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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. IV. Capitul.
so genau nehmen. Sie werden sich zwar von selbst
der Demuth befleißigen, und keinen Rang-Streit
anfangen, denn sonst sind sie nicht der Classe derer,
von denen hier die Rede ist, beyzuzehlen; wir müs-
sen aber von selbst willig seyn, ihnen, theils etwas
von denen uns zukommenden äusserlichen Ehren-
Bezeigungen anzubieten, theils auch, ihre kleinen
Fehler, die sie als Menschen bey dergleichen Fällen
erweisen möchten, vertragen zu lernen. Einige
haben sehr schlechten und geringen Rang, nnd wä-
re wohl nöthig, daß ihr Amt mehr geehret würde,
wovon ich in meinem Ober-Sächsischen Kirchen-
Recht mit mehrern gesagt. Andere aber können
mit ihrem Range gantz wohl zufrieden seyn. Also
wird der Hof- oder Ober-Hof-Prediger-Dienst an
unterschiedenen Fürstlichen Höfen einigen ansehnli-
chen Adelichen Chargen, entweder gleichgeachtet,
oder denselben wohl gar vorgezogen.

§. 16. (II.) Denen Anverwandten und
Bluts-Freunden.
Die Praecedenz-Streitig-
keiten unter solchen Leuten sind sehr wunderlich, und
noch wunderlicher, wenn sie gegen diejenigen erho-
ben werden, denen man, der Natur und der Vor-
schrifft der göttlichen Rechte nach, Ehre leisten soll,
als Eltern, Schwieger-Eltern, u. s. f. Eine solche
Thorheit begieng des berühmten Brentii Sohn:
Als er Doctor worden und mit seinen Vater spa-
tzieren gieng, sprach er zu ihm: Herr Vater, ich bin
ein Doctor, deswegen ist es billich, daß nicht ihr
mir, sondern ich euch für- und also auf der rechten

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I. Theil. IV. Capitul.
ſo genau nehmen. Sie werden ſich zwar von ſelbſt
der Demuth befleißigen, und keinen Rang-Streit
anfangen, denn ſonſt ſind ſie nicht der Claſſe derer,
von denen hier die Rede iſt, beyzuzehlen; wir muͤſ-
ſen aber von ſelbſt willig ſeyn, ihnen, theils etwas
von denen uns zukommenden aͤuſſerlichen Ehren-
Bezeigungen anzubieten, theils auch, ihre kleinen
Fehler, die ſie als Menſchen bey dergleichen Faͤllen
erweiſen moͤchten, vertragen zu lernen. Einige
haben ſehr ſchlechten und geringen Rang, nnd waͤ-
re wohl noͤthig, daß ihr Amt mehr geehret wuͤrde,
wovon ich in meinem Ober-Saͤchſiſchen Kirchen-
Recht mit mehrern geſagt. Andere aber koͤnnen
mit ihrem Range gantz wohl zufrieden ſeyn. Alſo
wird der Hof- oder Ober-Hof-Prediger-Dienſt an
unterſchiedenen Fuͤrſtlichen Hoͤfen einigen anſehnli-
chen Adelichen Chargen, entweder gleichgeachtet,
oder denſelben wohl gar vorgezogen.

§. 16. (II.) Denen Anverwandten und
Bluts-Freunden.
Die Præcedenz-Streitig-
keiten unter ſolchen Leuten ſind ſehr wunderlich, und
noch wunderlicher, wenn ſie gegen diejenigen erho-
ben werden, denen man, der Natur und der Vor-
ſchrifft der goͤttlichen Rechte nach, Ehre leiſten ſoll,
als Eltern, Schwieger-Eltern, u. ſ. f. Eine ſolche
Thorheit begieng des beruͤhmten Brentii Sohn:
Als er Doctor worden und mit ſeinen Vater ſpa-
tzieren gieng, ſprach er zu ihm: Herr Vater, ich bin
ein Doctor, deswegen iſt es billich, daß nicht ihr
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[118/0138] I. Theil. IV. Capitul. ſo genau nehmen. Sie werden ſich zwar von ſelbſt der Demuth befleißigen, und keinen Rang-Streit anfangen, denn ſonſt ſind ſie nicht der Claſſe derer, von denen hier die Rede iſt, beyzuzehlen; wir muͤſ- ſen aber von ſelbſt willig ſeyn, ihnen, theils etwas von denen uns zukommenden aͤuſſerlichen Ehren- Bezeigungen anzubieten, theils auch, ihre kleinen Fehler, die ſie als Menſchen bey dergleichen Faͤllen erweiſen moͤchten, vertragen zu lernen. Einige haben ſehr ſchlechten und geringen Rang, nnd waͤ- re wohl noͤthig, daß ihr Amt mehr geehret wuͤrde, wovon ich in meinem Ober-Saͤchſiſchen Kirchen- Recht mit mehrern geſagt. Andere aber koͤnnen mit ihrem Range gantz wohl zufrieden ſeyn. Alſo wird der Hof- oder Ober-Hof-Prediger-Dienſt an unterſchiedenen Fuͤrſtlichen Hoͤfen einigen anſehnli- chen Adelichen Chargen, entweder gleichgeachtet, oder denſelben wohl gar vorgezogen. §. 16. (II.) Denen Anverwandten und Bluts-Freunden. Die Præcedenz-Streitig- keiten unter ſolchen Leuten ſind ſehr wunderlich, und noch wunderlicher, wenn ſie gegen diejenigen erho- ben werden, denen man, der Natur und der Vor- ſchrifft der goͤttlichen Rechte nach, Ehre leiſten ſoll, als Eltern, Schwieger-Eltern, u. ſ. f. Eine ſolche Thorheit begieng des beruͤhmten Brentii Sohn: Als er Doctor worden und mit ſeinen Vater ſpa- tzieren gieng, ſprach er zu ihm: Herr Vater, ich bin ein Doctor, deswegen iſt es billich, daß nicht ihr mir, ſondern ich euch fuͤr- und alſo auf der rechten Seite

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/138>, abgerufen am 21.11.2024.