bey einer andern Gelegenheit aber gantz stille schwiege und verstummete? Bey den Gegen- Complimens ist es gantz und gar unmöglich, man kan ja nicht wissen, was einem andere Leute vor ei- ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer höflichen Antwort zu erwiedern ist; Es läst auch über die maßen lächerlich, wenn man von einigen Leuten bey einerley Fall stets einerley Compliment hört, ohne die geringste Veränderung eines eintzi- gen Wortes.
§. 16. Diesemnach ist am besten, wenn ein jun- ger Mensch auf anderer manierlicher und qualifi- cirter Leute Reden und Complimente Achtung hat, sich einer natürlichen Beredsamkeit befleißiget, und die Worte und Redens-Arten aus seinem eige- nen Gehirne hervor sucht, biß er hierinnen mit der Zeit geübter und geschickter wird. Es ist eine gute Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in sei- ner Anweisung zu Teutschen Briefen, p. 699. vor- trägt, wenn er schreibt: An sich selbst ist die Hof- Art im Complimentiren nicht schwer, denn ein Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und was er sagt, das sagt er natürlich und mit guter Ma- nier. Wenn wir nun natürlich, das ist, kurtz und ohn einigen Umschweiff reden, so haben wir schon viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma- nierlichen Formuln. Solche aber lassen sich aus der Conversation geschickter Leute leicht erler- nen.
§. 17.
I. Theil. V. Capitul.
bey einer andern Gelegenheit aber gantz ſtille ſchwiege und verſtummete? Bey den Gegen- Complimens iſt es gantz und gar unmoͤglich, man kan ja nicht wiſſen, was einem andere Leute vor ei- ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer hoͤflichen Antwort zu erwiedern iſt; Es laͤſt auch uͤber die maßen laͤcherlich, wenn man von einigen Leuten bey einerley Fall ſtets einerley Compliment hoͤrt, ohne die geringſte Veraͤnderung eines eintzi- gen Wortes.
§. 16. Dieſemnach iſt am beſten, wenn ein jun- ger Menſch auf anderer manierlicher und qualifi- cirter Leute Reden und Complimente Achtung hat, ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißiget, und die Worte und Redens-Arten aus ſeinem eige- nen Gehirne hervor ſucht, biß er hierinnen mit der Zeit geuͤbter und geſchickter wird. Es iſt eine gute Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in ſei- ner Anweiſung zu Teutſchen Briefen, p. 699. vor- traͤgt, wenn er ſchreibt: An ſich ſelbſt iſt die Hof- Art im Complimentiren nicht ſchwer, denn ein Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und was er ſagt, das ſagt er natuͤrlich und mit guter Ma- nier. Wenn wir nun natuͤrlich, das iſt, kurtz und ohn einigen Umſchweiff reden, ſo haben wir ſchon viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma- nierlichen Formuln. Solche aber laſſen ſich aus der Converſation geſchickter Leute leicht erler- nen.
§. 17.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="154"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Theil. <hirendition="#aq">V.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
bey einer andern Gelegenheit aber gantz ſtille<lb/>ſchwiege und verſtummete? Bey den Gegen-<lb/><hirendition="#aq">Complimens</hi> iſt es gantz und gar unmoͤglich, man<lb/>
kan ja nicht wiſſen, was einem andere Leute vor ei-<lb/>
ne <hirendition="#aq">obligeante</hi> Anrede thun werden, die mit einer<lb/>
hoͤflichen Antwort zu erwiedern iſt; Es laͤſt auch<lb/>
uͤber die maßen laͤcherlich, wenn man von einigen<lb/>
Leuten bey einerley Fall ſtets einerley <hirendition="#aq">Compliment</hi><lb/>
hoͤrt, ohne die geringſte Veraͤnderung eines eintzi-<lb/>
gen Wortes.</p><lb/><p>§. 16. Dieſemnach iſt am beſten, wenn ein jun-<lb/>
ger Menſch auf anderer manierlicher und <hirendition="#aq">qualifi-<lb/>
ci</hi>rter Leute Reden und <hirendition="#aq">Complimente</hi> Achtung<lb/>
hat, ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißiget,<lb/>
und die Worte und Redens-Arten aus ſeinem eige-<lb/>
nen Gehirne hervor ſucht, biß er hierinnen mit der<lb/>
Zeit geuͤbter und geſchickter wird. Es iſt eine gute<lb/>
Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in ſei-<lb/>
ner Anweiſung zu Teutſchen Briefen, <hirendition="#aq">p.</hi> 699. vor-<lb/>
traͤgt, wenn er ſchreibt: An ſich ſelbſt iſt die Hof-<lb/>
Art im <hirendition="#aq">Complimenti</hi>ren nicht ſchwer, denn ein<lb/>
Hof-<hirendition="#aq">Cavalier</hi> macht nicht viel <hirendition="#aq">Ceremoni</hi>en, und<lb/>
was er ſagt, das ſagt er natuͤrlich und mit guter Ma-<lb/>
nier. Wenn wir nun natuͤrlich, das iſt, kurtz und<lb/>
ohn einigen Umſchweiff reden, ſo haben wir ſchon<lb/>
viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts<lb/>
mehr, als die Kenntniß der <hirendition="#aq">Titul,</hi> und etlicher ma-<lb/>
nierlichen <hirendition="#aq">Formuln.</hi> Solche aber laſſen ſich aus<lb/>
der <hirendition="#aq">Converſation</hi> geſchickter Leute leicht erler-<lb/>
nen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 17.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[154/0174]
I. Theil. V. Capitul.
bey einer andern Gelegenheit aber gantz ſtille
ſchwiege und verſtummete? Bey den Gegen-
Complimens iſt es gantz und gar unmoͤglich, man
kan ja nicht wiſſen, was einem andere Leute vor ei-
ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer
hoͤflichen Antwort zu erwiedern iſt; Es laͤſt auch
uͤber die maßen laͤcherlich, wenn man von einigen
Leuten bey einerley Fall ſtets einerley Compliment
hoͤrt, ohne die geringſte Veraͤnderung eines eintzi-
gen Wortes.
§. 16. Dieſemnach iſt am beſten, wenn ein jun-
ger Menſch auf anderer manierlicher und qualifi-
cirter Leute Reden und Complimente Achtung
hat, ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißiget,
und die Worte und Redens-Arten aus ſeinem eige-
nen Gehirne hervor ſucht, biß er hierinnen mit der
Zeit geuͤbter und geſchickter wird. Es iſt eine gute
Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in ſei-
ner Anweiſung zu Teutſchen Briefen, p. 699. vor-
traͤgt, wenn er ſchreibt: An ſich ſelbſt iſt die Hof-
Art im Complimentiren nicht ſchwer, denn ein
Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und
was er ſagt, das ſagt er natuͤrlich und mit guter Ma-
nier. Wenn wir nun natuͤrlich, das iſt, kurtz und
ohn einigen Umſchweiff reden, ſo haben wir ſchon
viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts
mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma-
nierlichen Formuln. Solche aber laſſen ſich aus
der Converſation geſchickter Leute leicht erler-
nen.
§. 17.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/174>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.