und aus unterschiednen Haupt- und Neben-Hand- lungen, die in mancherley Actus und Scenen ein- getheilt. So muß er auch die verschiedenen bey den Opern und dergleichen Poesien vorkommenden Kunst-Wörter, als Arioso, Recitativ, Cantate, Cavate u. s. w. verstehen lernen, damit er geschickt und vernünfftig hievon zu raisoniren wisse.
§. 6. Meines Erachtens ist auch folgendes da- bey in Betrachtung zu ziehen: Man muß auf die Erfindung sehen, und sonderlich auf die Harmonie und Ordnung der Zeiten, daß nicht solche Geschich- te eingemischt werden, die sich erst nach diesem zu- getragen, wovon die Opera hauptsächlich handelt, nicht mit Stücken und Carthaunen, Mousqueten und Granaten aufgezogen kommen, wenn die In- vention der Opera aus den alten Zeiten hergenom- men, da man von dergleichen Geschütz noch nichts gewust.
§. 7. Die Verwirrungen und Intriguen müs- sen sonderlich angebracht und künstlich verwickelt werden, daß die Zuschauer noch zweiffelhafftig ge- macht werden, wie die Sache ablauffen möchte, und in steter Aufmercksamkeit erhalten werden. Zu Anfange oder in der Mitte müssen sie es nicht gleich mercken, doch aber am Ende es deutlich abneh- men können. Die Umstände müssen so wahr- scheinlich ausgesonnen seyn, als ob sie also gesche- hen wären, oder doch hätten geschehen können.
§. 8. Es ist Acht zu geben, ob der Character der Personen wohl ausgedruckt worden, ob die Nah-
men
J i
Von Divertiſſemens, Comœdien, Opern, ꝛc.
und aus unterſchiednen Haupt- und Neben-Hand- lungen, die in mancherley Actus und Scenen ein- getheilt. So muß er auch die verſchiedenen bey den Opern und dergleichen Poeſien vorkommenden Kunſt-Woͤrter, als Arioſo, Recitativ, Cantate, Cavate u. ſ. w. verſtehen lernen, damit er geſchickt und vernuͤnfftig hievon zu raiſoniren wiſſe.
§. 6. Meines Erachtens iſt auch folgendes da- bey in Betrachtung zu ziehen: Man muß auf die Erfindung ſehen, und ſonderlich auf die Harmonie und Ordnung der Zeiten, daß nicht ſolche Geſchich- te eingemiſcht werden, die ſich erſt nach dieſem zu- getragen, wovon die Opera hauptſaͤchlich handelt, nicht mit Stuͤcken und Carthaunen, Mouſqueten und Granaten aufgezogen kommen, wenn die In- vention der Opera aus den alten Zeiten hergenom- men, da man von dergleichen Geſchuͤtz noch nichts gewuſt.
§. 7. Die Verwirrungen und Intriguen muͤſ- ſen ſonderlich angebracht und kuͤnſtlich verwickelt werden, daß die Zuſchauer noch zweiffelhafftig ge- macht werden, wie die Sache ablauffen moͤchte, und in ſteter Aufmerckſamkeit erhalten werden. Zu Anfange oder in der Mitte muͤſſen ſie es nicht gleich mercken, doch aber am Ende es deutlich abneh- men koͤnnen. Die Umſtaͤnde muͤſſen ſo wahr- ſcheinlich ausgeſonnen ſeyn, als ob ſie alſo geſche- hen waͤren, oder doch haͤtten geſchehen koͤnnen.
§. 8. Es iſt Acht zu geben, ob der Character der Perſonen wohl ausgedruckt worden, ob die Nah-
men
J i
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0517"n="497"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von <hirendition="#aq">Divertiſſemens, Comœdi</hi>en, <hirendition="#aq">Opern,</hi>ꝛc.</hi></fw><lb/>
und aus unterſchiednen Haupt- und Neben-Hand-<lb/>
lungen, die in mancherley <hirendition="#aq">Actus</hi> und <hirendition="#aq">Scenen</hi> ein-<lb/>
getheilt. So muß er auch die verſchiedenen bey<lb/>
den <hirendition="#aq">Opern</hi> und dergleichen <hirendition="#aq">Poeſi</hi>en vorkommenden<lb/>
Kunſt-Woͤrter, als <hirendition="#aq">Arioſo, Recitativ, Cantate,<lb/>
Cavate</hi> u. ſ. w. verſtehen lernen, damit er geſchickt<lb/>
und vernuͤnfftig hievon zu <hirendition="#aq">raiſoni</hi>ren wiſſe.</p><lb/><p>§. 6. Meines Erachtens iſt auch folgendes da-<lb/>
bey in Betrachtung zu ziehen: Man muß auf die<lb/>
Erfindung ſehen, und ſonderlich auf die <hirendition="#aq">Harmonie</hi><lb/>
und Ordnung der Zeiten, daß nicht ſolche Geſchich-<lb/>
te eingemiſcht werden, die ſich erſt nach dieſem zu-<lb/>
getragen, wovon die <hirendition="#aq">Opera</hi> hauptſaͤchlich handelt,<lb/>
nicht mit Stuͤcken und Carthaunen, <hirendition="#aq">Mouſquet</hi>en<lb/>
und <hirendition="#aq">Granat</hi>en aufgezogen kommen, wenn die <hirendition="#aq">In-<lb/>
vention</hi> der <hirendition="#aq">Opera</hi> aus den alten Zeiten hergenom-<lb/>
men, da man von dergleichen Geſchuͤtz noch nichts<lb/>
gewuſt.</p><lb/><p>§. 7. Die Verwirrungen und <hirendition="#aq">Intrigu</hi>en muͤſ-<lb/>ſen ſonderlich angebracht und kuͤnſtlich verwickelt<lb/>
werden, daß die Zuſchauer noch zweiffelhafftig ge-<lb/>
macht werden, wie die Sache ablauffen moͤchte,<lb/>
und in ſteter Aufmerckſamkeit erhalten werden. Zu<lb/>
Anfange oder in der Mitte muͤſſen ſie es nicht gleich<lb/>
mercken, doch aber am Ende es deutlich abneh-<lb/>
men koͤnnen. Die Umſtaͤnde muͤſſen ſo wahr-<lb/>ſcheinlich ausgeſonnen ſeyn, als ob ſie alſo geſche-<lb/>
hen waͤren, oder doch haͤtten geſchehen koͤnnen.</p><lb/><p>§. 8. Es iſt Acht zu geben, ob der <hirendition="#aq">Character</hi> der<lb/>
Perſonen wohl ausgedruckt worden, ob die Nah-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J i</fw><fwplace="bottom"type="catch">men</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[497/0517]
Von Divertiſſemens, Comœdien, Opern, ꝛc.
und aus unterſchiednen Haupt- und Neben-Hand-
lungen, die in mancherley Actus und Scenen ein-
getheilt. So muß er auch die verſchiedenen bey
den Opern und dergleichen Poeſien vorkommenden
Kunſt-Woͤrter, als Arioſo, Recitativ, Cantate,
Cavate u. ſ. w. verſtehen lernen, damit er geſchickt
und vernuͤnfftig hievon zu raiſoniren wiſſe.
§. 6. Meines Erachtens iſt auch folgendes da-
bey in Betrachtung zu ziehen: Man muß auf die
Erfindung ſehen, und ſonderlich auf die Harmonie
und Ordnung der Zeiten, daß nicht ſolche Geſchich-
te eingemiſcht werden, die ſich erſt nach dieſem zu-
getragen, wovon die Opera hauptſaͤchlich handelt,
nicht mit Stuͤcken und Carthaunen, Mouſqueten
und Granaten aufgezogen kommen, wenn die In-
vention der Opera aus den alten Zeiten hergenom-
men, da man von dergleichen Geſchuͤtz noch nichts
gewuſt.
§. 7. Die Verwirrungen und Intriguen muͤſ-
ſen ſonderlich angebracht und kuͤnſtlich verwickelt
werden, daß die Zuſchauer noch zweiffelhafftig ge-
macht werden, wie die Sache ablauffen moͤchte,
und in ſteter Aufmerckſamkeit erhalten werden. Zu
Anfange oder in der Mitte muͤſſen ſie es nicht gleich
mercken, doch aber am Ende es deutlich abneh-
men koͤnnen. Die Umſtaͤnde muͤſſen ſo wahr-
ſcheinlich ausgeſonnen ſeyn, als ob ſie alſo geſche-
hen waͤren, oder doch haͤtten geſchehen koͤnnen.
§. 8. Es iſt Acht zu geben, ob der Character der
Perſonen wohl ausgedruckt worden, ob die Nah-
men
J i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/517>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.