worden, ist leider das meiste zum Ceremonien- Werck geworden; Dieses ist zwar schlimm und elend gnug, noch schlimmer aber ists, daß auch manche nicht elnmahl das äußerliche, so hierbey in Acht zu nehmen, beobachten, und GOtt zu Ehren, und ihrer hohen Landes-Herrschafft zu unterthä- nigsten Gehorsam an ihren gewöhnlichen Essen und Trincken sich nicht etwas abbrechen wollen. Bey großen Solennitäten an Höfen und in der Stadt, da sich die prächtigen angestelten Mahl- zeiten biß auf dem Abend verspätigen können, viele von der galanten Welt ohne große Beschwerlich- keit biß dahin fasten, und ihren Appetit verspah- ren. An den Fast-Tägen hingegen will es ih- nen unmöglich fallen; sie nehmen nicht allein als- denn ihre gewöhnlichen Mahlzeiten ein, sondern auch noch wohl ein viel mehrers, als die andern Tage; manche machen sich ein besonder point d' honeur draus, wenn sie von sich sagen, daß sie an den Fast-Tägen brav gefressen und gesoffen hät- ten. Jn andern Fällen berufft sich die Welt ins- gemein auf den Befehl der Herrschafften und der hohen Landes-Obrigkeit, und ziehen denselben GOtt und seiner Ehre vor, doch hierinne widerstreben sie ihrem Befehl; daß schwehren, krancken, matten und elenden Leuten auch an diesen Fast-Tägen er- laubet, etwas von Speise zu ihrer Stärcke des Mittages zu sich zu nehmen, findet man wohl in den Buß-Tages-Ordnungen, daß aber in Ansehung der Reichen, vornehmen und ansehnlichen, wenn sie
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Vom Gottesdienſt.
worden, iſt leider das meiſte zum Ceremonien- Werck geworden; Dieſes iſt zwar ſchlimm und elend gnug, noch ſchlimmer aber iſts, daß auch manche nicht elnmahl das aͤußerliche, ſo hierbey in Acht zu nehmen, beobachten, und GOtt zu Ehren, und ihrer hohen Landes-Herrſchafft zu unterthaͤ- nigſten Gehorſam an ihren gewoͤhnlichen Eſſen und Trincken ſich nicht etwas abbrechen wollen. Bey großen Solennitaͤten an Hoͤfen und in der Stadt, da ſich die praͤchtigen angeſtelten Mahl- zeiten biß auf dem Abend verſpaͤtigen koͤnnen, viele von der galanten Welt ohne große Beſchwerlich- keit biß dahin faſten, und ihren Appetit verſpah- ren. An den Faſt-Taͤgen hingegen will es ih- nen unmoͤglich fallen; ſie nehmen nicht allein als- denn ihre gewoͤhnlichen Mahlzeiten ein, ſondern auch noch wohl ein viel mehrers, als die andern Tage; manche machen ſich ein beſonder point d’ honeur draus, wenn ſie von ſich ſagen, daß ſie an den Faſt-Taͤgen brav gefreſſen und geſoffen haͤt- ten. Jn andern Faͤllen berufft ſich die Welt ins- gemein auf den Befehl der Herrſchafften und der hohen Landes-Obrigkeit, und ziehen denſelben GOtt und ſeiner Ehre vor, doch hieriñe widerſtreben ſie ihrem Befehl; daß ſchwehren, krancken, matten und elenden Leuten auch an dieſen Faſt-Taͤgen er- laubet, etwas von Speiſe zu ihrer Staͤrcke des Mittages zu ſich zu nehmen, findet man wohl in den Buß-Tages-Ordnungen, daß aber in Anſehung der Reichen, vornehmen und anſehnlichen, wenn ſie
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Vom Gottesdienſt.
worden, iſt leider das meiſte zum Ceremonien-
Werck geworden; Dieſes iſt zwar ſchlimm und
elend gnug, noch ſchlimmer aber iſts, daß auch
manche nicht elnmahl das aͤußerliche, ſo hierbey in
Acht zu nehmen, beobachten, und GOtt zu Ehren,
und ihrer hohen Landes-Herrſchafft zu unterthaͤ-
nigſten Gehorſam an ihren gewoͤhnlichen Eſſen
und Trincken ſich nicht etwas abbrechen wollen.
Bey großen Solennitaͤten an Hoͤfen und in der
Stadt, da ſich die praͤchtigen angeſtelten Mahl-
zeiten biß auf dem Abend verſpaͤtigen koͤnnen, viele
von der galanten Welt ohne große Beſchwerlich-
keit biß dahin faſten, und ihren Appetit verſpah-
ren. An den Faſt-Taͤgen hingegen will es ih-
nen unmoͤglich fallen; ſie nehmen nicht allein als-
denn ihre gewoͤhnlichen Mahlzeiten ein, ſondern
auch noch wohl ein viel mehrers, als die andern
Tage; manche machen ſich ein beſonder point d’
honeur draus, wenn ſie von ſich ſagen, daß ſie an
den Faſt-Taͤgen brav gefreſſen und geſoffen haͤt-
ten. Jn andern Faͤllen berufft ſich die Welt ins-
gemein auf den Befehl der Herrſchafften und der
hohen Landes-Obrigkeit, und ziehen denſelben
GOtt und ſeiner Ehre vor, doch hieriñe widerſtreben
ſie ihrem Befehl; daß ſchwehren, krancken, matten
und elenden Leuten auch an dieſen Faſt-Taͤgen er-
laubet, etwas von Speiſe zu ihrer Staͤrcke des
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/281>, abgerufen am 20.07.2024.
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