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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. V. Capitul.
bey einer andern Gelegenheit aber gantz stille
schwiege und verstummete? Bey den Gegen-
Complimens ist es gantz und gar unmöglich, man
kan ja nicht wissen, was einem andere Leute vor ei-
ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer
höflichen Antwort zu erwiedern ist; Es läst auch
über die maßen lächerlich, wenn man von einigen
Leuten bey einerley Fall stets einerley Compliment
hört, ohne die geringste Veränderung eines eintzi-
gen Wortes.

§. 16. Diesemnach ist am besten, wenn ein jun-
ger Mensch auf anderer manierlicher und qualifi-
ci
rter Leute Reden und Complimente Achtung
hat, sich einer natürlichen Beredsamkeit befleißiget,
und die Worte und Redens-Arten aus seinem eige-
nen Gehirne hervor sucht, biß er hierinnen mit der
Zeit geübter und geschickter wird. Es ist eine gute
Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in sei-
ner Anweisung zu Teutschen Briefen, p. 699. vor-
trägt, wenn er schreibt: An sich selbst ist die Hof-
Art im Complimentiren nicht schwer, denn ein
Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und
was er sagt, das sagt er natürlich und mit guter Ma-
nier. Wenn wir nun natürlich, das ist, kurtz und
ohn einigen Umschweiff reden, so haben wir schon
viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts
mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma-
nierlichen Formuln. Solche aber lassen sich aus
der Conversation geschickter Leute leicht erler-
nen.

§. 17.

I. Theil. V. Capitul.
bey einer andern Gelegenheit aber gantz ſtille
ſchwiege und verſtummete? Bey den Gegen-
Complimens iſt es gantz und gar unmoͤglich, man
kan ja nicht wiſſen, was einem andere Leute vor ei-
ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer
hoͤflichen Antwort zu erwiedern iſt; Es laͤſt auch
uͤber die maßen laͤcherlich, wenn man von einigen
Leuten bey einerley Fall ſtets einerley Compliment
hoͤrt, ohne die geringſte Veraͤnderung eines eintzi-
gen Wortes.

§. 16. Dieſemnach iſt am beſten, wenn ein jun-
ger Menſch auf anderer manierlicher und qualifi-
ci
rter Leute Reden und Complimente Achtung
hat, ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißiget,
und die Worte und Redens-Arten aus ſeinem eige-
nen Gehirne hervor ſucht, biß er hierinnen mit der
Zeit geuͤbter und geſchickter wird. Es iſt eine gute
Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in ſei-
ner Anweiſung zu Teutſchen Briefen, p. 699. vor-
traͤgt, wenn er ſchreibt: An ſich ſelbſt iſt die Hof-
Art im Complimentiren nicht ſchwer, denn ein
Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und
was er ſagt, das ſagt er natuͤrlich und mit guter Ma-
nier. Wenn wir nun natuͤrlich, das iſt, kurtz und
ohn einigen Umſchweiff reden, ſo haben wir ſchon
viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts
mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma-
nierlichen Formuln. Solche aber laſſen ſich aus
der Converſation geſchickter Leute leicht erler-
nen.

§. 17.
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[154/0174] I. Theil. V. Capitul. bey einer andern Gelegenheit aber gantz ſtille ſchwiege und verſtummete? Bey den Gegen- Complimens iſt es gantz und gar unmoͤglich, man kan ja nicht wiſſen, was einem andere Leute vor ei- ne obligeante Anrede thun werden, die mit einer hoͤflichen Antwort zu erwiedern iſt; Es laͤſt auch uͤber die maßen laͤcherlich, wenn man von einigen Leuten bey einerley Fall ſtets einerley Compliment hoͤrt, ohne die geringſte Veraͤnderung eines eintzi- gen Wortes. §. 16. Dieſemnach iſt am beſten, wenn ein jun- ger Menſch auf anderer manierlicher und qualifi- cirter Leute Reden und Complimente Achtung hat, ſich einer natuͤrlichen Beredſamkeit befleißiget, und die Worte und Redens-Arten aus ſeinem eige- nen Gehirne hervor ſucht, biß er hierinnen mit der Zeit geuͤbter und geſchickter wird. Es iſt eine gute Anmerckung, die Herr Benjamin Neukirch, in ſei- ner Anweiſung zu Teutſchen Briefen, p. 699. vor- traͤgt, wenn er ſchreibt: An ſich ſelbſt iſt die Hof- Art im Complimentiren nicht ſchwer, denn ein Hof-Cavalier macht nicht viel Ceremonien, und was er ſagt, das ſagt er natuͤrlich und mit guter Ma- nier. Wenn wir nun natuͤrlich, das iſt, kurtz und ohn einigen Umſchweiff reden, ſo haben wir ſchon viel gewonnen; Denn es fehlet uns alsdenn nichts mehr, als die Kenntniß der Titul, und etlicher ma- nierlichen Formuln. Solche aber laſſen ſich aus der Converſation geſchickter Leute leicht erler- nen. §. 17.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/174>, abgerufen am 25.11.2024.