Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
jenige, die unsere Nachbarin gewesen, auf den
Wagen begleitet, oder sie auch wohl nach Gelegen-
heit, wenn sie zu Fuß gehet, nach Hause führet.
Man muß sie niemahls mit bloßer Hand führen,
sondern allezeit saubere Handschuhe anstecken ha-
ben. Hat man sie nach Hause gebracht, muß man
an den Eingang ihres Hauses oder nach Gelegen-
heit ihres Zimmers sein Abschieds-Compliment
machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer
mit ihr gehen, zumahl bey später Nachtzeit, oder bey
einem verehligten Frauenzimmer in Abwesenheit
ihres Mannes, es müste denn seyn, daß solches
mit Vorbewust und Erlaubniß ihrer Anverwand-
ten, oder von denen sie dependant ist, geschähe, oder
jemand aus der Gesellschafft zugleich mit gegen-
wärtig wäre, oder daß das Frauenzimmer sich in
solchen Jahren befände, daß sie ausserhalb übeln
Verdachts wäre. Bey dem Umgange des Frauen-
zimmers, sie mögen tugendhafft oder lasterhafft
seyn, muß man auf seine eigene Ehre und auf die
Renomme der Dames sehen.

§. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit
sich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un-
terscheid führen soll, man muß vorher beurtheilen,
ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes sey,
und uns dergleichen nicht erlauben möchte, ob wir
nicht gar zu frembd und unbekannt gegen sie, daß
wir uns zu dergleichen anbiethen dürffen, ob es
Zeit und Ort mit sich bringe, ob es ihr nicht ge-
mächlicher scheine, wenn man sie allein gehen liesse,

und

Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
jenige, die unſere Nachbarin geweſen, auf den
Wagen begleitet, oder ſie auch wohl nach Gelegen-
heit, wenn ſie zu Fuß gehet, nach Hauſe fuͤhret.
Man muß ſie niemahls mit bloßer Hand fuͤhren,
ſondern allezeit ſaubere Handſchuhe anſtecken ha-
ben. Hat man ſie nach Hauſe gebracht, muß man
an den Eingang ihres Hauſes oder nach Gelegen-
heit ihres Zimmers ſein Abſchieds-Compliment
machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer
mit ihr gehen, zumahl bey ſpaͤter Nachtzeit, oder bey
einem verehligten Frauenzimmer in Abweſenheit
ihres Mannes, es muͤſte denn ſeyn, daß ſolches
mit Vorbewuſt und Erlaubniß ihrer Anverwand-
ten, oder von denen ſie dependant iſt, geſchaͤhe, oder
jemand aus der Geſellſchafft zugleich mit gegen-
waͤrtig waͤre, oder daß das Frauenzimmer ſich in
ſolchen Jahren befaͤnde, daß ſie auſſerhalb uͤbeln
Verdachts waͤre. Bey dem Umgange des Frauen-
zimmers, ſie moͤgen tugendhafft oder laſterhafft
ſeyn, muß man auf ſeine eigene Ehre und auf die
Renomme der Dames ſehen.

§. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit
ſich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un-
terſcheid fuͤhren ſoll, man muß vorher beurtheilen,
ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes ſey,
und uns dergleichen nicht erlauben moͤchte, ob wir
nicht gar zu frembd und unbekannt gegen ſie, daß
wir uns zu dergleichen anbiethen duͤrffen, ob es
Zeit und Ort mit ſich bringe, ob es ihr nicht ge-
maͤchlicher ſcheine, wenn man ſie allein gehen lieſſe,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="381"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Umgang mit Frauenzimmer.</hi></fw><lb/>
jenige, die un&#x017F;ere Nachbarin gewe&#x017F;en, auf den<lb/>
Wagen begleitet, oder &#x017F;ie auch wohl nach Gelegen-<lb/>
heit, wenn &#x017F;ie zu Fuß gehet, nach Hau&#x017F;e fu&#x0364;hret.<lb/>
Man muß &#x017F;ie niemahls mit bloßer Hand fu&#x0364;hren,<lb/>
&#x017F;ondern allezeit &#x017F;aubere Hand&#x017F;chuhe an&#x017F;tecken ha-<lb/>
ben. Hat man &#x017F;ie nach Hau&#x017F;e gebracht, muß man<lb/>
an den Eingang ihres Hau&#x017F;es oder nach Gelegen-<lb/>
heit ihres Zimmers &#x017F;ein Ab&#x017F;chieds-<hi rendition="#aq">Compliment</hi><lb/>
machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer<lb/>
mit ihr gehen, zumahl bey &#x017F;pa&#x0364;ter Nachtzeit, oder bey<lb/>
einem verehligten Frauenzimmer in Abwe&#x017F;enheit<lb/>
ihres Mannes, es mu&#x0364;&#x017F;te denn &#x017F;eyn, daß &#x017F;olches<lb/>
mit Vorbewu&#x017F;t und Erlaubniß ihrer Anverwand-<lb/>
ten, oder von denen &#x017F;ie <hi rendition="#aq">dependant</hi> i&#x017F;t, ge&#x017F;cha&#x0364;he, oder<lb/>
jemand aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft zugleich mit gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtig wa&#x0364;re, oder daß das Frauenzimmer &#x017F;ich in<lb/>
&#x017F;olchen Jahren befa&#x0364;nde, daß &#x017F;ie au&#x017F;&#x017F;erhalb u&#x0364;beln<lb/>
Verdachts wa&#x0364;re. Bey dem Umgange des Frauen-<lb/>
zimmers, &#x017F;ie mo&#x0364;gen tugendhafft oder la&#x017F;terhafft<lb/>
&#x017F;eyn, muß man auf &#x017F;eine eigene Ehre und auf die<lb/><hi rendition="#aq">Renomme</hi> der <hi rendition="#aq">Dames</hi> &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>§. 21. Das <hi rendition="#aq">Ceremoniel</hi> bringt nicht allezeit mit<lb/>
&#x017F;ich, daß man eine <hi rendition="#aq">Dame,</hi> die allein gehet, ohne Un-<lb/>
ter&#x017F;cheid fu&#x0364;hren &#x017F;oll, man muß vorher beurtheilen,<lb/>
ob die <hi rendition="#aq">Dame</hi> nicht etwan allzuhohen Standes &#x017F;ey,<lb/>
und uns dergleichen nicht erlauben mo&#x0364;chte, ob wir<lb/>
nicht gar zu frembd und unbekannt gegen &#x017F;ie, daß<lb/>
wir uns zu dergleichen anbiethen du&#x0364;rffen, ob es<lb/>
Zeit und Ort mit &#x017F;ich bringe, ob es ihr nicht ge-<lb/>
ma&#x0364;chlicher &#x017F;cheine, wenn man &#x017F;ie allein gehen lie&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0401] Von dem Umgang mit Frauenzimmer. jenige, die unſere Nachbarin geweſen, auf den Wagen begleitet, oder ſie auch wohl nach Gelegen- heit, wenn ſie zu Fuß gehet, nach Hauſe fuͤhret. Man muß ſie niemahls mit bloßer Hand fuͤhren, ſondern allezeit ſaubere Handſchuhe anſtecken ha- ben. Hat man ſie nach Hauſe gebracht, muß man an den Eingang ihres Hauſes oder nach Gelegen- heit ihres Zimmers ſein Abſchieds-Compliment machen, und nicht leichtlich zugleich in ihr Zimmer mit ihr gehen, zumahl bey ſpaͤter Nachtzeit, oder bey einem verehligten Frauenzimmer in Abweſenheit ihres Mannes, es muͤſte denn ſeyn, daß ſolches mit Vorbewuſt und Erlaubniß ihrer Anverwand- ten, oder von denen ſie dependant iſt, geſchaͤhe, oder jemand aus der Geſellſchafft zugleich mit gegen- waͤrtig waͤre, oder daß das Frauenzimmer ſich in ſolchen Jahren befaͤnde, daß ſie auſſerhalb uͤbeln Verdachts waͤre. Bey dem Umgange des Frauen- zimmers, ſie moͤgen tugendhafft oder laſterhafft ſeyn, muß man auf ſeine eigene Ehre und auf die Renomme der Dames ſehen. §. 21. Das Ceremoniel bringt nicht allezeit mit ſich, daß man eine Dame, die allein gehet, ohne Un- terſcheid fuͤhren ſoll, man muß vorher beurtheilen, ob die Dame nicht etwan allzuhohen Standes ſey, und uns dergleichen nicht erlauben moͤchte, ob wir nicht gar zu frembd und unbekannt gegen ſie, daß wir uns zu dergleichen anbiethen duͤrffen, ob es Zeit und Ort mit ſich bringe, ob es ihr nicht ge- maͤchlicher ſcheine, wenn man ſie allein gehen lieſſe, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/401
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/401>, abgerufen am 24.11.2024.