jenige, die unsere Nachbarin gewesen, auf den Wagen begleitet, oder sie auch wohl nach Gelegen- heit, wenn sie zu Fuß gehet, nach Hause führet. Man muß sie niemahls mit bloßer Hand führen, sondern allezeit saubere Handschuhe anstecken ha- ben. Hat man sie nach Hause gebracht, muß man an den Eingang ihres Hauses oder nach Gelegen- heit ihres Zimmers sein Abschieds-Compliment machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer mit ihr gehen, zumahl bey später Nachtzeit, oder bey einem verehligten Frauenzimmer in Abwesenheit ihres Mannes, es müste denn seyn, daß solches mit Vorbewust und Erlaubniß ihrer Anverwand- ten, oder von denen sie dependant ist, geschähe, oder jemand aus der Gesellschafft zugleich mit gegen- wärtig wäre, oder daß das Frauenzimmer sich in solchen Jahren befände, daß sie ausserhalb übeln Verdachts wäre. Bey dem Umgange des Frauen- zimmers, sie mögen tugendhafft oder lasterhafft seyn, muß man auf seine eigene Ehre und auf die Renomme der Dames sehen.
§. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit sich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un- terscheid führen soll, man muß vorher beurtheilen, ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes sey, und uns dergleichen nicht erlauben möchte, ob wir nicht gar zu frembd und unbekannt gegen sie, daß wir uns zu dergleichen anbiethen dürffen, ob es Zeit und Ort mit sich bringe, ob es ihr nicht ge- mächlicher scheine, wenn man sie allein gehen liesse,
und
Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
jenige, die unſere Nachbarin geweſen, auf den Wagen begleitet, oder ſie auch wohl nach Gelegen- heit, wenn ſie zu Fuß gehet, nach Hauſe fuͤhret. Man muß ſie niemahls mit bloßer Hand fuͤhren, ſondern allezeit ſaubere Handſchuhe anſtecken ha- ben. Hat man ſie nach Hauſe gebracht, muß man an den Eingang ihres Hauſes oder nach Gelegen- heit ihres Zimmers ſein Abſchieds-Compliment machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer mit ihr gehen, zumahl bey ſpaͤter Nachtzeit, oder bey einem verehligten Frauenzimmer in Abweſenheit ihres Mannes, es muͤſte denn ſeyn, daß ſolches mit Vorbewuſt und Erlaubniß ihrer Anverwand- ten, oder von denen ſie dependant iſt, geſchaͤhe, oder jemand aus der Geſellſchafft zugleich mit gegen- waͤrtig waͤre, oder daß das Frauenzimmer ſich in ſolchen Jahren befaͤnde, daß ſie auſſerhalb uͤbeln Verdachts waͤre. Bey dem Umgange des Frauen- zimmers, ſie moͤgen tugendhafft oder laſterhafft ſeyn, muß man auf ſeine eigene Ehre und auf die Renomme der Dames ſehen.
§. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit ſich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un- terſcheid fuͤhren ſoll, man muß vorher beurtheilen, ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes ſey, und uns dergleichen nicht erlauben moͤchte, ob wir nicht gar zu frembd und unbekannt gegen ſie, daß wir uns zu dergleichen anbiethen duͤrffen, ob es Zeit und Ort mit ſich bringe, ob es ihr nicht ge- maͤchlicher ſcheine, wenn man ſie allein gehen lieſſe,
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Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
jenige, die unſere Nachbarin geweſen, auf den
Wagen begleitet, oder ſie auch wohl nach Gelegen-
heit, wenn ſie zu Fuß gehet, nach Hauſe fuͤhret.
Man muß ſie niemahls mit bloßer Hand fuͤhren,
ſondern allezeit ſaubere Handſchuhe anſtecken ha-
ben. Hat man ſie nach Hauſe gebracht, muß man
an den Eingang ihres Hauſes oder nach Gelegen-
heit ihres Zimmers ſein Abſchieds-Compliment
machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer
mit ihr gehen, zumahl bey ſpaͤter Nachtzeit, oder bey
einem verehligten Frauenzimmer in Abweſenheit
ihres Mannes, es muͤſte denn ſeyn, daß ſolches
mit Vorbewuſt und Erlaubniß ihrer Anverwand-
ten, oder von denen ſie dependant iſt, geſchaͤhe, oder
jemand aus der Geſellſchafft zugleich mit gegen-
waͤrtig waͤre, oder daß das Frauenzimmer ſich in
ſolchen Jahren befaͤnde, daß ſie auſſerhalb uͤbeln
Verdachts waͤre. Bey dem Umgange des Frauen-
zimmers, ſie moͤgen tugendhafft oder laſterhafft
ſeyn, muß man auf ſeine eigene Ehre und auf die
Renomme der Dames ſehen.
§. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit
ſich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un-
terſcheid fuͤhren ſoll, man muß vorher beurtheilen,
ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes ſey,
und uns dergleichen nicht erlauben moͤchte, ob wir
nicht gar zu frembd und unbekannt gegen ſie, daß
wir uns zu dergleichen anbiethen duͤrffen, ob es
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/401>, abgerufen am 24.11.2024.
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