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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.

§. 2. Die Ceremoniel-Gastereyen sind, wenn
einige aus Nachahmung der Hohern, oder derer,
die mit ihnen von gleichen Umständen, und durch
Antrieb der Mode, die an einem gewissen Ort, oder
in einer Gegend bey den meisten oder doch bey vielen
eingeführt, um eines unvermeintlichen Wohlstan-
des willen, gewisse Leute an dem Ort, da man sich
auf hält, oder doch in derselben Nachbarschafft zu
sich bitten. Diese Gastgebothe geschehen aus
keiner Nothwendigkeit, denn diejenigen, die sie an-
stellen, bleiben eben diejenigen, die sie vorher sind,
sie möchten diese Gastereyen halten oder nicht, auch
nicht eigentlich aus Eigennutz, sie verlangen eben
keine Wiedervergeltung, auch nicht aus Freund-
schafft, sintemahl sie bißweilen solche zu sich einla-
den, vor die sie im Hertzen schlechte Liebe hegen,
sondern mehrentheils deßwegen, daß sie die Mode
so mithalten wollen, oder daß sie dencken, sie haben
große Ehre davon. Manche achten diese Staats-
und Ceremoniel-Gastgebothe vor eine Art eines
Frohndienstes, und sind froh, wenn sie dieselben
einmahl überstanden.

§. 3. Der interessirten Gastgebothe giebt es
mancherley Gattungen, manche Leute tractiren aus
Hochmuth und Ehrgeitz, sie bilden sich ein, sie wer-
den selbst etwas mehrers, wenn sie vornehme Leute
bey sich zu Gaste haben, oder wenn ihnen andre
nachsagen, daß es propre in ihrem Hause zugehe,
und daß sie fleißig gastiren. Andere aus Wollust,
sie essen und trincken selbst gerne etwas gutes, und

also
Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.

§. 2. Die Ceremoniel-Gaſtereyen ſind, wenn
einige aus Nachahmung der Hohern, oder derer,
die mit ihnen von gleichen Umſtaͤnden, und durch
Antrieb der Mode, die an einem gewiſſen Ort, oder
in einer Gegend bey den meiſten oder doch bey vielen
eingefuͤhrt, um eines unvermeintlichen Wohlſtan-
des willen, gewiſſe Leute an dem Ort, da man ſich
auf haͤlt, oder doch in derſelben Nachbarſchafft zu
ſich bitten. Dieſe Gaſtgebothe geſchehen aus
keiner Nothwendigkeit, denn diejenigen, die ſie an-
ſtellen, bleiben eben diejenigen, die ſie vorher ſind,
ſie moͤchten dieſe Gaſtereyen halten oder nicht, auch
nicht eigentlich aus Eigennutz, ſie verlangen eben
keine Wiedervergeltung, auch nicht aus Freund-
ſchafft, ſintemahl ſie bißweilen ſolche zu ſich einla-
den, vor die ſie im Hertzen ſchlechte Liebe hegen,
ſondern mehrentheils deßwegen, daß ſie die Mode
ſo mithalten wollen, oder daß ſie dencken, ſie haben
große Ehre davon. Manche achten dieſe Staats-
und Ceremoniel-Gaſtgebothe vor eine Art eines
Frohndienſtes, und ſind froh, wenn ſie dieſelben
einmahl uͤberſtanden.

§. 3. Der intereſſirten Gaſtgebothe giebt es
mancherley Gattungen, manche Leute tractiren aus
Hochmuth und Ehrgeitz, ſie bilden ſich ein, ſie wer-
den ſelbſt etwas mehrers, wenn ſie vornehme Leute
bey ſich zu Gaſte haben, oder wenn ihnen andre
nachſagen, daß es propre in ihrem Hauſe zugehe,
und daß ſie fleißig gaſtiren. Andere aus Wolluſt,
ſie eſſen und trincken ſelbſt gerne etwas gutes, und

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[429/0449] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. §. 2. Die Ceremoniel-Gaſtereyen ſind, wenn einige aus Nachahmung der Hohern, oder derer, die mit ihnen von gleichen Umſtaͤnden, und durch Antrieb der Mode, die an einem gewiſſen Ort, oder in einer Gegend bey den meiſten oder doch bey vielen eingefuͤhrt, um eines unvermeintlichen Wohlſtan- des willen, gewiſſe Leute an dem Ort, da man ſich auf haͤlt, oder doch in derſelben Nachbarſchafft zu ſich bitten. Dieſe Gaſtgebothe geſchehen aus keiner Nothwendigkeit, denn diejenigen, die ſie an- ſtellen, bleiben eben diejenigen, die ſie vorher ſind, ſie moͤchten dieſe Gaſtereyen halten oder nicht, auch nicht eigentlich aus Eigennutz, ſie verlangen eben keine Wiedervergeltung, auch nicht aus Freund- ſchafft, ſintemahl ſie bißweilen ſolche zu ſich einla- den, vor die ſie im Hertzen ſchlechte Liebe hegen, ſondern mehrentheils deßwegen, daß ſie die Mode ſo mithalten wollen, oder daß ſie dencken, ſie haben große Ehre davon. Manche achten dieſe Staats- und Ceremoniel-Gaſtgebothe vor eine Art eines Frohndienſtes, und ſind froh, wenn ſie dieſelben einmahl uͤberſtanden. §. 3. Der intereſſirten Gaſtgebothe giebt es mancherley Gattungen, manche Leute tractiren aus Hochmuth und Ehrgeitz, ſie bilden ſich ein, ſie wer- den ſelbſt etwas mehrers, wenn ſie vornehme Leute bey ſich zu Gaſte haben, oder wenn ihnen andre nachſagen, daß es propre in ihrem Hauſe zugehe, und daß ſie fleißig gaſtiren. Andere aus Wolluſt, ſie eſſen und trincken ſelbſt gerne etwas gutes, und alſo

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/449>, abgerufen am 22.11.2024.