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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Complimens.

§. 9. Manche von unsern Teutschen, und zwar
einige von denen, die doch, in Ansehung ihrer Aufer-
ziehung, vor andern manierlicher seyn könten und
solten, sind dem Holländischen Pöbel in diesem
Stück gar ähnlich, der wohl eher den höchsten
Standes-Personen ein bißweilen zwar wohlge-
meyntes, in der That aber ein gar schlecht und un-
förmlich Compliment gemacht. Als anno 1704.
der Englische Generalissimus, der Hertzog von
Marlborough, aus Dero Jacht-Schiffe, unter
neunmahliger Lösung der Stücken, ans Land trat,
war die Menge des Volcks so groß, daß der Herr
Bürgermeister kaum Platz behielt, ihn zu compli-
menti
ren. Das gemeine Volck fragte die Her-
ren Pensionarios: Welck it de Heer Marlbo-
rough?
Und als deren einer ihn gewiesen lieff ei-
ner aus dem Volck, als ein guter vertraulicher
Freund, sans Facon hin, fiel dem Hertzog um den
Hals, und rieff: Bent gy myn Heer de Heer
Marlborough, ey west welkomen myn goede
Heer Marlborough.
Die andern warffen die
Hüte in die Höhe, und rieffen unaufhörlich: Lang
leve Marlboroug.
S. den XXVIII. Theil der Eu-
ropäischen Famae p. 290. Ob man wohl in keinem
Lande von dem Pöbel zierlicher Complimens ver-
muthend seyn kan, so glaub ich doch, daß der Hol-
ländische an Grobheit Freyheit und Unverschämt-
heit wo nicht alle, doch die meisten andern Euro-
päischen Nationen, zu übertreffen pflege.

§. 10. Wer sich in der Welt, entweder durch

seine
K 3
Von Complimens.

§. 9. Manche von unſern Teutſchen, und zwar
einige von denen, die doch, in Anſehung ihrer Aufer-
ziehung, vor andern manierlicher ſeyn koͤnten und
ſolten, ſind dem Hollaͤndiſchen Poͤbel in dieſem
Stuͤck gar aͤhnlich, der wohl eher den hoͤchſten
Standes-Perſonen ein bißweilen zwar wohlge-
meyntes, in der That aber ein gar ſchlecht und un-
foͤrmlich Compliment gemacht. Als anno 1704.
der Engliſche Generaliſſimus, der Hertzog von
Marlborough, aus Dero Jacht-Schiffe, unter
neunmahliger Loͤſung der Stuͤcken, ans Land trat,
war die Menge des Volcks ſo groß, daß der Herr
Buͤrgermeiſter kaum Platz behielt, ihn zu compli-
menti
ren. Das gemeine Volck fragte die Her-
ren Penſionarios: Welck it de Heer Marlbo-
rough?
Und als deren einer ihn gewieſen lieff ei-
ner aus dem Volck, als ein guter vertraulicher
Freund, ſans Façon hin, fiel dem Hertzog um den
Hals, und rieff: Bent gy myn Heer de Heer
Marlborough, ey weſt welkomen myn goede
Heer Marlborough.
Die andern warffen die
Huͤte in die Hoͤhe, und rieffen unaufhoͤrlich: Lang
leve Marlboroug.
S. den XXVIII. Theil der Eu-
ropaͤiſchen Famæ p. 290. Ob man wohl in keinem
Lande von dem Poͤbel zierlicher Complimens ver-
muthend ſeyn kan, ſo glaub ich doch, daß der Hol-
laͤndiſche an Grobheit Freyheit und Unverſchaͤmt-
heit wo nicht alle, doch die meiſten andern Euro-
paͤiſchen Nationen, zu uͤbertreffen pflege.

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ſeine
K 3
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[149/0169] Von Complimens. §. 9. Manche von unſern Teutſchen, und zwar einige von denen, die doch, in Anſehung ihrer Aufer- ziehung, vor andern manierlicher ſeyn koͤnten und ſolten, ſind dem Hollaͤndiſchen Poͤbel in dieſem Stuͤck gar aͤhnlich, der wohl eher den hoͤchſten Standes-Perſonen ein bißweilen zwar wohlge- meyntes, in der That aber ein gar ſchlecht und un- foͤrmlich Compliment gemacht. Als anno 1704. der Engliſche Generaliſſimus, der Hertzog von Marlborough, aus Dero Jacht-Schiffe, unter neunmahliger Loͤſung der Stuͤcken, ans Land trat, war die Menge des Volcks ſo groß, daß der Herr Buͤrgermeiſter kaum Platz behielt, ihn zu compli- mentiren. Das gemeine Volck fragte die Her- ren Penſionarios: Welck it de Heer Marlbo- rough? Und als deren einer ihn gewieſen lieff ei- ner aus dem Volck, als ein guter vertraulicher Freund, ſans Façon hin, fiel dem Hertzog um den Hals, und rieff: Bent gy myn Heer de Heer Marlborough, ey weſt welkomen myn goede Heer Marlborough. Die andern warffen die Huͤte in die Hoͤhe, und rieffen unaufhoͤrlich: Lang leve Marlboroug. S. den XXVIII. Theil der Eu- ropaͤiſchen Famæ p. 290. Ob man wohl in keinem Lande von dem Poͤbel zierlicher Complimens ver- muthend ſeyn kan, ſo glaub ich doch, daß der Hol- laͤndiſche an Grobheit Freyheit und Unverſchaͤmt- heit wo nicht alle, doch die meiſten andern Euro- paͤiſchen Nationen, zu uͤbertreffen pflege. §. 10. Wer ſich in der Welt, entweder durch ſeine K 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/169>, abgerufen am 24.11.2024.