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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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erweisen, und ihm mit Vernunfft und Bescheiden-
heit so lange widersprechen, als er spühret, daß es
dem Höhern gelegen seyn möchte, iedoch zu rechter
Zeit auch wieder abbrechen, und niemals den
Schein von sich geben, als ob man ihn eintriebe,
und in Bestreitung der Wahrheit besiegen wolle.

§. 10. Es geschicht auch wohl, daß die Höhern
einem jungen Menschen, oder auch einem andern,
eine Gewissens-Frage vorlegen, die GOttes Ehre
und der Seelen Seligkeit anbetrifft, und die Ent-
scheidung von ihm verlangen. Sie fragen biß-
weilen, ob diese oder jene Handlung, die sie doch
selbst öffters unternehmen, dem Worte GOttes
nach erlaubt, oder verboten sey. Die wenigsten
thun dieses aus einer Begierde, einen wahren Un-
terricht zu erlangen, und gemeiniglich wissen sie es
selbst vorher mehr als zu wohl, was recht oder un-
recht, sündlich oder nicht sündlich; sondern sie hegen
gantz andre Absichten darunter, sie wollen einem
Fallen stellen, wie man sich bey der Antwort auffüh-
ren werde, sie wollen probiren, ob man mehr
Furcht vor GOtt als vor Menschen habe, sie wollen
sehen ob man in dem Stande sey, etwas mit tüch-
tigen Gründen zu behaupten, ob man auch gehörige
Klugheit und Bescheidenheit besitze, es mit einer
guten Tour einzurichten. Bey diesem Fall hat
man Gelegenheit GOtt vor der Welt zu bekennen,
man muß die Feindschafft GOttes mehr scheuen,
als die Feindschafft der Welt, und wo es auf die
Ehre GOttes ankömmt, müssen die Hof-Streiche

und

Von der Converſation.
erweiſen, und ihm mit Vernunfft und Beſcheiden-
heit ſo lange widerſprechen, als er ſpuͤhret, daß es
dem Hoͤhern gelegen ſeyn moͤchte, iedoch zu rechter
Zeit auch wieder abbrechen, und niemals den
Schein von ſich geben, als ob man ihn eintriebe,
und in Beſtreitung der Wahrheit beſiegen wolle.

§. 10. Es geſchicht auch wohl, daß die Hoͤhern
einem jungen Menſchen, oder auch einem andern,
eine Gewiſſens-Frage vorlegen, die GOttes Ehre
und der Seelen Seligkeit anbetrifft, und die Ent-
ſcheidung von ihm verlangen. Sie fragen biß-
weilen, ob dieſe oder jene Handlung, die ſie doch
ſelbſt oͤffters unternehmen, dem Worte GOttes
nach erlaubt, oder verboten ſey. Die wenigſten
thun dieſes aus einer Begierde, einen wahren Un-
terricht zu erlangen, und gemeiniglich wiſſen ſie es
ſelbſt vorher mehr als zu wohl, was recht oder un-
recht, ſuͤndlich oder nicht ſuͤndlich; ſondern ſie hegen
gantz andre Abſichten darunter, ſie wollen einem
Fallen ſtellen, wie man ſich bey der Antwort auffuͤh-
ren werde, ſie wollen probiren, ob man mehr
Furcht vor GOtt als vor Menſchen habe, ſie wollen
ſehen ob man in dem Stande ſey, etwas mit tuͤch-
tigen Gruͤnden zu behaupten, ob man auch gehoͤrige
Klugheit und Beſcheidenheit beſitze, es mit einer
guten Tour einzurichten. Bey dieſem Fall hat
man Gelegenheit GOtt vor der Welt zu bekennen,
man muß die Feindſchafft GOttes mehr ſcheuen,
als die Feindſchafft der Welt, und wo es auf die
Ehre GOttes ankoͤmmt, muͤſſen die Hof-Streiche

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[285/0305] Von der Converſation. erweiſen, und ihm mit Vernunfft und Beſcheiden- heit ſo lange widerſprechen, als er ſpuͤhret, daß es dem Hoͤhern gelegen ſeyn moͤchte, iedoch zu rechter Zeit auch wieder abbrechen, und niemals den Schein von ſich geben, als ob man ihn eintriebe, und in Beſtreitung der Wahrheit beſiegen wolle. §. 10. Es geſchicht auch wohl, daß die Hoͤhern einem jungen Menſchen, oder auch einem andern, eine Gewiſſens-Frage vorlegen, die GOttes Ehre und der Seelen Seligkeit anbetrifft, und die Ent- ſcheidung von ihm verlangen. Sie fragen biß- weilen, ob dieſe oder jene Handlung, die ſie doch ſelbſt oͤffters unternehmen, dem Worte GOttes nach erlaubt, oder verboten ſey. Die wenigſten thun dieſes aus einer Begierde, einen wahren Un- terricht zu erlangen, und gemeiniglich wiſſen ſie es ſelbſt vorher mehr als zu wohl, was recht oder un- recht, ſuͤndlich oder nicht ſuͤndlich; ſondern ſie hegen gantz andre Abſichten darunter, ſie wollen einem Fallen ſtellen, wie man ſich bey der Antwort auffuͤh- ren werde, ſie wollen probiren, ob man mehr Furcht vor GOtt als vor Menſchen habe, ſie wollen ſehen ob man in dem Stande ſey, etwas mit tuͤch- tigen Gruͤnden zu behaupten, ob man auch gehoͤrige Klugheit und Beſcheidenheit beſitze, es mit einer guten Tour einzurichten. Bey dieſem Fall hat man Gelegenheit GOtt vor der Welt zu bekennen, man muß die Feindſchafft GOttes mehr ſcheuen, als die Feindſchafft der Welt, und wo es auf die Ehre GOttes ankoͤmmt, muͤſſen die Hof-Streiche und

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/305>, abgerufen am 22.11.2024.