§. 6. Man richte seine Complimens so ein, daß man nicht den Schein einer allzugroßen Schmei- cheley und Falschheit von sich gebe, und dadurch er- weisen wolle/ als ob man seine Ehren-Bezeugun- gen als Geldes werth anbringen, und die Leute mit dem Winde einiger süssen Worte bezahlen wolle. S. l'homme de Cour in der 19ten Maxime p. 449. nach Hr. D. Müllers Edition. Einige brauchen nicht mehr als die Anmuth eines eintzigen Compliment, die Narren, und insonderheit die Hochmüthigen zu bethören. Es ist aber nicht al- len Leuten damit gedient, der Wohlstand und das Ceremoniel erfordern in geringsten nicht, daß man sich bey denen, gegen die man in seinem Hertzen nicht so gar große Liebe empfindet, solcher Redens-Arten gebrauche, dadurch man einen besondern Ausfluß der Liebe an Tag legt, sie mit dem grösten Reich- thum der Worte beehre, und ihnen nur alle ersinn- liche Liebes-Dienste anbiethe, sondern man setze nur seine Redens-Arten in solche Schrancken, die zwar der Höflichkeit und Gefälligkeit gemäß, jeden- noch aber auch mit der Wahrheit und der Christen- Liebe, die man einem jeden schuldig, sich vereini- gen lassen.
§. 7. Man muß nicht allein bey der Demuth, Liebe und Ehrerbietung, die man gegen den andern erweist, Maße halten, daß man bey den Redens- Arten, dadurch man diese Tugenden ausdrucken will, den gehörigen Grad nicht überschreite, sondern auch in dem Complimentiren selbst. Es daucht
nicht
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Von Complimens.
§. 6. Man richte ſeine Complimens ſo ein, daß man nicht den Schein einer allzugroßen Schmei- cheley und Falſchheit von ſich gebe, und dadurch er- weiſen wolle/ als ob man ſeine Ehren-Bezeugun- gen als Geldes werth anbringen, und die Leute mit dem Winde einiger ſuͤſſen Worte bezahlen wolle. S. l’homme de Cour in der 19ten Maxime p. 449. nach Hr. D. Muͤllers Edition. Einige brauchen nicht mehr als die Anmuth eines eintzigen Compliment, die Narren, und inſonderheit die Hochmuͤthigen zu bethoͤren. Es iſt aber nicht al- len Leuten damit gedient, der Wohlſtand und das Ceremoniel erfordern in geringſten nicht, daß man ſich bey denen, gegen die man in ſeinem Hertzen nicht ſo gar große Liebe empfindet, ſolcher Redens-Arten gebrauche, dadurch man einen beſondern Ausfluß der Liebe an Tag legt, ſie mit dem groͤſten Reich- thum der Worte beehre, und ihnen nur alle erſinn- liche Liebes-Dienſte anbiethe, ſondern man ſetze nur ſeine Redens-Arten in ſolche Schrancken, die zwar der Hoͤflichkeit und Gefaͤlligkeit gemaͤß, jeden- noch aber auch mit der Wahrheit und der Chriſten- Liebe, die man einem jeden ſchuldig, ſich vereini- gen laſſen.
§. 7. Man muß nicht allein bey der Demuth, Liebe und Ehrerbietung, die man gegen den andern erweiſt, Maße halten, daß man bey den Redens- Arten, dadurch man dieſe Tugenden ausdrucken will, den gehoͤrigen Grad nicht uͤberſchreite, ſondern auch in dem Complimentiren ſelbſt. Es daucht
nicht
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Von Complimens.
§. 6. Man richte ſeine Complimens ſo ein, daß
man nicht den Schein einer allzugroßen Schmei-
cheley und Falſchheit von ſich gebe, und dadurch er-
weiſen wolle/ als ob man ſeine Ehren-Bezeugun-
gen als Geldes werth anbringen, und die Leute mit
dem Winde einiger ſuͤſſen Worte bezahlen wolle.
S. l’homme de Cour in der 19ten Maxime p.
449. nach Hr. D. Muͤllers Edition. Einige
brauchen nicht mehr als die Anmuth eines eintzigen
Compliment, die Narren, und inſonderheit die
Hochmuͤthigen zu bethoͤren. Es iſt aber nicht al-
len Leuten damit gedient, der Wohlſtand und das
Ceremoniel erfordern in geringſten nicht, daß man
ſich bey denen, gegen die man in ſeinem Hertzen nicht
ſo gar große Liebe empfindet, ſolcher Redens-Arten
gebrauche, dadurch man einen beſondern Ausfluß
der Liebe an Tag legt, ſie mit dem groͤſten Reich-
thum der Worte beehre, und ihnen nur alle erſinn-
liche Liebes-Dienſte anbiethe, ſondern man ſetze
nur ſeine Redens-Arten in ſolche Schrancken, die
zwar der Hoͤflichkeit und Gefaͤlligkeit gemaͤß, jeden-
noch aber auch mit der Wahrheit und der Chriſten-
Liebe, die man einem jeden ſchuldig, ſich vereini-
gen laſſen.
§. 7. Man muß nicht allein bey der Demuth,
Liebe und Ehrerbietung, die man gegen den andern
erweiſt, Maße halten, daß man bey den Redens-
Arten, dadurch man dieſe Tugenden ausdrucken
will, den gehoͤrigen Grad nicht uͤberſchreite, ſondern
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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