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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Briefschreiben u. Correspondenz.
curialischen Formuln und Redens-Arten bestünde,
denn obgleich solche allerdings vonnöthen seyn, so
gehört doch nach dem wohlgegründeten Urtheil des
Herrn Benjamin Neukirchs, noch viel mehrers
und zwar folgendes dazu, nemlich die Gemüther zu
unterscheiden, des Lesers Schwäche und Stärcke
zu suchen, seine Blöße zu treffen, die Argumenta
zu verhöhlen, sie rechtschaffen zu ordnen, die geord-
neten mit Nachdruck anzubringen, und mit einem
Worte, so kräfftig und durchdringend zu schreiben
wissen, als ob wir den Leser das Hertz mit dem
Donner rührten. Solches nun erkennet man
nicht aus blosser Ubung, sondern die Natur muß
uns dazu bereiten, die Kunst, die Vortheile und
Griffe zeigen, die Ubung aber vollkommen machen.
Das ist, wir müssen ein fähiges Ingenium, einen
festen Grund in der Redner-Kunst, und eine gute
Kenntniß von politischen Concepten haben. siehe
seine Anweisung zu teutschen Briefen p. 372.

§. 16. Bey Eintheilung der Titulaturen, so wohl
inwendig in dem Briefe selbst, als auch bey der
Aufschrifft, muß man einem ieden geben was ihm
zukommt, und sich hiebey so viel als in andern
Stücken, wenn man es erfahren kan, nach ihren
Neigungen richten. Man trifft es nicht allezeit,
wenn man den Leuten höhere Titul geben will als
ihnen zukommt, oder als sonst gewöhnlich ist. Ein
vernünfftiger Mann achtet entweder den Conci-
pient
en vor einfältig, daß er es nicht besser verste-
het, wie man Leute von seinem Stande und Cha-

racter

Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz.
curialiſchen Formuln und Redens-Arten beſtuͤnde,
denn obgleich ſolche allerdings vonnoͤthen ſeyn, ſo
gehoͤrt doch nach dem wohlgegruͤndeten Urtheil des
Herrn Benjamin Neukirchs, noch viel mehrers
und zwar folgendes dazu, nemlich die Gemuͤther zu
unterſcheiden, des Leſers Schwaͤche und Staͤrcke
zu ſuchen, ſeine Bloͤße zu treffen, die Argumenta
zu verhoͤhlen, ſie rechtſchaffen zu ordnen, die geord-
neten mit Nachdruck anzubringen, und mit einem
Worte, ſo kraͤfftig und durchdringend zu ſchreiben
wiſſen, als ob wir den Leſer das Hertz mit dem
Donner ruͤhrten. Solches nun erkennet man
nicht aus bloſſer Ubung, ſondern die Natur muß
uns dazu bereiten, die Kunſt, die Vortheile und
Griffe zeigen, die Ubung aber vollkommen machen.
Das iſt, wir muͤſſen ein faͤhiges Ingenium, einen
feſten Grund in der Redner-Kunſt, und eine gute
Kenntniß von politiſchen Concepten haben. ſiehe
ſeine Anweiſung zu teutſchen Briefen p. 372.

§. 16. Bey Eintheilung der Titulaturen, ſo wohl
inwendig in dem Briefe ſelbſt, als auch bey der
Aufſchrifft, muß man einem ieden geben was ihm
zukommt, und ſich hiebey ſo viel als in andern
Stuͤcken, wenn man es erfahren kan, nach ihren
Neigungen richten. Man trifft es nicht allezeit,
wenn man den Leuten hoͤhere Titul geben will als
ihnen zukommt, oder als ſonſt gewoͤhnlich iſt. Ein
vernuͤnfftiger Mann achtet entweder den Conci-
pient
en vor einfaͤltig, daß er es nicht beſſer verſte-
het, wie man Leute von ſeinem Stande und Cha-

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[331/0351] Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz. curialiſchen Formuln und Redens-Arten beſtuͤnde, denn obgleich ſolche allerdings vonnoͤthen ſeyn, ſo gehoͤrt doch nach dem wohlgegruͤndeten Urtheil des Herrn Benjamin Neukirchs, noch viel mehrers und zwar folgendes dazu, nemlich die Gemuͤther zu unterſcheiden, des Leſers Schwaͤche und Staͤrcke zu ſuchen, ſeine Bloͤße zu treffen, die Argumenta zu verhoͤhlen, ſie rechtſchaffen zu ordnen, die geord- neten mit Nachdruck anzubringen, und mit einem Worte, ſo kraͤfftig und durchdringend zu ſchreiben wiſſen, als ob wir den Leſer das Hertz mit dem Donner ruͤhrten. Solches nun erkennet man nicht aus bloſſer Ubung, ſondern die Natur muß uns dazu bereiten, die Kunſt, die Vortheile und Griffe zeigen, die Ubung aber vollkommen machen. Das iſt, wir muͤſſen ein faͤhiges Ingenium, einen feſten Grund in der Redner-Kunſt, und eine gute Kenntniß von politiſchen Concepten haben. ſiehe ſeine Anweiſung zu teutſchen Briefen p. 372. §. 16. Bey Eintheilung der Titulaturen, ſo wohl inwendig in dem Briefe ſelbſt, als auch bey der Aufſchrifft, muß man einem ieden geben was ihm zukommt, und ſich hiebey ſo viel als in andern Stuͤcken, wenn man es erfahren kan, nach ihren Neigungen richten. Man trifft es nicht allezeit, wenn man den Leuten hoͤhere Titul geben will als ihnen zukommt, oder als ſonſt gewoͤhnlich iſt. Ein vernuͤnfftiger Mann achtet entweder den Conci- pienten vor einfaͤltig, daß er es nicht beſſer verſte- het, wie man Leute von ſeinem Stande und Cha- racter

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/351>, abgerufen am 22.11.2024.