einen Grund-Satz an, den sie mehr respectiren, als die Befehle GOttes. Sind sie bey fremden Re- ligions-Verwandten, so lassen sie sichs gesallen, mancherley äusserliche Ceremonien mitzumachen, die doch offtmahls beschwerlicher und mühsamer, als dieses Hände- aufheben, und wohl gar wider Gewissen, warum wollen sie denn bey dieser Cere- monie, dadurch man eine gewisse äusserliche Ehr- erbietung gegen GOtt an den Tag legen will, nicht so viel Betrachtung haben vor GOtt, als vor die Menschen. Wenn doch diejenigen, die den aller- höchsten Standes-Personen so gerne nachahmen, ihr Augenmerck, bey diesem Hände-aufheben, auf so viel gottselige und tugendhaffte Fürsten richten wolten, die vor ihrem GOtt bey dem Gebet ihre Hände aufheben, so wohl als ihre Bedienten, ade- lichen oder bürgerlichen Standes. Jch habe öff- ters gesehen, daß Fürstliche Personen, beyderley Geschlechts, zu der Zeit, da vor und nach Tische ge- betet worden, ihre Hände andächtig aufgehoben, da im gegentheil manche von ihren Hof-Bedienten dieses unterliessen, und sich davor besondere Airs gaben.
§. 19. Nachdem auch manche von unsern Fräu- leins und Demoiselles ihre Gottseligkeit nicht viel anders ausüben, als daß sie aus Gewohnheit in die Kirche und zum heiligen Abendmahl lauffen, ihren Morgen- und Abend-Seegen lesen, und ein Mor- gen- und Abend-Liedgen singen, so wäre wohl zu wünschen, daß sie alle zusammen dasjenige beobach-
ten
II. Theil. I. Capitul.
einen Grund-Satz an, den ſie mehr reſpectiren, als die Befehle GOttes. Sind ſie bey fremden Re- ligions-Verwandten, ſo laſſen ſie ſichs geſallen, mancherley aͤuſſerliche Ceremonien mitzumachen, die doch offtmahls beſchwerlicher und muͤhſamer, als dieſes Haͤnde- aufheben, und wohl gar wider Gewiſſen, warum wollen ſie denn bey dieſer Cere- monie, dadurch man eine gewiſſe aͤuſſerliche Ehr- erbietung gegen GOtt an den Tag legen will, nicht ſo viel Betrachtung haben vor GOtt, als vor die Menſchen. Wenn doch diejenigen, die den aller- hoͤchſten Standes-Perſonen ſo gerne nachahmen, ihr Augenmerck, bey dieſem Haͤnde-aufheben, auf ſo viel gottſelige und tugendhaffte Fuͤrſten richten wolten, die vor ihrem GOtt bey dem Gebet ihre Haͤnde aufheben, ſo wohl als ihre Bedienten, ade- lichen oder buͤrgerlichen Standes. Jch habe oͤff- ters geſehen, daß Fuͤrſtliche Perſonen, beyderley Geſchlechts, zu der Zeit, da vor und nach Tiſche ge- betet worden, ihre Haͤnde andaͤchtig aufgehoben, da im gegentheil manche von ihren Hof-Bedienten dieſes unterlieſſen, und ſich davor beſondere Airs gaben.
§. 19. Nachdem auch manche von unſern Fraͤu- leins und Demoiſelles ihre Gottſeligkeit nicht viel anders ausuͤben, als daß ſie aus Gewohnheit in die Kirche und zum heiligen Abendmahl lauffen, ihren Morgen- und Abend-Seegen leſen, und ein Mor- gen- und Abend-Liedgen ſingen, ſo waͤre wohl zu wuͤnſchen, daß ſie alle zuſammen dasjenige beobach-
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II. Theil. I. Capitul.
einen Grund-Satz an, den ſie mehr reſpectiren, als
die Befehle GOttes. Sind ſie bey fremden Re-
ligions-Verwandten, ſo laſſen ſie ſichs geſallen,
mancherley aͤuſſerliche Ceremonien mitzumachen,
die doch offtmahls beſchwerlicher und muͤhſamer,
als dieſes Haͤnde- aufheben, und wohl gar wider
Gewiſſen, warum wollen ſie denn bey dieſer Cere-
monie, dadurch man eine gewiſſe aͤuſſerliche Ehr-
erbietung gegen GOtt an den Tag legen will, nicht
ſo viel Betrachtung haben vor GOtt, als vor die
Menſchen. Wenn doch diejenigen, die den aller-
hoͤchſten Standes-Perſonen ſo gerne nachahmen,
ihr Augenmerck, bey dieſem Haͤnde-aufheben, auf
ſo viel gottſelige und tugendhaffte Fuͤrſten richten
wolten, die vor ihrem GOtt bey dem Gebet ihre
Haͤnde aufheben, ſo wohl als ihre Bedienten, ade-
lichen oder buͤrgerlichen Standes. Jch habe oͤff-
ters geſehen, daß Fuͤrſtliche Perſonen, beyderley
Geſchlechts, zu der Zeit, da vor und nach Tiſche ge-
betet worden, ihre Haͤnde andaͤchtig aufgehoben,
da im gegentheil manche von ihren Hof-Bedienten
dieſes unterlieſſen, und ſich davor beſondere Airs
gaben.
§. 19. Nachdem auch manche von unſern Fraͤu-
leins und Demoiſelles ihre Gottſeligkeit nicht viel
anders ausuͤben, als daß ſie aus Gewohnheit in die
Kirche und zum heiligen Abendmahl lauffen, ihren
Morgen- und Abend-Seegen leſen, und ein Mor-
gen- und Abend-Liedgen ſingen, ſo waͤre wohl zu
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/286>, abgerufen am 16.02.2025.
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