ciren; jedoch muß er eine solche Tour nicht eher unternehmen, biß er sich geprüfet, ob er auch die nö- thigen Qualitaeten besitze, sich mit Ehre zu zeigen, und daselbst zu mainteniren maßen die meisten Hö- fe, eine solche hohe Schule, bey der gescheite Leute noch klüger und politer, die einfältigen und un- verständigen aber noch viel thörichter werden kön- nen, als zuvor.
§. 2. Einige rathen, man solte erst kleine Höfe besehen, ehe man die großen besuchen wollte, an jenen könte man die Hof-Manieren nach und nach lernen, und sich hernach mit desto größerer Reputa- tion an den großen aufhalten, da hingegen die Aufführung an einem großen Hofe weit behutsa- mer und accurater eingerichtet werden müste. Ob nun zwar diese Meynung eben nicht so gar un- gegründet, so glaub ich doch, daß ein junger Cava- lier besser thut, wenn er sich zuerst an große Höfe begiebt, ich setze aber hiehey dasjenige, was ich in vorhergehenden §. angeführt, zum Grunde. An einem großen Hofe werden die Fehler eines jungen Menschen fast noch mehr verdeckt als an einem klei- nen; Man macht sich daselbst viel weniger draus, man ist mancherley Fehler der jungen Leute viel eher gewohnt, man nimmt sie unter der großen Menge der Leute weniger wahr, man entschuldiget sie eher; wenn aber ein Fremder an einem kleinen Hofe seine Person auf den Schau-Platz stellt, und weiß sie nicht wohl zu spielen, so unterwirfft er sich tausender- ley spöttischen Urtheln. Uberdieses hat ein junger Ca-
valier
I. Theil. VII. Capitul.
ciren; jedoch muß er eine ſolche Tour nicht eher unternehmen, biß er ſich gepruͤfet, ob er auch die noͤ- thigen Qualitæten beſitze, ſich mit Ehre zu zeigen, und daſelbſt zu mainteniren maßen die meiſten Hoͤ- fe, eine ſolche hohe Schule, bey der geſcheite Leute noch kluͤger und politer, die einfaͤltigen und un- verſtaͤndigen aber noch viel thoͤrichter werden koͤn- nen, als zuvor.
§. 2. Einige rathen, man ſolte erſt kleine Hoͤfe beſehen, ehe man die großen beſuchen wollte, an jenen koͤnte man die Hof-Manieren nach und nach lernen, und ſich hernach mit deſto groͤßerer Reputa- tion an den großen aufhalten, da hingegen die Auffuͤhrung an einem großen Hofe weit behutſa- mer und accurater eingerichtet werden muͤſte. Ob nun zwar dieſe Meynung eben nicht ſo gar un- gegruͤndet, ſo glaub ich doch, daß ein junger Cava- lier beſſer thut, wenn er ſich zuerſt an große Hoͤfe begiebt, ich ſetze aber hiehey dasjenige, was ich in vorhergehenden §. angefuͤhrt, zum Grunde. An einem großen Hofe werden die Fehler eines jungen Menſchen faſt noch mehr verdeckt als an einem klei- nen; Man macht ſich daſelbſt viel weniger draus, man iſt mancherley Fehler der jungen Leute viel eher gewohnt, man nimmt ſie unter der großen Menge der Leute weniger wahr, man entſchuldiget ſie eher; wenn aber ein Fremder an einem kleinen Hofe ſeine Perſon auf den Schau-Platz ſtellt, und weiß ſie nicht wohl zu ſpielen, ſo unterwirfft er ſich tauſender- ley ſpoͤttiſchen Urtheln. Uberdieſes hat ein junger Ca-
valier
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I. Theil. VII. Capitul.
ciren; jedoch muß er eine ſolche Tour nicht eher
unternehmen, biß er ſich gepruͤfet, ob er auch die noͤ-
thigen Qualitæten beſitze, ſich mit Ehre zu zeigen,
und daſelbſt zu mainteniren maßen die meiſten Hoͤ-
fe, eine ſolche hohe Schule, bey der geſcheite Leute
noch kluͤger und politer, die einfaͤltigen und un-
verſtaͤndigen aber noch viel thoͤrichter werden koͤn-
nen, als zuvor.
§. 2. Einige rathen, man ſolte erſt kleine Hoͤfe
beſehen, ehe man die großen beſuchen wollte, an
jenen koͤnte man die Hof-Manieren nach und nach
lernen, und ſich hernach mit deſto groͤßerer Reputa-
tion an den großen aufhalten, da hingegen die
Auffuͤhrung an einem großen Hofe weit behutſa-
mer und accurater eingerichtet werden muͤſte.
Ob nun zwar dieſe Meynung eben nicht ſo gar un-
gegruͤndet, ſo glaub ich doch, daß ein junger Cava-
lier beſſer thut, wenn er ſich zuerſt an große Hoͤfe
begiebt, ich ſetze aber hiehey dasjenige, was ich in
vorhergehenden §. angefuͤhrt, zum Grunde. An
einem großen Hofe werden die Fehler eines jungen
Menſchen faſt noch mehr verdeckt als an einem klei-
nen; Man macht ſich daſelbſt viel weniger draus,
man iſt mancherley Fehler der jungen Leute viel eher
gewohnt, man nimmt ſie unter der großen Menge
der Leute weniger wahr, man entſchuldiget ſie eher;
wenn aber ein Fremder an einem kleinen Hofe ſeine
Perſon auf den Schau-Platz ſtellt, und weiß ſie
nicht wohl zu ſpielen, ſo unterwirfft er ſich tauſender-
ley ſpoͤttiſchen Urtheln. Uberdieſes hat ein junger Ca-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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