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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. II. Capitul.
ders ansiehet, und seiner Aufmercksamkeit kaum
würdiget, ein groß Werck zu machen. Abwesende
Personen zu loben, ist ebenfalls nicht allezeit rath-
sam. Gesetzt, daß sie das Lob, welches man ihnen
beylegt, gantz wohl verdienten, so weiß man doch
nicht, ob es denen, die es mit anhören, angenehm
zu hören sey, und ob man sich nicht vielmehr ihren
Unwillen darüber zuwege bringe.

§. 32. Hierbey muß ich auch noch erinnern,
daß einige junge Leute, die nicht gar weit in der
Welt gewesen und keine sonderliche Auferziehung
gehabt, ihren Eltern, bey deren Abwesenheit, allzu-
große Ehre anthun, da sie bey ihrer Erwehnung al-
lezeit, mein Herr Vater und meine Frau Mutter, zu
sagen pflegen. Manche dencken, sie handelten wi-
der die Religion und wider alle Christen-Pflichten,
wenn sie nicht dieselben auf diese Art beehren solten.
Reden sie von ihnen gegen ihres gleichen oder ge-
gen Geringere, so ist es noch eher zu entschuldigen.
Da sie aber in der Conversation mit denen Hö-
hern ihnen diese Ehren-Benennungen beylegen, so
machen sie sich hiedurch lächerlich. Sie thäten
besser, wenn sie nach dem Exempel der hohen Stan-
des-Personen, nur von ihrem Vater und Mutter
schlecht weg sprächen, und die übrigen Titulaturen
verspahrten, biß sie selbst bey ihren Eltern gegen-
wärtig wären.

§. 33. Endlich ist auch noch dieses vor eine sehr
heßliche Gewohnheit anzusehen, da einige den Ge-
brauch an sich haben, daß sie dem andern, entweder

wenn

II. Theil. II. Capitul.
ders anſiehet, und ſeiner Aufmerckſamkeit kaum
wuͤrdiget, ein groß Werck zu machen. Abweſende
Perſonen zu loben, iſt ebenfalls nicht allezeit rath-
ſam. Geſetzt, daß ſie das Lob, welches man ihnen
beylegt, gantz wohl verdienten, ſo weiß man doch
nicht, ob es denen, die es mit anhoͤren, angenehm
zu hoͤren ſey, und ob man ſich nicht vielmehr ihren
Unwillen daruͤber zuwege bringe.

§. 32. Hierbey muß ich auch noch erinnern,
daß einige junge Leute, die nicht gar weit in der
Welt geweſen und keine ſonderliche Auferziehung
gehabt, ihren Eltern, bey deren Abweſenheit, allzu-
große Ehre anthun, da ſie bey ihrer Erwehnung al-
lezeit, mein Herr Vater und meine Frau Mutter, zu
ſagen pflegen. Manche dencken, ſie handelten wi-
der die Religion und wider alle Chriſten-Pflichten,
wenn ſie nicht dieſelben auf dieſe Art beehren ſolten.
Reden ſie von ihnen gegen ihres gleichen oder ge-
gen Geringere, ſo iſt es noch eher zu entſchuldigen.
Da ſie aber in der Converſation mit denen Hoͤ-
hern ihnen dieſe Ehren-Benennungen beylegen, ſo
machen ſie ſich hiedurch laͤcherlich. Sie thaͤten
beſſer, wenn ſie nach dem Exempel der hohen Stan-
des-Perſonen, nur von ihrem Vater und Mutter
ſchlecht weg ſpraͤchen, und die uͤbrigen Titulaturen
verſpahrten, biß ſie ſelbſt bey ihren Eltern gegen-
waͤrtig waͤren.

§. 33. Endlich iſt auch noch dieſes vor eine ſehr
heßliche Gewohnheit anzuſehen, da einige den Ge-
brauch an ſich haben, daß ſie dem andern, entweder

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[300/0320] II. Theil. II. Capitul. ders anſiehet, und ſeiner Aufmerckſamkeit kaum wuͤrdiget, ein groß Werck zu machen. Abweſende Perſonen zu loben, iſt ebenfalls nicht allezeit rath- ſam. Geſetzt, daß ſie das Lob, welches man ihnen beylegt, gantz wohl verdienten, ſo weiß man doch nicht, ob es denen, die es mit anhoͤren, angenehm zu hoͤren ſey, und ob man ſich nicht vielmehr ihren Unwillen daruͤber zuwege bringe. §. 32. Hierbey muß ich auch noch erinnern, daß einige junge Leute, die nicht gar weit in der Welt geweſen und keine ſonderliche Auferziehung gehabt, ihren Eltern, bey deren Abweſenheit, allzu- große Ehre anthun, da ſie bey ihrer Erwehnung al- lezeit, mein Herr Vater und meine Frau Mutter, zu ſagen pflegen. Manche dencken, ſie handelten wi- der die Religion und wider alle Chriſten-Pflichten, wenn ſie nicht dieſelben auf dieſe Art beehren ſolten. Reden ſie von ihnen gegen ihres gleichen oder ge- gen Geringere, ſo iſt es noch eher zu entſchuldigen. Da ſie aber in der Converſation mit denen Hoͤ- hern ihnen dieſe Ehren-Benennungen beylegen, ſo machen ſie ſich hiedurch laͤcherlich. Sie thaͤten beſſer, wenn ſie nach dem Exempel der hohen Stan- des-Perſonen, nur von ihrem Vater und Mutter ſchlecht weg ſpraͤchen, und die uͤbrigen Titulaturen verſpahrten, biß ſie ſelbſt bey ihren Eltern gegen- waͤrtig waͤren. §. 33. Endlich iſt auch noch dieſes vor eine ſehr heßliche Gewohnheit anzuſehen, da einige den Ge- brauch an ſich haben, daß ſie dem andern, entweder wenn

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/320>, abgerufen am 22.11.2024.