Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. IX. Capitul.
da er die Mode der Engelländer mißbillichte, krafft
deren sie auf ihren Gelacken, auf das Gedächtniß
des Königes Williams zu trincken pflegten.

§. 53. Jst die Gesellschafft sehr groß, muß man,
zu Vermeidung eines übermäßigen Trunckes, eini-
ge zugleich auf einmahl nehmen, deren Gesundheit
man trincket. Einige Autores geben in ihren
Schrifften die Regel: Es käme mit dem Respect
nicht wohl überein, den eine geringere Person einer
höhern schuldig wäre, wenn sie sich unterstehen wol-
te, der hohen Person Gesundheit selbst anzufangen;
wenn aber einer von gleichem Stande solche höfli-
che Gewohnheit anfienge, machte man mit. Doch
diese Anmerckung hat nicht allenthalben ihre Rich-
tigkeit. Man pflegt in einer Gesellschafft wohl ger-
ne zu warten, biß der Höhere des Wirths oder eines
andern Gastes Gesundheit ausgebracht; Jnzwi-
schen hat man doch ebenfalls in vielen Gesellschaff-
ten, ohne Verletzung des Wohlstandes, die Frey-
heit, daß man, ohne daß man nöthig hat, auf den
Höhern zu warten, des andern Gesundheit anfängt.
Die Anmerckung, die in dem Traite de Civilite
p.
199. vorkommt, daß es sehr ungehobelt stünde,
die Gesundheit einer vornehmen Person zu trincken,
wenn man es nemlich zu ihr selbst thäte, und sie dar-
über zum Zeugen aufrufft, findet in Teutschland
ebenfalls nicht allenthalben Platz. Es wird die-
ses in viel vornehmen Gesellschafften vor gar keinen
Fehler gehalten.

§. 54. Man ist so wohl den Pflichten des Chri-

sten-

II. Theil. IX. Capitul.
da er die Mode der Engellaͤnder mißbillichte, krafft
deren ſie auf ihren Gelacken, auf das Gedaͤchtniß
des Koͤniges Williams zu trincken pflegten.

§. 53. Jſt die Geſellſchafft ſehr groß, muß man,
zu Vermeidung eines uͤbermaͤßigen Trunckes, eini-
ge zugleich auf einmahl nehmen, deren Geſundheit
man trincket. Einige Autores geben in ihren
Schrifften die Regel: Es kaͤme mit dem Reſpect
nicht wohl uͤberein, den eine geringere Perſon einer
hoͤhern ſchuldig waͤre, wenn ſie ſich unterſtehen wol-
te, der hohen Perſon Geſundheit ſelbſt anzufangen;
wenn aber einer von gleichem Stande ſolche hoͤfli-
che Gewohnheit anfienge, machte man mit. Doch
dieſe Anmerckung hat nicht allenthalben ihre Rich-
tigkeit. Man pflegt in einer Geſellſchafft wohl ger-
ne zu warten, biß der Hoͤhere des Wirths oder eines
andern Gaſtes Geſundheit ausgebracht; Jnzwi-
ſchen hat man doch ebenfalls in vielen Geſellſchaff-
ten, ohne Verletzung des Wohlſtandes, die Frey-
heit, daß man, ohne daß man noͤthig hat, auf den
Hoͤhern zu warten, des andern Geſundheit anfaͤngt.
Die Anmerckung, die in dem Traite de Civilité
p.
199. vorkommt, daß es ſehr ungehobelt ſtuͤnde,
die Geſundheit einer vornehmen Perſon zu trincken,
wenn man es nemlich zu ihr ſelbſt thaͤte, und ſie dar-
uͤber zum Zeugen aufrufft, findet in Teutſchland
ebenfalls nicht allenthalben Platz. Es wird die-
ſes in viel vornehmen Geſellſchafften vor gar keinen
Fehler gehalten.

§. 54. Man iſt ſo wohl den Pflichten des Chri-

ſten-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0480" n="460"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
da er die <hi rendition="#aq">Mode</hi> der Engella&#x0364;nder mißbillichte, krafft<lb/>
deren &#x017F;ie auf ihren Gelacken, auf das Geda&#x0364;chtniß<lb/>
des Ko&#x0364;niges <hi rendition="#aq">Williams</hi> zu trincken pflegten.</p><lb/>
        <p>§. 53. J&#x017F;t die Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft &#x017F;ehr groß, muß man,<lb/>
zu Vermeidung eines u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Trunckes, eini-<lb/>
ge zugleich auf einmahl nehmen, deren Ge&#x017F;undheit<lb/>
man trincket. Einige <hi rendition="#aq">Autores</hi> geben in ihren<lb/>
Schrifften die Regel: Es ka&#x0364;me mit dem <hi rendition="#aq">Re&#x017F;pect</hi><lb/>
nicht wohl u&#x0364;berein, den eine geringere Per&#x017F;on einer<lb/>
ho&#x0364;hern &#x017F;chuldig wa&#x0364;re, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich unter&#x017F;tehen wol-<lb/>
te, der hohen Per&#x017F;on Ge&#x017F;undheit &#x017F;elb&#x017F;t anzufangen;<lb/>
wenn aber einer von gleichem Stande &#x017F;olche ho&#x0364;fli-<lb/>
che Gewohnheit anfienge, machte man mit. Doch<lb/>
die&#x017F;e Anmerckung hat nicht allenthalben ihre Rich-<lb/>
tigkeit. Man pflegt in einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft wohl ger-<lb/>
ne zu warten, biß der Ho&#x0364;here des Wirths oder eines<lb/>
andern Ga&#x017F;tes Ge&#x017F;undheit ausgebracht; Jnzwi-<lb/>
&#x017F;chen hat man doch ebenfalls in vielen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaff-<lb/>
ten, ohne Verletzung des Wohl&#x017F;tandes, die Frey-<lb/>
heit, daß man, ohne daß man no&#x0364;thig hat, auf den<lb/>
Ho&#x0364;hern zu warten, des andern Ge&#x017F;undheit anfa&#x0364;ngt.<lb/>
Die Anmerckung, die in dem <hi rendition="#aq">Traite de Civilité<lb/>
p.</hi> 199. vorkommt, daß es &#x017F;ehr ungehobelt &#x017F;tu&#x0364;nde,<lb/>
die Ge&#x017F;undheit einer vornehmen Per&#x017F;on zu trincken,<lb/>
wenn man es nemlich zu ihr &#x017F;elb&#x017F;t tha&#x0364;te, und &#x017F;ie dar-<lb/>
u&#x0364;ber zum Zeugen aufrufft, findet in Teut&#x017F;chland<lb/>
ebenfalls nicht allenthalben Platz. Es wird die-<lb/>
&#x017F;es in viel vornehmen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften vor gar keinen<lb/>
Fehler gehalten.</p><lb/>
        <p>§. 54. Man i&#x017F;t &#x017F;o wohl den Pflichten des Chri-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ten-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[460/0480] II. Theil. IX. Capitul. da er die Mode der Engellaͤnder mißbillichte, krafft deren ſie auf ihren Gelacken, auf das Gedaͤchtniß des Koͤniges Williams zu trincken pflegten. §. 53. Jſt die Geſellſchafft ſehr groß, muß man, zu Vermeidung eines uͤbermaͤßigen Trunckes, eini- ge zugleich auf einmahl nehmen, deren Geſundheit man trincket. Einige Autores geben in ihren Schrifften die Regel: Es kaͤme mit dem Reſpect nicht wohl uͤberein, den eine geringere Perſon einer hoͤhern ſchuldig waͤre, wenn ſie ſich unterſtehen wol- te, der hohen Perſon Geſundheit ſelbſt anzufangen; wenn aber einer von gleichem Stande ſolche hoͤfli- che Gewohnheit anfienge, machte man mit. Doch dieſe Anmerckung hat nicht allenthalben ihre Rich- tigkeit. Man pflegt in einer Geſellſchafft wohl ger- ne zu warten, biß der Hoͤhere des Wirths oder eines andern Gaſtes Geſundheit ausgebracht; Jnzwi- ſchen hat man doch ebenfalls in vielen Geſellſchaff- ten, ohne Verletzung des Wohlſtandes, die Frey- heit, daß man, ohne daß man noͤthig hat, auf den Hoͤhern zu warten, des andern Geſundheit anfaͤngt. Die Anmerckung, die in dem Traite de Civilité p. 199. vorkommt, daß es ſehr ungehobelt ſtuͤnde, die Geſundheit einer vornehmen Perſon zu trincken, wenn man es nemlich zu ihr ſelbſt thaͤte, und ſie dar- uͤber zum Zeugen aufrufft, findet in Teutſchland ebenfalls nicht allenthalben Platz. Es wird die- ſes in viel vornehmen Geſellſchafften vor gar keinen Fehler gehalten. §. 54. Man iſt ſo wohl den Pflichten des Chri- ſten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/480
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/480>, abgerufen am 22.11.2024.