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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Range.
gedencken, und gleichwohl findet man hin und wie-
der solche seltzame Köpffe, die nicht allein vorher,
wie unsere beyden Gärtner, von dem ich oben ge-
dacht, sich mancherley unruhige Gedancken ma-
chen, daß dieser oder jener zu ihren Praejudiz ihnen
vorgehen möchte, sondern auch wohl zu der Zeit,
der heiligen Handlung dem andern, der ihnen nicht
die rechte Stelle giebt, unglimpflich begegnen. Ein
vernünfftiger Mensch dencket hieran nicht, und gön-
net einem jeden Thoren bey dem Beicht-Stuhl
oder bey dem Heiligen Abendmahl, die Vorhand
und Ober-Stelle; Er kan solches um desto eher
thun, weil er weiß, daß der ander hiedurch nichts ge-
winnet. Hat einer oder der ander bey einer Heil.
Handlung jemand gewichen, so wird in Rechten
darauf gesprochen, daß er sich dadurch seines sonst
habenden Rechts und Quasi Possess im geringsten
nicht begeben. S. Horn de Praecedentia Dec. I.
Qu. I. n.
5.

§. 20. Es begiebt sich nicht selten, daß die ge-
meinen Weiber in den Kirch-Stühlen sich um den
Rang nicht vertragen können, fahren wohl gar an
der Heiligen Stätte einander unter den Gottes-
dienst mit bittern Worten an, auch so gar mit stos-
sen und Hauben abreissen, wie denn der seel. Ernst
in seiner Historischen Confect-Tafel P. I. n. 98.
§. 7. & 8. von ehrgeitzigen Praecedenz-Narren
erzehlt, daß 1675. zu Stockholm in der Teutschen
Kirche zwey Weiber um der Ober-Stelle
willen, einander die Kappen vom Halse herun-

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Vom Range.
gedencken, und gleichwohl findet man hin und wie-
der ſolche ſeltzame Koͤpffe, die nicht allein vorher,
wie unſere beyden Gaͤrtner, von dem ich oben ge-
dacht, ſich mancherley unruhige Gedancken ma-
chen, daß dieſer oder jener zu ihren Præjudiz ihnen
vorgehen moͤchte, ſondern auch wohl zu der Zeit,
der heiligen Handlung dem andern, der ihnen nicht
die rechte Stelle giebt, unglimpflich begegnen. Ein
vernuͤnfftiger Menſch dencket hieran nicht, und goͤn-
net einem jeden Thoren bey dem Beicht-Stuhl
oder bey dem Heiligen Abendmahl, die Vorhand
und Ober-Stelle; Er kan ſolches um deſto eher
thun, weil er weiß, daß der ander hiedurch nichts ge-
winnet. Hat einer oder der ander bey einer Heil.
Handlung jemand gewichen, ſo wird in Rechten
darauf geſprochen, daß er ſich dadurch ſeines ſonſt
habenden Rechts und Quaſi Poſſeſs im geringſten
nicht begeben. S. Horn de Præcedentia Dec. I.
Qu. I. n.
5.

§. 20. Es begiebt ſich nicht ſelten, daß die ge-
meinen Weiber in den Kirch-Stuͤhlen ſich um den
Rang nicht vertragen koͤnnen, fahren wohl gar an
der Heiligen Staͤtte einander unter den Gottes-
dienſt mit bittern Worten an, auch ſo gar mit ſtoſ-
ſen und Hauben abreiſſen, wie denn der ſeel. Ernſt
in ſeiner Hiſtoriſchen Confect-Tafel P. I. n. 98.
§. 7. & 8. von ehrgeitzigen Præcedenz-Narren
erzehlt, daß 1675. zu Stockholm in der Teutſchen
Kirche zwey Weiber um der Ober-Stelle
willen, einander die Kappen vom Halſe herun-

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[121/0141] Vom Range. gedencken, und gleichwohl findet man hin und wie- der ſolche ſeltzame Koͤpffe, die nicht allein vorher, wie unſere beyden Gaͤrtner, von dem ich oben ge- dacht, ſich mancherley unruhige Gedancken ma- chen, daß dieſer oder jener zu ihren Præjudiz ihnen vorgehen moͤchte, ſondern auch wohl zu der Zeit, der heiligen Handlung dem andern, der ihnen nicht die rechte Stelle giebt, unglimpflich begegnen. Ein vernuͤnfftiger Menſch dencket hieran nicht, und goͤn- net einem jeden Thoren bey dem Beicht-Stuhl oder bey dem Heiligen Abendmahl, die Vorhand und Ober-Stelle; Er kan ſolches um deſto eher thun, weil er weiß, daß der ander hiedurch nichts ge- winnet. Hat einer oder der ander bey einer Heil. Handlung jemand gewichen, ſo wird in Rechten darauf geſprochen, daß er ſich dadurch ſeines ſonſt habenden Rechts und Quaſi Poſſeſs im geringſten nicht begeben. S. Horn de Præcedentia Dec. I. Qu. I. n. 5. §. 20. Es begiebt ſich nicht ſelten, daß die ge- meinen Weiber in den Kirch-Stuͤhlen ſich um den Rang nicht vertragen koͤnnen, fahren wohl gar an der Heiligen Staͤtte einander unter den Gottes- dienſt mit bittern Worten an, auch ſo gar mit ſtoſ- ſen und Hauben abreiſſen, wie denn der ſeel. Ernſt in ſeiner Hiſtoriſchen Confect-Tafel P. I. n. 98. §. 7. & 8. von ehrgeitzigen Præcedenz-Narren erzehlt, daß 1675. zu Stockholm in der Teutſchen Kirche zwey Weiber um der Ober-Stelle willen, einander die Kappen vom Halſe herun- ter H 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/141>, abgerufen am 24.11.2024.