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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. VI. Capitul.
gantzen Gesicht ein lieblich Ansehen zu Wege
bringen. Doch dieses gehet uns nichts an, wir wol-
len uns jetzund um etwas anders bekümmern. Hat
ein junger Cavalier die Gnade und Ehre, daß ihm
eine hohe Standes-Person, eine vornehme Dame,
oder sonst ein großer Minister, der Anrede würdiget,
oder er hat Erlaubniß, sie anzureden, so muß er nicht
aus Blödigkeit, wie einige zu thun pflegen, die Au-
gen auf die Erde schlagen, sondern sie getrost an-
sehen, jedoch mit keiner frechen, sondern bescheide-
nen Geberde. Das Niederschlagen der Augen auf
die Erde, zeiget eine gar schlechte Aufferziehung an,
und wird vor das Merckmahl eines tückischen und
heuchlerischen, oder doch eines furchtsamen Men-
schen gehalten. Einige von den jungen Leuten
sind allzuscheu in dem Umgange mit der großen
Welt, ob es schon ihnen nicht eben an Qualitaeten
fehlt, die zu diesem Umgange nöthig sind. Der
Herr Hof-Rath Nemritz meldet von einem solchen
in seinem Sejour de Paris p. 22. den er Geronte
nennt. Er sagt: der Wohlstand erfordert, daß
Geronte zuweilen bey vornehmen Leuten seine
Aufwartung machen muß. Allein, er solte, ich
weiß nicht was drum geben, daß er davon möchte
dispensirt seyn. Das Hertz im Leibe klopfft ihm,
wenn er nur in die Antichambre kommt, da ihm
doch diese Herren wegen seiner Aufführung al-
lemahl mit der grösten Höfligkeit und Wohlwollen
begegnen.

§. 18. Wider den Wohlstand ist es auch, wenn

einige

I. Theil. VI. Capitul.
gantzen Geſicht ein lieblich Anſehen zu Wege
bringen. Doch dieſes gehet uns nichts an, wir wol-
len uns jetzund um etwas anders bekuͤmmern. Hat
ein junger Cavalier die Gnade und Ehre, daß ihm
eine hohe Standes-Perſon, eine vornehme Dame,
oder ſonſt ein großer Miniſter, der Anrede wuͤrdiget,
oder er hat Erlaubniß, ſie anzureden, ſo muß er nicht
aus Bloͤdigkeit, wie einige zu thun pflegen, die Au-
gen auf die Erde ſchlagen, ſondern ſie getroſt an-
ſehen, jedoch mit keiner frechen, ſondern beſcheide-
nen Geberde. Das Niederſchlagen der Augen auf
die Erde, zeiget eine gar ſchlechte Aufferziehung an,
und wird vor das Merckmahl eines tuͤckiſchen und
heuchleriſchen, oder doch eines furchtſamen Men-
ſchen gehalten. Einige von den jungen Leuten
ſind allzuſcheu in dem Umgange mit der großen
Welt, ob es ſchon ihnen nicht eben an Qualitæten
fehlt, die zu dieſem Umgange noͤthig ſind. Der
Herr Hof-Rath Nemritz meldet von einem ſolchen
in ſeinem Sejour de Paris p. 22. den er Geronte
nennt. Er ſagt: der Wohlſtand erfordert, daß
Geronte zuweilen bey vornehmen Leuten ſeine
Aufwartung machen muß. Allein, er ſolte, ich
weiß nicht was drum geben, daß er davon moͤchte
diſpenſirt ſeyn. Das Hertz im Leibe klopfft ihm,
wenn er nur in die Antichambre kommt, da ihm
doch dieſe Herren wegen ſeiner Auffuͤhrung al-
lemahl mit der groͤſten Hoͤfligkeit und Wohlwollen
begegnen.

§. 18. Wider den Wohlſtand iſt es auch, wenn

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[192/0212] I. Theil. VI. Capitul. gantzen Geſicht ein lieblich Anſehen zu Wege bringen. Doch dieſes gehet uns nichts an, wir wol- len uns jetzund um etwas anders bekuͤmmern. Hat ein junger Cavalier die Gnade und Ehre, daß ihm eine hohe Standes-Perſon, eine vornehme Dame, oder ſonſt ein großer Miniſter, der Anrede wuͤrdiget, oder er hat Erlaubniß, ſie anzureden, ſo muß er nicht aus Bloͤdigkeit, wie einige zu thun pflegen, die Au- gen auf die Erde ſchlagen, ſondern ſie getroſt an- ſehen, jedoch mit keiner frechen, ſondern beſcheide- nen Geberde. Das Niederſchlagen der Augen auf die Erde, zeiget eine gar ſchlechte Aufferziehung an, und wird vor das Merckmahl eines tuͤckiſchen und heuchleriſchen, oder doch eines furchtſamen Men- ſchen gehalten. Einige von den jungen Leuten ſind allzuſcheu in dem Umgange mit der großen Welt, ob es ſchon ihnen nicht eben an Qualitæten fehlt, die zu dieſem Umgange noͤthig ſind. Der Herr Hof-Rath Nemritz meldet von einem ſolchen in ſeinem Sejour de Paris p. 22. den er Geronte nennt. Er ſagt: der Wohlſtand erfordert, daß Geronte zuweilen bey vornehmen Leuten ſeine Aufwartung machen muß. Allein, er ſolte, ich weiß nicht was drum geben, daß er davon moͤchte diſpenſirt ſeyn. Das Hertz im Leibe klopfft ihm, wenn er nur in die Antichambre kommt, da ihm doch dieſe Herren wegen ſeiner Auffuͤhrung al- lemahl mit der groͤſten Hoͤfligkeit und Wohlwollen begegnen. §. 18. Wider den Wohlſtand iſt es auch, wenn einige

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/212>, abgerufen am 22.11.2024.