Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.Von Complimens. gar offters verbunden, beschweren, nicht zu viel.Ein Frantzösischer Autor, den Menantes unter dem Titul der klugen Behutsamkeit in Reden und guter Conduite zu leben übersetzt, schreibt p. 69. Welche Eitelkeit und welcher Verlust der Zeit, ereignet sich nicht bey den Begrüßungen/ Visiten, Umarmun- gen und Conversationen, die auf die Höflichkeit, Ceremonien, Anerbietungen, Versprechungen und Lob-Reden hinaus lauffen? Wie viel sich selbst übersteigende Redens-Arten, wie viel Gleißnerey, wie viel Schmeicheley und wie viel Falschheit und Betrügereyen trifft man nicht bey allen an, die sie geben, die sie annehmen, und die sie hören, dergestalt daß es ein stillschweigender Handel und Complot ist, sich über einander zu moquiren, einander zu be- lügen und betrügen. Und was das artigste, so muß derjenige, der allzu wohl weiß, daß man ihnen un- verschämt vorlüget, noch grossen Danck darzu sa- gen, der ander aber, der wohl siehet, daß ihm der andere nicht glaubt, hält eine gute Mine, und wenn sie einander die Haut wichtig vollgelogen, so gehen sie in Lachen und wohl vergnügt von einander, und der glatulirt sich hernach bey sich selber, welcher glaubt, daß er sich in dieser Kunst am besten erwie- sen. Alles dieses ist mehr als zu wahr, allein es ist eine allgemeine Comoedie, wo man auf dem Thea- tro der Welt, wenn einen die Reyhe trifft, nicht um- hin kan, seine Person so gut zu spielen, als möglich. Guevarra spricht in seiner Beschreibung des Hof- und Land-Lebens, p. 132. O wie viel machen einan-
Von Complimens. gar offters verbunden, beſchweren, nicht zu viel.Ein Frantzoͤſiſcher Autor, den Menantes unter dem Titul der klugen Behutſamkeit in Reden und guter Conduite zu leben uͤberſetzt, ſchreibt p. 69. Welche Eitelkeit und welcher Verluſt der Zeit, ereignet ſich nicht bey den Begruͤßungen/ Viſiten, Umarmun- gen und Converſationen, die auf die Hoͤflichkeit, Ceremonien, Anerbietungen, Verſprechungen und Lob-Reden hinaus lauffen? Wie viel ſich ſelbſt uͤberſteigende Redens-Arten, wie viel Gleißnerey, wie viel Schmeicheley und wie viel Falſchheit und Betruͤgereyen trifft man nicht bey allen an, die ſie geben, die ſie annehmen, und die ſie hoͤren, dergeſtalt daß es ein ſtillſchweigender Handel und Complot iſt, ſich uͤber einander zu moquiren, einander zu be- luͤgen und betruͤgen. Und was das artigſte, ſo muß derjenige, der allzu wohl weiß, daß man ihnen un- verſchaͤmt vorluͤget, noch groſſen Danck darzu ſa- gen, der ander aber, der wohl ſiehet, daß ihm der andere nicht glaubt, haͤlt eine gute Mine, und wenn ſie einander die Haut wichtig vollgelogen, ſo gehen ſie in Lachen und wohl vergnuͤgt von einander, und der glatulirt ſich hernach bey ſich ſelber, welcher glaubt, daß er ſich in dieſer Kunſt am beſten erwie- ſen. Alles dieſes iſt mehr als zu wahr, allein es iſt eine allgemeine Comœdie, wo man auf dem Thea- tro der Welt, wenn einen die Reyhe trifft, nicht um- hin kan, ſeine Perſon ſo gut zu ſpielen, als moͤglich. Guevarra ſpricht in ſeiner Beſchreibung des Hof- und Land-Lebens, p. 132. O wie viel machen einan-
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Von Complimens.
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Ein Frantzoͤſiſcher Autor, den Menantes unter dem
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Conduite zu leben uͤberſetzt, ſchreibt p. 69. Welche
Eitelkeit und welcher Verluſt der Zeit, ereignet ſich
nicht bey den Begruͤßungen/ Viſiten, Umarmun-
gen und Converſationen, die auf die Hoͤflichkeit,
Ceremonien, Anerbietungen, Verſprechungen und
Lob-Reden hinaus lauffen? Wie viel ſich ſelbſt
uͤberſteigende Redens-Arten, wie viel Gleißnerey,
wie viel Schmeicheley und wie viel Falſchheit und
Betruͤgereyen trifft man nicht bey allen an, die ſie
geben, die ſie annehmen, und die ſie hoͤren, dergeſtalt
daß es ein ſtillſchweigender Handel und Complot
iſt, ſich uͤber einander zu moquiren, einander zu be-
luͤgen und betruͤgen. Und was das artigſte, ſo muß
derjenige, der allzu wohl weiß, daß man ihnen un-
verſchaͤmt vorluͤget, noch groſſen Danck darzu ſa-
gen, der ander aber, der wohl ſiehet, daß ihm der
andere nicht glaubt, haͤlt eine gute Mine, und wenn
ſie einander die Haut wichtig vollgelogen, ſo gehen
ſie in Lachen und wohl vergnuͤgt von einander, und
der glatulirt ſich hernach bey ſich ſelber, welcher
glaubt, daß er ſich in dieſer Kunſt am beſten erwie-
ſen. Alles dieſes iſt mehr als zu wahr, allein es iſt
eine allgemeine Comœdie, wo man auf dem Thea-
tro der Welt, wenn einen die Reyhe trifft, nicht um-
hin kan, ſeine Perſon ſo gut zu ſpielen, als moͤglich.
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