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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Range.
Er gehet dem Ungewitter aus dem Wege, so gut er
kan und weiß, er versteckt sich unter einen Baum,
er verdeckt sich mit seinem Mantel/ und kehret ihm,
so viel als möglich, den Rücken zu, damit es ihn nicht
so scharff treffe, u. s. w. Also praecautionirt sich
auch ein Hof-Mann, der in solche Umstände gesetzt
worden, nach aller Möglichkeit. Er bezeigt zuwei-
len durch betrübte Minen, wie die zu seiner Gering-
achtung vorgenommene Distinction ihm sehr be-
trüblich falle, er gehet den Gelegenheiten, bey denen
ein anderer wider die Rang-Ordnung und bißheri-
ge Observanz vorgezogen werden soll, aus dem
Wege, und simnliret bißweilen bey grossen Solen-
nit
äten und öffentlichen Handlungen, da es sonst
allzu sehr in die Augen fallen würde, aus einer
Staats-Raison eine Reise, oder eine kleine Kranck-
heit, er thut mit den nachdrücklichsten Gründen, je-
doch auf die submisseste und demüthigste Weise/
seine unterthänigste Vorstellungen bey Durch-
lauchtigster Herrschafft, und bey dem Ministerio,
er stecket sich hinter diejenigen, die das Ohr der
Herrschafft haben, damit sie vor ihn intercediren,
er retiriret sich auch wohl gar eine Zeitlang, er ver-
meidet alle Gelegenheit, mit dem andern, der ihm
eine Zeitlang vorgezogen wird, zu concurriren, er
sucht ihn auch wohl selbst zu gewinnen, und zu seinen
Absichten zu lencken, er siehet, wie er bißweilen, je-
doch mit guter Manier, den Rang über ihn gewin-
nen möge; insonderheit aber läst er dieses seine grö-
ste Sorge seyn, wie dasjenige Hinderniß, welches

zu
J 4

Vom Range.
Er gehet dem Ungewitter aus dem Wege, ſo gut er
kan und weiß, er verſteckt ſich unter einen Baum,
er verdeckt ſich mit ſeinem Mantel/ und kehret ihm,
ſo viel als moͤglich, den Ruͤcken zu, damit es ihn nicht
ſo ſcharff treffe, u. ſ. w. Alſo præcautionirt ſich
auch ein Hof-Mann, der in ſolche Umſtaͤnde geſetzt
worden, nach aller Moͤglichkeit. Er bezeigt zuwei-
len durch betruͤbte Minen, wie die zu ſeiner Gering-
achtung vorgenommene Diſtinction ihm ſehr be-
truͤblich falle, er gehet den Gelegenheiten, bey denen
ein anderer wider die Rang-Ordnung und bißheri-
ge Obſervanz vorgezogen werden ſoll, aus dem
Wege, und ſimnliret bißweilen bey groſſen Solen-
nit
aͤten und oͤffentlichen Handlungen, da es ſonſt
allzu ſehr in die Augen fallen wuͤrde, aus einer
Staats-Raiſon eine Reiſe, oder eine kleine Kranck-
heit, er thut mit den nachdruͤcklichſten Gruͤnden, je-
doch auf die ſubmiſſeſte und demuͤthigſte Weiſe/
ſeine unterthaͤnigſte Vorſtellungen bey Durch-
lauchtigſter Herrſchafft, und bey dem Miniſterio,
er ſtecket ſich hinter diejenigen, die das Ohr der
Herrſchafft haben, damit ſie vor ihn intercediren,
er retiriret ſich auch wohl gar eine Zeitlang, er ver-
meidet alle Gelegenheit, mit dem andern, der ihm
eine Zeitlang vorgezogen wird, zu concurriren, er
ſucht ihn auch wohl ſelbſt zu gewinnen, und zu ſeinen
Abſichten zu lencken, er ſiehet, wie er bißweilen, je-
doch mit guter Manier, den Rang uͤber ihn gewin-
nen moͤge; inſonderheit aber laͤſt er dieſes ſeine groͤ-
ſte Sorge ſeyn, wie dasjenige Hinderniß, welches

zu
J 4
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[135/0155] Vom Range. Er gehet dem Ungewitter aus dem Wege, ſo gut er kan und weiß, er verſteckt ſich unter einen Baum, er verdeckt ſich mit ſeinem Mantel/ und kehret ihm, ſo viel als moͤglich, den Ruͤcken zu, damit es ihn nicht ſo ſcharff treffe, u. ſ. w. Alſo præcautionirt ſich auch ein Hof-Mann, der in ſolche Umſtaͤnde geſetzt worden, nach aller Moͤglichkeit. Er bezeigt zuwei- len durch betruͤbte Minen, wie die zu ſeiner Gering- achtung vorgenommene Diſtinction ihm ſehr be- truͤblich falle, er gehet den Gelegenheiten, bey denen ein anderer wider die Rang-Ordnung und bißheri- ge Obſervanz vorgezogen werden ſoll, aus dem Wege, und ſimnliret bißweilen bey groſſen Solen- nitaͤten und oͤffentlichen Handlungen, da es ſonſt allzu ſehr in die Augen fallen wuͤrde, aus einer Staats-Raiſon eine Reiſe, oder eine kleine Kranck- heit, er thut mit den nachdruͤcklichſten Gruͤnden, je- doch auf die ſubmiſſeſte und demuͤthigſte Weiſe/ ſeine unterthaͤnigſte Vorſtellungen bey Durch- lauchtigſter Herrſchafft, und bey dem Miniſterio, er ſtecket ſich hinter diejenigen, die das Ohr der Herrſchafft haben, damit ſie vor ihn intercediren, er retiriret ſich auch wohl gar eine Zeitlang, er ver- meidet alle Gelegenheit, mit dem andern, der ihm eine Zeitlang vorgezogen wird, zu concurriren, er ſucht ihn auch wohl ſelbſt zu gewinnen, und zu ſeinen Abſichten zu lencken, er ſiehet, wie er bißweilen, je- doch mit guter Manier, den Rang uͤber ihn gewin- nen moͤge; inſonderheit aber laͤſt er dieſes ſeine groͤ- ſte Sorge ſeyn, wie dasjenige Hinderniß, welches zu J 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/155>, abgerufen am 22.11.2024.