§. 27. Diese weitläufftigen Redner, welche zur Unzeit und mit Unverstand complimentiren, heist man mit gutem Fug importun. Den Character eines solchen Menschen, wie er sich in allen Stücken zugleich praesentirt, hat der seelige Christian Weise, ehmahliger Rector zu Zittau, in seiner so geuandten Complimentir-Comoedia sehr artig abgemahlt, da er einen Schuster, mit Nahmen Habacuc, an- führt, welcher vielfältig und ängstlich sollicitirt, bey einer Standes-Person, die eben kranck zu Bette liegt, und bißher bey ihm arbeiten lassen, vorgelassen zu werden, und da er endlich vorgelassen wird, in einer weitläufftigen und unordentlichen Rede, in in welcher importune Leute ihr Ebenbild gleich als in einem Spiegel betrachten können, die Gewalt des krancken Cavaliers exercirt. S. die hieher ge- hörige Anmerckungen in der II. Centurie von Gracians l'homme de Cour nach D. Müllers Edition p. 37. und 36.
§. 28. Bey manchen Umständen, da viele ande- re, bey eben der Person etwas vorzutragen oder dergleichen Compliment abzustatten haben, leh- ret einem die gesunde Vernunfft von selbst, oder vielmehr die Noth, daß man kurtz reden muß; es würde demnach höchst verdrießlich und thöricht seyn, wenn man bey einem großen Minister etwas anzubringen hätte, der binnen der Zeit von einer Stunde, da er noch in seinem Gemach bliebe, 6. 8. biß 10. Personen Audienz geben wolte, und man nähme sich vor, zu der Zeit in einer langen Oration
zu
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Von Complimens.
§. 27. Dieſe weitlaͤufftigen Redner, welche zur Unzeit und mit Unverſtand complimentiren, heiſt man mit gutem Fug importun. Den Character eines ſolchen Menſchen, wie er ſich in allen Stuͤcken zugleich præſentirt, hat der ſeelige Chriſtian Weiſe, ehmahliger Rector zu Zittau, in ſeiner ſo geuandten Complimentir-Comœdia ſehr artig abgemahlt, da er einen Schuſter, mit Nahmen Habacuc, an- fuͤhrt, welcher vielfaͤltig und aͤngſtlich ſollicitirt, bey einer Standes-Perſon, die eben kranck zu Bette liegt, und bißher bey ihm arbeiten laſſen, vorgelaſſen zu werden, und da er endlich vorgelaſſen wird, in einer weitlaͤufftigen und unordentlichen Rede, in in welcher importune Leute ihr Ebenbild gleich als in einem Spiegel betrachten koͤnnen, die Gewalt des krancken Cavaliers exercirt. S. die hieher ge- hoͤrige Anmerckungen in der II. Centurie von Gracians l’homme de Cour nach D. Muͤllers Edition p. 37. und 36.
§. 28. Bey manchen Umſtaͤnden, da viele ande- re, bey eben der Perſon etwas vorzutragen oder dergleichen Compliment abzuſtatten haben, leh- ret einem die geſunde Vernunfft von ſelbſt, oder vielmehr die Noth, daß man kurtz reden muß; es wuͤrde demnach hoͤchſt verdrießlich und thoͤricht ſeyn, wenn man bey einem großen Miniſter etwas anzubringen haͤtte, der binnen der Zeit von einer Stunde, da er noch in ſeinem Gemach bliebe, 6. 8. biß 10. Perſonen Audienz geben wolte, und man naͤhme ſich vor, zu der Zeit in einer langen Oration
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Von Complimens.
§. 27. Dieſe weitlaͤufftigen Redner, welche zur
Unzeit und mit Unverſtand complimentiren, heiſt
man mit gutem Fug importun. Den Character
eines ſolchen Menſchen, wie er ſich in allen Stuͤcken
zugleich præſentirt, hat der ſeelige Chriſtian Weiſe,
ehmahliger Rector zu Zittau, in ſeiner ſo geuandten
Complimentir-Comœdia ſehr artig abgemahlt,
da er einen Schuſter, mit Nahmen Habacuc, an-
fuͤhrt, welcher vielfaͤltig und aͤngſtlich ſollicitirt, bey
einer Standes-Perſon, die eben kranck zu Bette
liegt, und bißher bey ihm arbeiten laſſen, vorgelaſſen
zu werden, und da er endlich vorgelaſſen wird, in
einer weitlaͤufftigen und unordentlichen Rede, in
in welcher importune Leute ihr Ebenbild gleich als
in einem Spiegel betrachten koͤnnen, die Gewalt
des krancken Cavaliers exercirt. S. die hieher ge-
hoͤrige Anmerckungen in der II. Centurie von
Gracians l’homme de Cour nach D. Muͤllers
Edition p. 37. und 36.
§. 28. Bey manchen Umſtaͤnden, da viele ande-
re, bey eben der Perſon etwas vorzutragen oder
dergleichen Compliment abzuſtatten haben, leh-
ret einem die geſunde Vernunfft von ſelbſt, oder
vielmehr die Noth, daß man kurtz reden muß; es
wuͤrde demnach hoͤchſt verdrießlich und thoͤricht
ſeyn, wenn man bey einem großen Miniſter etwas
anzubringen haͤtte, der binnen der Zeit von einer
Stunde, da er noch in ſeinem Gemach bliebe, 6. 8.
biß 10. Perſonen Audienz geben wolte, und man
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/183>, abgerufen am 26.11.2024.
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