seine Verdienste, oder durch das Glück in solche Umstände gesetzt, daß er von andern mehr Ehrer- bietung zu erwarten, als auszutheilen hat, kan es hernach mit den Complimens halten wie er will, und bleibt deswegen doch wohl wer er ist; ein jun- ger Cavalier aber, der noch erst sein Glück in der Welt machen soll, muß sich in den Stand setzen, bey mancherley vorfallenden Gelegenheiten, kurtze und weitläufftige, gemeine und solenne Compli- mens ablegen zu können, wie es die Leute haben wollen, oder wie es sich nach den Umständen der Oerter und Zeiten eignet und gebühret.
§. 11. Man thut zwar einigen Leuten, die in Worten und Geberden denen andern gar keine Höflichkeit und Freundlichkeit erweisen, nicht groß Unrecht, wenn man sie vor Bauern-stoltz erklärt; man hat sich aber doch auch hierbey in acht zu neh- men, daß man nicht diejenigen, die keine grossen Complimentirer abgeben, sondern ihre Höflichkeit mehr in der That als in Worten bezeigen, alsobald vor ungeschickt und hochmüthig halte, sonst kan man sich in seinem Urtheil gewaltig vergehen. Es ist mancher ein guter Hof-Mann, und manierlicher Mann, der auch des Schlendrians eben so mächtig, ja wohl noch mächtiger als ein anderer; es ist ihm aber gefälliger, und seinem Temperament gemäs- ser, ohne daß er zum Hochmuth geneigt seyn solte, von diesem Ceremoniel-Werck etwas abzubrechen, weil er von andern auch keine überflüßigen Com- plimente verlangt; Ein anderer hingegen, der offt
einen
I. Theil. V. Capitul.
ſeine Verdienſte, oder durch das Gluͤck in ſolche Umſtaͤnde geſetzt, daß er von andern mehr Ehrer- bietung zu erwarten, als auszutheilen hat, kan es hernach mit den Complimens halten wie er will, und bleibt deswegen doch wohl wer er iſt; ein jun- ger Cavalier aber, der noch erſt ſein Gluͤck in der Welt machen ſoll, muß ſich in den Stand ſetzen, bey mancherley vorfallenden Gelegenheiten, kurtze und weitlaͤufftige, gemeine und ſolenne Compli- mens ablegen zu koͤnnen, wie es die Leute haben wollen, oder wie es ſich nach den Umſtaͤnden der Oerter und Zeiten eignet und gebuͤhret.
§. 11. Man thut zwar einigen Leuten, die in Worten und Geberden denen andern gar keine Hoͤflichkeit und Freundlichkeit erweiſen, nicht groß Unrecht, wenn man ſie vor Bauern-ſtoltz erklaͤrt; man hat ſich aber doch auch hierbey in acht zu neh- men, daß man nicht diejenigen, die keine groſſen Complimentirer abgeben, ſondern ihre Hoͤflichkeit mehr in der That als in Worten bezeigen, alſobald vor ungeſchickt und hochmuͤthig halte, ſonſt kan man ſich in ſeinem Urtheil gewaltig vergehen. Es iſt mancher ein guter Hof-Mann, und manierlicher Mann, der auch des Schlendrians eben ſo maͤchtig, ja wohl noch maͤchtiger als ein anderer; es iſt ihm aber gefaͤlliger, und ſeinem Temperament gemaͤſ- ſer, ohne daß er zum Hochmuth geneigt ſeyn ſolte, von dieſem Ceremoniel-Werck etwas abzubrechen, weil er von andern auch keine uͤberfluͤßigen Com- plimente verlangt; Ein anderer hingegen, der offt
einen
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I. Theil. V. Capitul.
ſeine Verdienſte, oder durch das Gluͤck in ſolche
Umſtaͤnde geſetzt, daß er von andern mehr Ehrer-
bietung zu erwarten, als auszutheilen hat, kan es
hernach mit den Complimens halten wie er will,
und bleibt deswegen doch wohl wer er iſt; ein jun-
ger Cavalier aber, der noch erſt ſein Gluͤck in der
Welt machen ſoll, muß ſich in den Stand ſetzen,
bey mancherley vorfallenden Gelegenheiten, kurtze
und weitlaͤufftige, gemeine und ſolenne Compli-
mens ablegen zu koͤnnen, wie es die Leute haben
wollen, oder wie es ſich nach den Umſtaͤnden der
Oerter und Zeiten eignet und gebuͤhret.
§. 11. Man thut zwar einigen Leuten, die in
Worten und Geberden denen andern gar keine
Hoͤflichkeit und Freundlichkeit erweiſen, nicht groß
Unrecht, wenn man ſie vor Bauern-ſtoltz erklaͤrt;
man hat ſich aber doch auch hierbey in acht zu neh-
men, daß man nicht diejenigen, die keine groſſen
Complimentirer abgeben, ſondern ihre Hoͤflichkeit
mehr in der That als in Worten bezeigen, alſobald
vor ungeſchickt und hochmuͤthig halte, ſonſt kan man
ſich in ſeinem Urtheil gewaltig vergehen. Es iſt
mancher ein guter Hof-Mann, und manierlicher
Mann, der auch des Schlendrians eben ſo maͤchtig,
ja wohl noch maͤchtiger als ein anderer; es iſt ihm
aber gefaͤlliger, und ſeinem Temperament gemaͤſ-
ſer, ohne daß er zum Hochmuth geneigt ſeyn ſolte,
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weil er von andern auch keine uͤberfluͤßigen Com-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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