halten, in der Nähe sind, so unterlassen sie ihre Hauß-Andacht mit Singen, Beten und Lesen, und da sie dieselbe gleich fortsetzen, so thun sie es mit so leiser Stimme, und glelchsam auf eine verstohlne Weise, als ob sie über einer schändlichen Handlung begriffen wären. Erlangen sie in ihren Häusern gar den Besuch von solchen Leuten, die GOttes und der Religion spotten, und an deren Gnade ihnen doch viel gelegen so legen sie die Bibel, die Gesang- Bücher und andere gottselige Schrifften von sich und verstecken sie. Dergleichen Christen, die sich vor den Leuten ihres HErrn und Heylandes schä- men, und ihn nicht bekennen wollen vor den Men- schen, sind billich vor solche laue Christen zu achten, die weder kalt noch warm sind, und aus dem Mun- de des grossen GOttes werden ausgespyen werden. Es ist allerdings vor ein pharisäisch Wesen anzuse- hen, wenn einige ihre Hauß-Andacht so einrichten, damit sie nur von andern vor gute Christen gehalten werden, und bey ihrem Beten und Singen so schreyen, als ob GOtt taub wäre, und daß man es auf vielen Gassen hören kan; es ist aber auch eine Frucht einer sündlichen Menschen-Furcht, oder eine Begierde, sich der Welt gefällig zu erweisen, wenn man das Beten und Singen entweder gantz unter- lässet, oder es doch mit so heimlicher Stimme ver- richten will, als ob es eine Sache wäre, dessen man sich Ursache hätte zu schämen.
§. 18. Es ist mehr als zu bekandt, wie einige von den Hof-Leuten, Officiers, Cavaliers, auch de-
nen
II. Theil. I. Capitul.
halten, in der Naͤhe ſind, ſo unterlaſſen ſie ihre Hauß-Andacht mit Singen, Beten und Leſen, und da ſie dieſelbe gleich fortſetzen, ſo thun ſie es mit ſo leiſer Stimme, und glelchſam auf eine verſtohlne Weiſe, als ob ſie uͤber einer ſchaͤndlichen Handlung begriffen waͤren. Erlangen ſie in ihren Haͤuſern gar den Beſuch von ſolchen Leuten, die GOttes und der Religion ſpotten, und an deren Gnade ihnen doch viel gelegen ſo legen ſie die Bibel, die Geſang- Buͤcher und andere gottſelige Schrifften von ſich und verſtecken ſie. Dergleichen Chriſten, die ſich vor den Leuten ihres HErrn und Heylandes ſchaͤ- men, und ihn nicht bekennen wollen vor den Men- ſchen, ſind billich vor ſolche laue Chriſten zu achten, die weder kalt noch warm ſind, und aus dem Mun- de des groſſen GOttes werden ausgeſpyen werden. Es iſt allerdings vor ein phariſaͤiſch Weſen anzuſe- hen, wenn einige ihre Hauß-Andacht ſo einrichten, damit ſie nur von andern vor gute Chriſten gehalten werden, und bey ihrem Beten und Singen ſo ſchreyen, als ob GOtt taub waͤre, und daß man es auf vielen Gaſſen hoͤren kan; es iſt aber auch eine Frucht einer ſuͤndlichen Menſchen-Furcht, oder eine Begierde, ſich der Welt gefaͤllig zu erweiſen, wenn man das Beten und Singen entweder gantz unter- laͤſſet, oder es doch mit ſo heimlicher Stimme ver- richten will, als ob es eine Sache waͤre, deſſen man ſich Urſache haͤtte zu ſchaͤmen.
§. 18. Es iſt mehr als zu bekandt, wie einige von den Hof-Leuten, Officiers, Cavaliers, auch de-
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II. Theil. I. Capitul.
halten, in der Naͤhe ſind, ſo unterlaſſen ſie ihre
Hauß-Andacht mit Singen, Beten und Leſen, und
da ſie dieſelbe gleich fortſetzen, ſo thun ſie es mit ſo
leiſer Stimme, und glelchſam auf eine verſtohlne
Weiſe, als ob ſie uͤber einer ſchaͤndlichen Handlung
begriffen waͤren. Erlangen ſie in ihren Haͤuſern
gar den Beſuch von ſolchen Leuten, die GOttes und
der Religion ſpotten, und an deren Gnade ihnen
doch viel gelegen ſo legen ſie die Bibel, die Geſang-
Buͤcher und andere gottſelige Schrifften von ſich
und verſtecken ſie. Dergleichen Chriſten, die ſich
vor den Leuten ihres HErrn und Heylandes ſchaͤ-
men, und ihn nicht bekennen wollen vor den Men-
ſchen, ſind billich vor ſolche laue Chriſten zu achten,
die weder kalt noch warm ſind, und aus dem Mun-
de des groſſen GOttes werden ausgeſpyen werden.
Es iſt allerdings vor ein phariſaͤiſch Weſen anzuſe-
hen, wenn einige ihre Hauß-Andacht ſo einrichten,
damit ſie nur von andern vor gute Chriſten gehalten
werden, und bey ihrem Beten und Singen ſo
ſchreyen, als ob GOtt taub waͤre, und daß man es
auf vielen Gaſſen hoͤren kan; es iſt aber auch eine
Frucht einer ſuͤndlichen Menſchen-Furcht, oder eine
Begierde, ſich der Welt gefaͤllig zu erweiſen, wenn
man das Beten und Singen entweder gantz unter-
laͤſſet, oder es doch mit ſo heimlicher Stimme ver-
richten will, als ob es eine Sache waͤre, deſſen man
ſich Urſache haͤtte zu ſchaͤmen.
§. 18. Es iſt mehr als zu bekandt, wie einige
von den Hof-Leuten, Officiers, Cavaliers, auch de-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/284>, abgerufen am 20.07.2024.
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