auf die Tafel setzen, nicht herab falle, oder die Flie- gen nicht hinein fliegen.
§. 26. Es ist wohl lächerlich und ein unverant- wortlicher Uberfluß, daß einige Privat-Personen in den neuern Zeiten anfangen, wenn die erstere Tafel mit ihren zwey drey und mehr Gängen abgehoben, und die Gäste völlig gesättiget, die Tafel völlig wie- der auf das neue Bedecken zu lassen, und mit man- cherley Gerichten in grosser Menge zu besetzen. Da aber der Wirth mit seiner andern Tafel den Gä- sten nicht zugleich neuen Appetit erwecken kan, so sind diese Gerichte vor nichts anders als vor bloße Schau-Gerichte zu halten, dadurch der Wirth sei- ne Verschwendung auf eine deutliche Art am Tag legt. Nicht viel besser ists, wenn einige denjenigen Gästen, die sie zu Mittage auf das properste und herrlichste tractirt, und die sich auf den gantzen Tag völlig gesättiget, zur Abend-Mahlzeit eine grosse Menge delicater und auf das neue zugerich- teter Speisen vorsetzen, die sie entweder bloß anse- hen müssen, oder ihnen doch nichts als Beschwer- lichkeit und Kranckheiten zuziehen.
§. 27. Man solte billich bey diesen und bey an- dern Stücken mehr auf die Gesundheit seiner Gäste zugleich mit sehen, so wohl in Ansehung der Spei- sen und des Getränckes, die man ihnen vorsetzt, als auch in Ansehung der Art und Weise wie man sie tractirt. Doch die wenigsten bekümmern sich um ihre eigene Gesundheit, geschweige denn um andrer Leute ihre; Viele haben nicht den Vorsatz bey
ihren
II. Theil. IX. Capitul.
auf die Tafel ſetzen, nicht herab falle, oder die Flie- gen nicht hinein fliegen.
§. 26. Es iſt wohl laͤcherlich und ein unverant- wortlicher Uberfluß, daß einige Privat-Perſonen in den neuern Zeiten anfangen, wenn die erſtere Tafel mit ihren zwey drey und mehr Gaͤngen abgehoben, und die Gaͤſte voͤllig geſaͤttiget, die Tafel voͤllig wie- der auf das neue Bedecken zu laſſen, und mit man- cherley Gerichten in groſſer Menge zu beſetzen. Da aber der Wirth mit ſeiner andern Tafel den Gaͤ- ſten nicht zugleich neuen Appetit erwecken kan, ſo ſind dieſe Gerichte vor nichts anders als vor bloße Schau-Gerichte zu halten, dadurch der Wirth ſei- ne Verſchwendung auf eine deutliche Art am Tag legt. Nicht viel beſſer iſts, wenn einige denjenigen Gaͤſten, die ſie zu Mittage auf das properſte und herrlichſte tractirt, und die ſich auf den gantzen Tag voͤllig geſaͤttiget, zur Abend-Mahlzeit eine groſſe Menge delicater und auf das neue zugerich- teter Speiſen vorſetzen, die ſie entweder bloß anſe- hen muͤſſen, oder ihnen doch nichts als Beſchwer- lichkeit und Kranckheiten zuziehen.
§. 27. Man ſolte billich bey dieſen und bey an- dern Stuͤcken mehr auf die Geſundheit ſeiner Gaͤſte zugleich mit ſehen, ſo wohl in Anſehung der Spei- ſen und des Getraͤnckes, die man ihnen vorſetzt, als auch in Anſehung der Art und Weiſe wie man ſie tractirt. Doch die wenigſten bekuͤmmern ſich um ihre eigene Geſundheit, geſchweige denn um andrer Leute ihre; Viele haben nicht den Vorſatz bey
ihren
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II. Theil. IX. Capitul.
auf die Tafel ſetzen, nicht herab falle, oder die Flie-
gen nicht hinein fliegen.
§. 26. Es iſt wohl laͤcherlich und ein unverant-
wortlicher Uberfluß, daß einige Privat-Perſonen in
den neuern Zeiten anfangen, wenn die erſtere Tafel
mit ihren zwey drey und mehr Gaͤngen abgehoben,
und die Gaͤſte voͤllig geſaͤttiget, die Tafel voͤllig wie-
der auf das neue Bedecken zu laſſen, und mit man-
cherley Gerichten in groſſer Menge zu beſetzen. Da
aber der Wirth mit ſeiner andern Tafel den Gaͤ-
ſten nicht zugleich neuen Appetit erwecken kan, ſo
ſind dieſe Gerichte vor nichts anders als vor bloße
Schau-Gerichte zu halten, dadurch der Wirth ſei-
ne Verſchwendung auf eine deutliche Art am Tag
legt. Nicht viel beſſer iſts, wenn einige denjenigen
Gaͤſten, die ſie zu Mittage auf das properſte und
herrlichſte tractirt, und die ſich auf den gantzen
Tag voͤllig geſaͤttiget, zur Abend-Mahlzeit eine
groſſe Menge delicater und auf das neue zugerich-
teter Speiſen vorſetzen, die ſie entweder bloß anſe-
hen muͤſſen, oder ihnen doch nichts als Beſchwer-
lichkeit und Kranckheiten zuziehen.
§. 27. Man ſolte billich bey dieſen und bey an-
dern Stuͤcken mehr auf die Geſundheit ſeiner Gaͤſte
zugleich mit ſehen, ſo wohl in Anſehung der Spei-
ſen und des Getraͤnckes, die man ihnen vorſetzt, als
auch in Anſehung der Art und Weiſe wie man ſie
tractirt. Doch die wenigſten bekuͤmmern ſich um
ihre eigene Geſundheit, geſchweige denn um andrer
Leute ihre; Viele haben nicht den Vorſatz bey
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/462>, abgerufen am 22.11.2024.
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