Leute an Höfen finde, ist zu allen Zeiten wahr ge- wesen, und bezeuget es Guevarra zu seiner Zeit in seiner Beschreibung des Hof- und Land-Lebens, p. 73. wenn er schreibt: Nach Hofe begeben sich vieler großer Herren Söhne, welchen besser wäre, hinter dem Ofen zu sitzen, als sich in Fürstliche Dienste zu begeben, denn sie sind entweder grob, unerfahren und unhöflich, oder sie halten sich nicht sauber in Kleidung, sind abgeschmackt und läppisch in ihren Discoursen, verdrießlich in der Com- pagnie, essen wie die Bauern, sind unhöflich gegen das Frauenzimmer, und lassen in allen ihrem Thun und Lassen den Tölpel sehen.
§. 9. Sein vornehmstes Studium läst er seyn, den Humeur seiner Herrschafft auszuforschen, ihre Neigungen kennen zu lernen, und sich in allen seinen Worten und Handlungen, so weit es dem Gewissen nicht zuwider, seiner Herrschafft gefällig zu erwei- sen. Er läst sich im geringsten nicht mercken, daß er an ihren Geheimnissen Theil haben wolle, im- maßen viele darinnen ihren Untergang gefunden, daß sie sich zu Vertrauten haben gebrauchen lassen. Gracian sagt in seinem Hof-Mann in der 237. Maxime: Viele schmeißen die Spiegel in Stü- cken, dessen Anschauen sie ihrer Höfligkeit erinnert. Ein Printz kan denjenigen nicht wohl vor Augen se- hen, der ihm so genau hat ansehen können, und nie- mand kan denjenigen, von dem er weiß, daß er et- was Böses von ihm gesehen, mit gleichen Augen ansehen.
§. 10.
P 3
Von dem Hof-Leben.
Leute an Hoͤfen finde, iſt zu allen Zeiten wahr ge- weſen, und bezeuget es Guevarra zu ſeiner Zeit in ſeiner Beſchreibung des Hof- und Land-Lebens, p. 73. wenn er ſchreibt: Nach Hofe begeben ſich vieler großer Herren Soͤhne, welchen beſſer waͤre, hinter dem Ofen zu ſitzen, als ſich in Fuͤrſtliche Dienſte zu begeben, denn ſie ſind entweder grob, unerfahren und unhoͤflich, oder ſie halten ſich nicht ſauber in Kleidung, ſind abgeſchmackt und laͤppiſch in ihren Diſcourſen, verdrießlich in der Com- pagnie, eſſen wie die Bauern, ſind unhoͤflich gegen das Frauenzimmer, und laſſen in allen ihrem Thun und Laſſen den Toͤlpel ſehen.
§. 9. Sein vornehmſtes Studium laͤſt er ſeyn, den Humeur ſeiner Herrſchafft auszuforſchen, ihre Neigungen kennen zu lernen, und ſich in allen ſeinen Worten und Handlungen, ſo weit es dem Gewiſſen nicht zuwider, ſeiner Herrſchafft gefaͤllig zu erwei- ſen. Er laͤſt ſich im geringſten nicht mercken, daß er an ihren Geheimniſſen Theil haben wolle, im- maßen viele darinnen ihren Untergang gefunden, daß ſie ſich zu Vertrauten haben gebrauchen laſſen. Gracian ſagt in ſeinem Hof-Mann in der 237. Maxime: Viele ſchmeißen die Spiegel in Stuͤ- cken, deſſen Anſchauen ſie ihrer Hoͤfligkeit erinnert. Ein Printz kan denjenigen nicht wohl vor Augen ſe- hen, der ihm ſo genau hat anſehen koͤnnen, und nie- mand kan denjenigen, von dem er weiß, daß er et- was Boͤſes von ihm geſehen, mit gleichen Augen anſehen.
§. 10.
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Von dem Hof-Leben.
Leute an Hoͤfen finde, iſt zu allen Zeiten wahr ge-
weſen, und bezeuget es Guevarra zu ſeiner Zeit in
ſeiner Beſchreibung des Hof- und Land-Lebens,
p. 73. wenn er ſchreibt: Nach Hofe begeben ſich
vieler großer Herren Soͤhne, welchen beſſer waͤre,
hinter dem Ofen zu ſitzen, als ſich in Fuͤrſtliche
Dienſte zu begeben, denn ſie ſind entweder grob,
unerfahren und unhoͤflich, oder ſie halten ſich nicht
ſauber in Kleidung, ſind abgeſchmackt und laͤppiſch
in ihren Diſcourſen, verdrießlich in der Com-
pagnie, eſſen wie die Bauern, ſind unhoͤflich gegen
das Frauenzimmer, und laſſen in allen ihrem Thun
und Laſſen den Toͤlpel ſehen.
§. 9. Sein vornehmſtes Studium laͤſt er ſeyn,
den Humeur ſeiner Herrſchafft auszuforſchen, ihre
Neigungen kennen zu lernen, und ſich in allen ſeinen
Worten und Handlungen, ſo weit es dem Gewiſſen
nicht zuwider, ſeiner Herrſchafft gefaͤllig zu erwei-
ſen. Er laͤſt ſich im geringſten nicht mercken, daß
er an ihren Geheimniſſen Theil haben wolle, im-
maßen viele darinnen ihren Untergang gefunden,
daß ſie ſich zu Vertrauten haben gebrauchen laſſen.
Gracian ſagt in ſeinem Hof-Mann in der 237.
Maxime: Viele ſchmeißen die Spiegel in Stuͤ-
cken, deſſen Anſchauen ſie ihrer Hoͤfligkeit erinnert.
Ein Printz kan denjenigen nicht wohl vor Augen ſe-
hen, der ihm ſo genau hat anſehen koͤnnen, und nie-
mand kan denjenigen, von dem er weiß, daß er et-
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§. 10.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/249>, abgerufen am 24.11.2024.
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