nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns- Personen, theils von Frauenzimmer, fast alle ihre Discourse in lauter Complimens verwandeln, und wenn sie dieselben auch noch so manierlich vorbräch- ten, so fehlen sie doch wider den Wohlstand. Durch diese Methode möchte sich einer wohl bey den Com- plimentir-Schwestern, die selbst von dergleichen Profession machen, in Gunst setzen, in der großen Welt hingegen, und an Höfen gewißlich nicht. Wer stets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per- sonen, denen er in seinen Complimens devotion zu leisten pflüchtig, so wie er wohl soll. Es wird dieses vor affectirt, und vor eine Schulfüchserey an- gesehen, und ist gemeiniglich eine Frucht derer, die so viel Romainen gelesen.
§. 8. Wie nun die Menschen bey ihren Hand- lungen überhaupt gar selten die Mittel-Strasse treffen, sondern gemeiniglich auf die beyden laster- hafften Abwege gerathen, so gehet es vielmahls bey den Complimens eben so her. Diejenigen, von denen ich in dem vorhergehenden gesagt, wollen es allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich- sam von lauter Honigseim der Liebe, sie benennen andere mit höchstgeehrtest, allerliebst, allerwerthest, u. s. w. oder complimentiren stets. Hier muß ich aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu- schlecht machen, sie tractiren diejenigen, denen sie ehrerbietig begegnen solten, allzuplump, oder kön- nen sich gantz und gar nicht mit dem Complimen- tiren behelffen.
§. 9.
I. Theil. V. Capitul.
nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns- Perſonen, theils von Frauenzimmer, faſt alle ihre Diſcourſe in lauter Complimens verwandeln, und wenn ſie dieſelben auch noch ſo manierlich vorbraͤch- ten, ſo fehlen ſie doch wider den Wohlſtand. Durch dieſe Methode moͤchte ſich einer wohl bey den Com- plimentir-Schweſtern, die ſelbſt von dergleichen Profeſſion machen, in Gunſt ſetzen, in der großen Welt hingegen, und an Hoͤfen gewißlich nicht. Wer ſtets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per- ſonen, denen er in ſeinen Complimens devotion zu leiſten pfluͤchtig, ſo wie er wohl ſoll. Es wird dieſes vor affectirt, und vor eine Schulfuͤchſerey an- geſehen, und iſt gemeiniglich eine Frucht derer, die ſo viel Romainen geleſen.
§. 8. Wie nun die Menſchen bey ihren Hand- lungen uͤberhaupt gar ſelten die Mittel-Straſſe treffen, ſondern gemeiniglich auf die beyden laſter- hafften Abwege gerathen, ſo gehet es vielmahls bey den Complimens eben ſo her. Diejenigen, von denen ich in dem vorhergehenden geſagt, wollen es allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich- ſam von lauter Honigſeim der Liebe, ſie benennen andere mit hoͤchſtgeehrteſt, allerliebſt, allerwertheſt, u. ſ. w. oder complimentiren ſtets. Hier muß ich aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu- ſchlecht machen, ſie tractiren diejenigen, denen ſie ehrerbietig begegnen ſolten, allzuplump, oder koͤn- nen ſich gantz und gar nicht mit dem Complimen- tiren behelffen.
§. 9.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0168"n="148"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Theil. <hirendition="#aq">V.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns-<lb/>
Perſonen, theils von Frauenzimmer, faſt alle ihre<lb/><hirendition="#aq">Diſcourſe</hi> in lauter <hirendition="#aq">Complimens</hi> verwandeln, und<lb/>
wenn ſie dieſelben auch noch ſo <hirendition="#aq">manie</hi>rlich vorbraͤch-<lb/>
ten, ſo fehlen ſie doch wider den Wohlſtand. Durch<lb/>
dieſe <hirendition="#aq">Methode</hi> moͤchte ſich einer wohl bey den <hirendition="#aq">Com-<lb/>
plimentir-</hi>Schweſtern, die ſelbſt von dergleichen<lb/><hirendition="#aq">Profeſſion</hi> machen, in Gunſt ſetzen, in der großen<lb/>
Welt hingegen, und an Hoͤfen gewißlich nicht. Wer<lb/>ſtets <hirendition="#aq">complimenti</hi>rt, beehret nicht allezeit die Per-<lb/>ſonen, denen er in ſeinen <hirendition="#aq">Complimens devotion</hi><lb/>
zu leiſten pfluͤchtig, ſo wie er wohl ſoll. Es wird<lb/>
dieſes vor <hirendition="#aq">affecti</hi>rt, und vor eine Schulfuͤchſerey an-<lb/>
geſehen, und iſt gemeiniglich eine Frucht derer, die<lb/>ſo viel <hirendition="#aq">Romain</hi>en geleſen.</p><lb/><p>§. 8. Wie nun die Menſchen bey ihren Hand-<lb/>
lungen uͤberhaupt gar ſelten die Mittel-Straſſe<lb/>
treffen, ſondern gemeiniglich auf die beyden laſter-<lb/>
hafften Abwege gerathen, ſo gehet es vielmahls bey<lb/>
den <hirendition="#aq">Complimens</hi> eben ſo her. Diejenigen, von<lb/>
denen ich in dem vorhergehenden geſagt, wollen es<lb/>
allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich-<lb/>ſam von lauter Honigſeim der Liebe, ſie benennen<lb/>
andere mit hoͤchſtgeehrteſt, allerliebſt, allerwertheſt,<lb/>
u. ſ. w. oder <hirendition="#aq">complimenti</hi>ren ſtets. Hier muß ich<lb/>
aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu-<lb/>ſchlecht machen, ſie <hirendition="#aq">tracti</hi>ren diejenigen, denen ſie<lb/>
ehrerbietig begegnen ſolten, allzuplump, oder koͤn-<lb/>
nen ſich gantz und gar nicht mit dem <hirendition="#aq">Complimen-<lb/>
ti</hi>ren behelffen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 9.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[148/0168]
I. Theil. V. Capitul.
nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns-
Perſonen, theils von Frauenzimmer, faſt alle ihre
Diſcourſe in lauter Complimens verwandeln, und
wenn ſie dieſelben auch noch ſo manierlich vorbraͤch-
ten, ſo fehlen ſie doch wider den Wohlſtand. Durch
dieſe Methode moͤchte ſich einer wohl bey den Com-
plimentir-Schweſtern, die ſelbſt von dergleichen
Profeſſion machen, in Gunſt ſetzen, in der großen
Welt hingegen, und an Hoͤfen gewißlich nicht. Wer
ſtets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per-
ſonen, denen er in ſeinen Complimens devotion
zu leiſten pfluͤchtig, ſo wie er wohl ſoll. Es wird
dieſes vor affectirt, und vor eine Schulfuͤchſerey an-
geſehen, und iſt gemeiniglich eine Frucht derer, die
ſo viel Romainen geleſen.
§. 8. Wie nun die Menſchen bey ihren Hand-
lungen uͤberhaupt gar ſelten die Mittel-Straſſe
treffen, ſondern gemeiniglich auf die beyden laſter-
hafften Abwege gerathen, ſo gehet es vielmahls bey
den Complimens eben ſo her. Diejenigen, von
denen ich in dem vorhergehenden geſagt, wollen es
allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich-
ſam von lauter Honigſeim der Liebe, ſie benennen
andere mit hoͤchſtgeehrteſt, allerliebſt, allerwertheſt,
u. ſ. w. oder complimentiren ſtets. Hier muß ich
aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu-
ſchlecht machen, ſie tractiren diejenigen, denen ſie
ehrerbietig begegnen ſolten, allzuplump, oder koͤn-
nen ſich gantz und gar nicht mit dem Complimen-
tiren behelffen.
§. 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/168>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.