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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.
dem höchsten Rang mit guten Wein versorgt, den
andern aber schlechten und sauern zu trincken giebt.
Es ist billich, daß diejenigen, die aus einer Schüssel
vorgelegt bekommen, auch einerley Geträncke ge-
niessen.

§. 37. Will man seinen Gästen ein Glaß Wein
vorsetzen, es mag ein ausländischer oder einheimi-
scher seyn, so muß man sich bemühen, eines guten,
alten, wohl ausgelegenen, nicht starck geschwefelten
und gesunden Weines habhafft zu werden, und es
davor, wer auf die Sparsamkeit bedacht seyn will,
an ein paar Gerichten fehlen lassen. Hat man aber
keinen bessern, und man offerirt den Wein, so gut
man ihn hat, oder an diesem Ort und zu dieser oder
jener Zeit erhalten kan, so muß man ihn auch nicht
vor besser oder vor etwas anders ausgeben, als er in
der That ist, sondern ein aufrichtiges und wahres
Bekäntniß davon thun, und seinen Gästen nachge-
hends die Freyheit lassen, nach ihrem Belieben da-
von zu trincken, so viel als ihnen schmeckt, oder ihnen,
ihrer Beurtheilung nach, bekommen möchte; sin-
temahl es eine gar schlechte Höflichkeit ist, wenn
ein Wirth seine Gäste mit vielen Complimens zum
sauren oder sonst ungesunden und übelschmeckenden
Weine nöthigen will.

§. 38. Das Forciren und unmäßige Zutrincken,
ist zwar heutiges Tages an vielen Orten abgekom-
men, jedoch stehen noch ihrer viele in dem irrigen
Wahn, es gehöre nothwendig zu dem Wohlstan-
de und zum Ceremoniel, daß man seinen Gästen,

zumahl
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Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
dem hoͤchſten Rang mit guten Wein verſorgt, den
andern aber ſchlechten und ſauern zu trincken giebt.
Es iſt billich, daß diejenigen, die aus einer Schuͤſſel
vorgelegt bekommen, auch einerley Getraͤncke ge-
nieſſen.

§. 37. Will man ſeinen Gaͤſten ein Glaß Wein
vorſetzen, es mag ein auslaͤndiſcher oder einheimi-
ſcher ſeyn, ſo muß man ſich bemuͤhen, eines guten,
alten, wohl ausgelegenen, nicht ſtarck geſchwefelten
und geſunden Weines habhafft zu werden, und es
davor, wer auf die Sparſamkeit bedacht ſeyn will,
an ein paar Gerichten fehlen laſſen. Hat man aber
keinen beſſern, und man offerirt den Wein, ſo gut
man ihn hat, oder an dieſem Ort und zu dieſer oder
jener Zeit erhalten kan, ſo muß man ihn auch nicht
vor beſſer oder vor etwas anders ausgeben, als er in
der That iſt, ſondern ein aufrichtiges und wahres
Bekaͤntniß davon thun, und ſeinen Gaͤſten nachge-
hends die Freyheit laſſen, nach ihrem Belieben da-
von zu trincken, ſo viel als ihnen ſchmeckt, oder ihnen,
ihrer Beurtheilung nach, bekommen moͤchte; ſin-
temahl es eine gar ſchlechte Hoͤflichkeit iſt, wenn
ein Wirth ſeine Gaͤſte mit vielen Complimens zum
ſauren oder ſonſt ungeſunden und uͤbelſchmeckenden
Weine noͤthigen will.

§. 38. Das Forciren und unmaͤßige Zutrincken,
iſt zwar heutiges Tages an vielen Orten abgekom-
men, jedoch ſtehen noch ihrer viele in dem irrigen
Wahn, es gehoͤre nothwendig zu dem Wohlſtan-
de und zum Ceremoniel, daß man ſeinen Gaͤſten,

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[449/0469] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. dem hoͤchſten Rang mit guten Wein verſorgt, den andern aber ſchlechten und ſauern zu trincken giebt. Es iſt billich, daß diejenigen, die aus einer Schuͤſſel vorgelegt bekommen, auch einerley Getraͤncke ge- nieſſen. §. 37. Will man ſeinen Gaͤſten ein Glaß Wein vorſetzen, es mag ein auslaͤndiſcher oder einheimi- ſcher ſeyn, ſo muß man ſich bemuͤhen, eines guten, alten, wohl ausgelegenen, nicht ſtarck geſchwefelten und geſunden Weines habhafft zu werden, und es davor, wer auf die Sparſamkeit bedacht ſeyn will, an ein paar Gerichten fehlen laſſen. Hat man aber keinen beſſern, und man offerirt den Wein, ſo gut man ihn hat, oder an dieſem Ort und zu dieſer oder jener Zeit erhalten kan, ſo muß man ihn auch nicht vor beſſer oder vor etwas anders ausgeben, als er in der That iſt, ſondern ein aufrichtiges und wahres Bekaͤntniß davon thun, und ſeinen Gaͤſten nachge- hends die Freyheit laſſen, nach ihrem Belieben da- von zu trincken, ſo viel als ihnen ſchmeckt, oder ihnen, ihrer Beurtheilung nach, bekommen moͤchte; ſin- temahl es eine gar ſchlechte Hoͤflichkeit iſt, wenn ein Wirth ſeine Gaͤſte mit vielen Complimens zum ſauren oder ſonſt ungeſunden und uͤbelſchmeckenden Weine noͤthigen will. §. 38. Das Forciren und unmaͤßige Zutrincken, iſt zwar heutiges Tages an vielen Orten abgekom- men, jedoch ſtehen noch ihrer viele in dem irrigen Wahn, es gehoͤre nothwendig zu dem Wohlſtan- de und zum Ceremoniel, daß man ſeinen Gaͤſten, zumahl F f

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/469>, abgerufen am 22.11.2024.