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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. III. Capitul.
wenn sie vernünfftig und mäßig angebracht wer-
den, ebenfalls nicht zu verwerffen.

§. 20. Bey der Weise des Vortrages einer
Rede, muß ein Redner ebenfalls auf die Neigun-
gen und die Fähigkeit seiner Zuhörer seine Absicht
richten. Redet er bey Gelehrten, so kan der Stilus
schon oratorischer seyn, hat er viel gemeine Leute
um sich herum, z. E. eine gantze Bürgerschafft, vor
der bey einem gewissen Fall eine Rede abzulegen, so
muß er sich solcher Worte bedienen, die nach ihren
Begriffen eingerichtet seyn, damit sie bey seinem
Vortrage desto aufmercksamer seyn mögen, hat
er Hof-Leute oder vornehmes Frauenzimmer um
sich herum, so muß er sich eines fliessenden, deutli-
chen und angenehmen Vortrages bedienen, der
nicht aus gemeinen, sondern wohlausgesuchten
Redens-Arten, die weder zu niedrig noch zu hoch-
trabend sind, bestehet.

§. 21. Viel junge Redner, die eine zierliche Re-
de ausarbeiten wollen, und denen es doch hierbey
an der natürlichen Geschicklichkeit fehlet, nehmen
mehrentheils zu den Büchern ihre Zuflucht, zu ora-
tori
schen Schatz-Kammern und andern dergleichen
Schrifften, darinnen sie mancherley, damit sie ihre
Reden ausputzen wollen, beysammen antreffen, und
stoppeln allerhand Gleichnisse, Sinnbilder, man-
cherley Figuren, oratorische Wörter und Redens-
Arten zusammen. Sie haben aber von dieser ihrer
Bemühung schlechten Ruhm und Nutzen zu gewar-
ten. Sie werden nicht allein hiedurch von dem

eigenen

II. Theil. III. Capitul.
wenn ſie vernuͤnfftig und maͤßig angebracht wer-
den, ebenfalls nicht zu verwerffen.

§. 20. Bey der Weiſe des Vortrages einer
Rede, muß ein Redner ebenfalls auf die Neigun-
gen und die Faͤhigkeit ſeiner Zuhoͤrer ſeine Abſicht
richten. Redet er bey Gelehrten, ſo kan der Stilus
ſchon oratoriſcher ſeyn, hat er viel gemeine Leute
um ſich herum, z. E. eine gantze Buͤrgerſchafft, vor
der bey einem gewiſſen Fall eine Rede abzulegen, ſo
muß er ſich ſolcher Worte bedienen, die nach ihren
Begriffen eingerichtet ſeyn, damit ſie bey ſeinem
Vortrage deſto aufmerckſamer ſeyn moͤgen, hat
er Hof-Leute oder vornehmes Frauenzimmer um
ſich herum, ſo muß er ſich eines flieſſenden, deutli-
chen und angenehmen Vortrages bedienen, der
nicht aus gemeinen, ſondern wohlausgeſuchten
Redens-Arten, die weder zu niedrig noch zu hoch-
trabend ſind, beſtehet.

§. 21. Viel junge Redner, die eine zierliche Re-
de ausarbeiten wollen, und denen es doch hierbey
an der natuͤrlichen Geſchicklichkeit fehlet, nehmen
mehrentheils zu den Buͤchern ihre Zuflucht, zu ora-
tori
ſchen Schatz-Kammern und andern dergleichen
Schrifften, darinnen ſie mancherley, damit ſie ihre
Reden ausputzen wollen, beyſammen antreffen, und
ſtoppeln allerhand Gleichniſſe, Sinnbilder, man-
cherley Figuren, oratoriſche Woͤrter und Redens-
Arten zuſammen. Sie haben aber von dieſer ihrer
Bemuͤhung ſchlechten Ruhm und Nutzen zu gewar-
ten. Sie werden nicht allein hiedurch von dem

eigenen
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[318/0338] II. Theil. III. Capitul. wenn ſie vernuͤnfftig und maͤßig angebracht wer- den, ebenfalls nicht zu verwerffen. §. 20. Bey der Weiſe des Vortrages einer Rede, muß ein Redner ebenfalls auf die Neigun- gen und die Faͤhigkeit ſeiner Zuhoͤrer ſeine Abſicht richten. Redet er bey Gelehrten, ſo kan der Stilus ſchon oratoriſcher ſeyn, hat er viel gemeine Leute um ſich herum, z. E. eine gantze Buͤrgerſchafft, vor der bey einem gewiſſen Fall eine Rede abzulegen, ſo muß er ſich ſolcher Worte bedienen, die nach ihren Begriffen eingerichtet ſeyn, damit ſie bey ſeinem Vortrage deſto aufmerckſamer ſeyn moͤgen, hat er Hof-Leute oder vornehmes Frauenzimmer um ſich herum, ſo muß er ſich eines flieſſenden, deutli- chen und angenehmen Vortrages bedienen, der nicht aus gemeinen, ſondern wohlausgeſuchten Redens-Arten, die weder zu niedrig noch zu hoch- trabend ſind, beſtehet. §. 21. Viel junge Redner, die eine zierliche Re- de ausarbeiten wollen, und denen es doch hierbey an der natuͤrlichen Geſchicklichkeit fehlet, nehmen mehrentheils zu den Buͤchern ihre Zuflucht, zu ora- toriſchen Schatz-Kammern und andern dergleichen Schrifften, darinnen ſie mancherley, damit ſie ihre Reden ausputzen wollen, beyſammen antreffen, und ſtoppeln allerhand Gleichniſſe, Sinnbilder, man- cherley Figuren, oratoriſche Woͤrter und Redens- Arten zuſammen. Sie haben aber von dieſer ihrer Bemuͤhung ſchlechten Ruhm und Nutzen zu gewar- ten. Sie werden nicht allein hiedurch von dem eigenen

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/338>, abgerufen am 25.11.2024.