ist wohl die den meisten Menschen angebohrne Lie- be zur Veränderung, und die Neugierigkeit, da sie an demjenigen, was sie stets um sich haben, und ih- nen allzubekandt und alltäglich worden, keinen son- derlichen Geschmack mehr finden, den wahren Preiß davon nicht kennen, und daher stets nach et- was andern und neuen trachten. Diese unmäßige Begierde zur Abwechselung, bringt öffters zu wege, daß die Menschen das unvollkommene dem voll- kommenen, und das schlimmere dem bessern vorzie- hen, wie unten weiter erhellen wird.
§. 6. Ob zwar wohl alle Menschen in ihren Neigungen veränderlich und unbeständig, so ist doch gewiß, daß eine Nation die andere an Leicht- sinnigkeit in diesem Stück übertrifft, und ist eine längst bekandte Sache, daß die Frantzösische vor allen übrigen Europäischen am veränderlichsten, und in Aussinnung der neuen Moden am begierig- sten. Nachdem nun unsere Teutschen angefan- gen zu bewundern und nachzuahmen, und sie diß- falls in ihrem Lande zu besuchen, so ist dieses verän- derliche Wesen auch auf unsere Landes-Leute ge- kommen. Es hat auch die häuffige Aufnahme der aus Franckreich vertriebenen Reformirten, und ihr Etablissement in den Teutschen Provintzen, nicht wenig beygetragen, daß unsere Teutschen halb Frantzösisch worden, und sich nicht allein in ihren Kleidungen, sondern auch in der Art zu speisen, in Meublen, in den Equipagen, bey ihren Visiten, As- sembleen, Parties de plaisir, u. s. w. nach den Fran-
tzosen
C 3
Von der Mode.
iſt wohl die den meiſten Menſchen angebohrne Lie- be zur Veraͤnderung, und die Neugierigkeit, da ſie an demjenigen, was ſie ſtets um ſich haben, und ih- nen allzubekandt und alltaͤglich worden, keinen ſon- derlichen Geſchmack mehr finden, den wahren Preiß davon nicht kennen, und daher ſtets nach et- was andern und neuen trachten. Dieſe unmaͤßige Begierde zur Abwechſelung, bringt oͤffters zu wege, daß die Menſchen das unvollkommene dem voll- kommenen, und das ſchlimmere dem beſſern vorzie- hen, wie unten weiter erhellen wird.
§. 6. Ob zwar wohl alle Menſchen in ihren Neigungen veraͤnderlich und unbeſtaͤndig, ſo iſt doch gewiß, daß eine Nation die andere an Leicht- ſinnigkeit in dieſem Stuͤck uͤbertrifft, und iſt eine laͤngſt bekandte Sache, daß die Frantzoͤſiſche vor allen uͤbrigen Europaͤiſchen am veraͤnderlichſten, und in Ausſinnung der neuen Moden am begierig- ſten. Nachdem nun unſere Teutſchen angefan- gen zu bewundern und nachzuahmen, und ſie diß- falls in ihrem Lande zu beſuchen, ſo iſt dieſes veraͤn- derliche Weſen auch auf unſere Landes-Leute ge- kommen. Es hat auch die haͤuffige Aufnahme der aus Franckreich vertriebenen Reformirten, und ihr Etabliſſement in den Teutſchen Provintzen, nicht wenig beygetragen, daß unſere Teutſchen halb Frantzoͤſiſch worden, und ſich nicht allein in ihren Kleidungen, ſondern auch in der Art zu ſpeiſen, in Meublen, in den Equipagen, bey ihren Viſiten, As- ſembleen, Parties de plaiſir, u. ſ. w. nach den Fran-
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Von der Mode.
iſt wohl die den meiſten Menſchen angebohrne Lie-
be zur Veraͤnderung, und die Neugierigkeit, da ſie
an demjenigen, was ſie ſtets um ſich haben, und ih-
nen allzubekandt und alltaͤglich worden, keinen ſon-
derlichen Geſchmack mehr finden, den wahren
Preiß davon nicht kennen, und daher ſtets nach et-
was andern und neuen trachten. Dieſe unmaͤßige
Begierde zur Abwechſelung, bringt oͤffters zu wege,
daß die Menſchen das unvollkommene dem voll-
kommenen, und das ſchlimmere dem beſſern vorzie-
hen, wie unten weiter erhellen wird.
§. 6. Ob zwar wohl alle Menſchen in ihren
Neigungen veraͤnderlich und unbeſtaͤndig, ſo iſt
doch gewiß, daß eine Nation die andere an Leicht-
ſinnigkeit in dieſem Stuͤck uͤbertrifft, und iſt eine
laͤngſt bekandte Sache, daß die Frantzoͤſiſche vor
allen uͤbrigen Europaͤiſchen am veraͤnderlichſten,
und in Ausſinnung der neuen Moden am begierig-
ſten. Nachdem nun unſere Teutſchen angefan-
gen zu bewundern und nachzuahmen, und ſie diß-
falls in ihrem Lande zu beſuchen, ſo iſt dieſes veraͤn-
derliche Weſen auch auf unſere Landes-Leute ge-
kommen. Es hat auch die haͤuffige Aufnahme
der aus Franckreich vertriebenen Reformirten, und
ihr Etabliſſement in den Teutſchen Provintzen,
nicht wenig beygetragen, daß unſere Teutſchen halb
Frantzoͤſiſch worden, und ſich nicht allein in ihren
Kleidungen, ſondern auch in der Art zu ſpeiſen, in
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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