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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Briefschreiben u. Correspondenz.
Hände bekommen, denen sie nachahmen kön-
nen.

§. 2. Ob und wenn man, ohne den Wohlstand
zu verletzen, an einen Fremden und Unbekandten
schreiben soll, lehret die Nothwendigkeit und Klug-
heit, nachdem man den tüchtigen Grund und Anlaß
dazu findet. Bey zweyen Fällen ist es insonder-
heit erlaubt, die Höhern schrifftlich anzugehen, ohne
daß wir uns vorher die Erlaubniß hierzu ausgebe-
ten: Zum ersten, wenn wir der Gnade und Hülffe
des Höhern unumgänglich benöthiget, und zum an-
dern, wenn wir wissen, daß das eigene Interesse des
Höhern solches erfordere, und es zu seinem Ver-
gnügen und Gefälligkeit gereichen werde; es muß
aber in beyden Fällen mit Demuth und respectueu-
sen Ehrerbietung geschehen. Ausser den beyden, in
vorhergehenden angeführten Fällen, müssen wir ent-
weder den Befehl des Höhern vorher erwarten,
oder die Erlaubniß hiezu erstlich ausbitten.

§. 3. Wie offt wir an Höhere, oder an unsers
gleichen zu schreiben haben, beruhet ebenfalls von
eines jeden Klugheit und Uberlegung, nachdem uns
die Liebe und die Nothwendigkeit antreibt, nachdem
wir Befehl oder Erlaubniß, Zeit und Gelegenheit
dazu haben, und nachdem wir wissen, daß es dem
andern gelegen, und von ihm wohl aufgenommen
werden möchte, oder nicht. Eine Antwort sind wir
auf einem jeden Brief schuldig, der uns von jemand
zugeschrieben worden: ist es von einem Höhern ge-
geschehen, so erfordert solches die Unterthänigkeit

und
X 2

Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz.
Haͤnde bekommen, denen ſie nachahmen koͤn-
nen.

§. 2. Ob und wenn man, ohne den Wohlſtand
zu verletzen, an einen Fremden und Unbekandten
ſchreiben ſoll, lehret die Nothwendigkeit und Klug-
heit, nachdem man den tuͤchtigen Grund und Anlaß
dazu findet. Bey zweyen Faͤllen iſt es inſonder-
heit erlaubt, die Hoͤhern ſchrifftlich anzugehen, ohne
daß wir uns vorher die Erlaubniß hierzu ausgebe-
ten: Zum erſten, wenn wir der Gnade und Huͤlffe
des Hoͤhern unumgaͤnglich benoͤthiget, und zum an-
dern, wenn wir wiſſen, daß das eigene Intereſſe des
Hoͤhern ſolches erfordere, und es zu ſeinem Ver-
gnuͤgen und Gefaͤlligkeit gereichen werde; es muß
aber in beyden Faͤllen mit Demuth und reſpectueu-
ſen Ehrerbietung geſchehen. Auſſer den beyden, in
vorhergehenden angefuͤhrten Faͤllen, muͤſſen wir ent-
weder den Befehl des Hoͤhern vorher erwarten,
oder die Erlaubniß hiezu erſtlich ausbitten.

§. 3. Wie offt wir an Hoͤhere, oder an unſers
gleichen zu ſchreiben haben, beruhet ebenfalls von
eines jeden Klugheit und Uberlegung, nachdem uns
die Liebe und die Nothwendigkeit antreibt, nachdem
wir Befehl oder Erlaubniß, Zeit und Gelegenheit
dazu haben, und nachdem wir wiſſen, daß es dem
andern gelegen, und von ihm wohl aufgenommen
werden moͤchte, oder nicht. Eine Antwort ſind wir
auf einem jeden Brief ſchuldig, der uns von jemand
zugeſchrieben worden: iſt es von einem Hoͤhern ge-
geſchehen, ſo erfordert ſolches die Unterthaͤnigkeit

und
X 2
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[323/0343] Vom Briefſchreiben u. Correſpondenz. Haͤnde bekommen, denen ſie nachahmen koͤn- nen. §. 2. Ob und wenn man, ohne den Wohlſtand zu verletzen, an einen Fremden und Unbekandten ſchreiben ſoll, lehret die Nothwendigkeit und Klug- heit, nachdem man den tuͤchtigen Grund und Anlaß dazu findet. Bey zweyen Faͤllen iſt es inſonder- heit erlaubt, die Hoͤhern ſchrifftlich anzugehen, ohne daß wir uns vorher die Erlaubniß hierzu ausgebe- ten: Zum erſten, wenn wir der Gnade und Huͤlffe des Hoͤhern unumgaͤnglich benoͤthiget, und zum an- dern, wenn wir wiſſen, daß das eigene Intereſſe des Hoͤhern ſolches erfordere, und es zu ſeinem Ver- gnuͤgen und Gefaͤlligkeit gereichen werde; es muß aber in beyden Faͤllen mit Demuth und reſpectueu- ſen Ehrerbietung geſchehen. Auſſer den beyden, in vorhergehenden angefuͤhrten Faͤllen, muͤſſen wir ent- weder den Befehl des Hoͤhern vorher erwarten, oder die Erlaubniß hiezu erſtlich ausbitten. §. 3. Wie offt wir an Hoͤhere, oder an unſers gleichen zu ſchreiben haben, beruhet ebenfalls von eines jeden Klugheit und Uberlegung, nachdem uns die Liebe und die Nothwendigkeit antreibt, nachdem wir Befehl oder Erlaubniß, Zeit und Gelegenheit dazu haben, und nachdem wir wiſſen, daß es dem andern gelegen, und von ihm wohl aufgenommen werden moͤchte, oder nicht. Eine Antwort ſind wir auf einem jeden Brief ſchuldig, der uns von jemand zugeſchrieben worden: iſt es von einem Hoͤhern ge- geſchehen, ſo erfordert ſolches die Unterthaͤnigkeit und X 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/343>, abgerufen am 22.11.2024.