen Absicht, sie erwehlen diejenige zur Gehülfin,
die sich doch zu nichts weniger als zu einer Gehülfin
schickt, und vielmehr entweder wegen ihrer zarten
Jugend, oder ihres hohen und unbehülflichen Al-
ters andrer Hülffe selbst benöthiget, wenn sie nur ein
starckes Heyraths-Gut besitzt. Jhrer viele setzen
bey ihrer Heyrath alle eheliche und hertzliche Liebe
aus den Augen, die doch der sicherste Grund-Stein,
auf welchen das Gebäude einer vergnügten Ehe ru-
hen kan, sie wollen durch ihre Verehligung ein ge-
wiß Stück einer zeitlichen Glückseeligkeit befördern,
die ihren lasterhafften Neigungen gemäß, und dazu
sie auf einen andern Weg nicht so sicher hätten ge-
langen können. Sie wollen sich durch ihren
Schwieger-Vater aus gewissen Processen heraus-
wickeln, ihre Schulden tilgen, zu einem Stück
Geld kommen, sich einen Weg zu Ehren-Stellen
bahnen, der ihnen sonst wegen ihrer Ungeschicklich-
keit grösten theils verschlossen, und opffern also, um
ihren unvernünfftigen Begierden ein Genügen zu
leisten, oder der Caprice andrer Leute, an deren
Gnade ihnen etwas gelegen, zu folgen, durch Ehli-
gung derer, die sie nicht lieben können, und auch
nicht lieben wollen, ihre innerliche Zufriedenheit und
Gemüths-Ruhe auf.

§. 2. Diese handeln unvernünfftig, weil sie sich
bey ihrer ehelichen Liebe allzu kaltsinnig bezeugen,
und fast gar keine Zuneigung in ihren Hertzen ge-
gen ihren künfftigen Ehegatten empfinden. Man

findet

II. Theil. XV. Capitul.
einer Staats-Raiſon, als aus einer GOtt gefaͤlli-
gen Abſicht, ſie erwehlen diejenige zur Gehuͤlfin,
die ſich doch zu nichts weniger als zu einer Gehuͤlfin
ſchickt, und vielmehr entweder wegen ihrer zarten
Jugend, oder ihres hohen und unbehuͤlflichen Al-
ters andrer Huͤlffe ſelbſt benoͤthiget, wenn ſie nur ein
ſtarckes Heyraths-Gut beſitzt. Jhrer viele ſetzen
bey ihrer Heyrath alle eheliche und hertzliche Liebe
aus den Augen, die doch der ſicherſte Grund-Stein,
auf welchen das Gebaͤude einer vergnuͤgten Ehe ru-
hen kan, ſie wollen durch ihre Verehligung ein ge-
wiß Stuͤck einer zeitlichen Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern,
die ihren laſterhafften Neigungen gemaͤß, und dazu
ſie auf einen andern Weg nicht ſo ſicher haͤtten ge-
langen koͤnnen. Sie wollen ſich durch ihren
Schwieger-Vater aus gewiſſen Proceſſen heraus-
wickeln, ihre Schulden tilgen, zu einem Stuͤck
Geld kommen, ſich einen Weg zu Ehren-Stellen
bahnen, der ihnen ſonſt wegen ihrer Ungeſchicklich-
keit groͤſten theils verſchloſſen, und opffern alſo, um
ihren unvernuͤnfftigen Begierden ein Genuͤgen zu
leiſten, oder der Caprice andrer Leute, an deren
Gnade ihnen etwas gelegen, zu folgen, durch Ehli-
gung derer, die ſie nicht lieben koͤnnen, und auch
nicht lieben wollen, ihre innerliche Zufriedenheit und
Gemuͤths-Ruhe auf.

§. 2. Dieſe handeln unvernuͤnfftig, weil ſie ſich
bey ihrer ehelichen Liebe allzu kaltſinnig bezeugen,
und faſt gar keine Zuneigung in ihren Hertzen ge-
gen ihren kuͤnfftigen Ehegatten empfinden. Man

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[590/0610] II. Theil. XV. Capitul. einer Staats-Raiſon, als aus einer GOtt gefaͤlli- gen Abſicht, ſie erwehlen diejenige zur Gehuͤlfin, die ſich doch zu nichts weniger als zu einer Gehuͤlfin ſchickt, und vielmehr entweder wegen ihrer zarten Jugend, oder ihres hohen und unbehuͤlflichen Al- ters andrer Huͤlffe ſelbſt benoͤthiget, wenn ſie nur ein ſtarckes Heyraths-Gut beſitzt. Jhrer viele ſetzen bey ihrer Heyrath alle eheliche und hertzliche Liebe aus den Augen, die doch der ſicherſte Grund-Stein, auf welchen das Gebaͤude einer vergnuͤgten Ehe ru- hen kan, ſie wollen durch ihre Verehligung ein ge- wiß Stuͤck einer zeitlichen Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern, die ihren laſterhafften Neigungen gemaͤß, und dazu ſie auf einen andern Weg nicht ſo ſicher haͤtten ge- langen koͤnnen. Sie wollen ſich durch ihren Schwieger-Vater aus gewiſſen Proceſſen heraus- wickeln, ihre Schulden tilgen, zu einem Stuͤck Geld kommen, ſich einen Weg zu Ehren-Stellen bahnen, der ihnen ſonſt wegen ihrer Ungeſchicklich- keit groͤſten theils verſchloſſen, und opffern alſo, um ihren unvernuͤnfftigen Begierden ein Genuͤgen zu leiſten, oder der Caprice andrer Leute, an deren Gnade ihnen etwas gelegen, zu folgen, durch Ehli- gung derer, die ſie nicht lieben koͤnnen, und auch nicht lieben wollen, ihre innerliche Zufriedenheit und Gemuͤths-Ruhe auf. §. 2. Dieſe handeln unvernuͤnfftig, weil ſie ſich bey ihrer ehelichen Liebe allzu kaltſinnig bezeugen, und faſt gar keine Zuneigung in ihren Hertzen ge- gen ihren kuͤnfftigen Ehegatten empfinden. Man findet

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/610>, abgerufen am 25.11.2024.