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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. IV. Capitul.
forderung. Sie erstrecken ihn biß auf Tände-
leyen, und wollen alles nach dem Proportional-
Circul
eingetheilt haben, sie werden durch einen ein-
tzigen Tritt oder Schritt den eine andere Person
ihrem Rang zum Praejudiz thut, entzündet, und in
Harnisch gesetzt. Legt man einer andern geringern
Person aus Versehen zu erst vor, so hängen sie das
Maul, und schmeckt ihnen nachgehends die gantze
Mahlzeit über kein Bissen mehr. Also bildet sich
manche Priester-Frau in einem kleinen Städtgen
mehr ein, als manche Adelich, oder manche Ge-
heimbde Räthin an einem grossen Hofe. Sie er-
zehlt allen Leuten zu vielmahlen über welche Wei-
ber ihr der Rang zukomme, was sie mit dieser oder
jener vor Disputen gehabt wie sie aber doch endlich
glücklich über die ander victorisirt, und die Ober-
Stelle erhalten. Begegnet man ihr nicht recht
nach ihren Range, so läufft sie alsobald aus der
Gesellschafft.

§. 14. Hierbey erinnere mich eines curieusen
Rang-Streites, der vor einiger Zeit an einem
sichern Orte zwischen zwey Brüdern obschwebte.
Der eine unter ihnen war ein Fürstlicher Gärtner,
der andere aber hatte bey einem Grafen als Gärt-
ner in Diensten gestanden. Nachdem sie nun
beyde an einerley Ort zu dem Heiligen Abendmahl
mit einander zu gehen entschlossen, wolte sich der
Fürstliche Gärtner bey dem Superintent desselben
Ortes Raths erhohlen, ob es nicht wieder seinen
Respect wäre, und es auch nicht seinem Herrn zum

Schimpff

I. Theil. IV. Capitul.
forderung. Sie erſtrecken ihn biß auf Taͤnde-
leyen, und wollen alles nach dem Proportional-
Circul
eingetheilt haben, ſie werden durch einen ein-
tzigen Tritt oder Schritt den eine andere Perſon
ihrem Rang zum Præjudiz thut, entzuͤndet, und in
Harniſch geſetzt. Legt man einer andern geringern
Perſon aus Verſehen zu erſt vor, ſo haͤngen ſie das
Maul, und ſchmeckt ihnen nachgehends die gantze
Mahlzeit uͤber kein Biſſen mehr. Alſo bildet ſich
manche Prieſter-Frau in einem kleinen Staͤdtgen
mehr ein, als manche Adelich, oder manche Ge-
heimbde Raͤthin an einem groſſen Hofe. Sie er-
zehlt allen Leuten zu vielmahlen uͤber welche Wei-
ber ihr der Rang zukomme, was ſie mit dieſer oder
jener vor Diſputen gehabt wie ſie aber doch endlich
gluͤcklich uͤber die ander victoriſirt, und die Ober-
Stelle erhalten. Begegnet man ihr nicht recht
nach ihren Range, ſo laͤufft ſie alſobald aus der
Geſellſchafft.

§. 14. Hierbey erinnere mich eines curieuſen
Rang-Streites, der vor einiger Zeit an einem
ſichern Orte zwiſchen zwey Bruͤdern obſchwebte.
Der eine unter ihnen war ein Fuͤrſtlicher Gaͤrtner,
der andere aber hatte bey einem Grafen als Gaͤrt-
ner in Dienſten geſtanden. Nachdem ſie nun
beyde an einerley Ort zu dem Heiligen Abendmahl
mit einander zu gehen entſchloſſen, wolte ſich der
Fuͤrſtliche Gaͤrtner bey dem Superintent deſſelben
Ortes Raths erhohlen, ob es nicht wieder ſeinen
Reſpect waͤre, und es auch nicht ſeinem Herrn zum

Schimpff
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[116/0136] I. Theil. IV. Capitul. forderung. Sie erſtrecken ihn biß auf Taͤnde- leyen, und wollen alles nach dem Proportional- Circul eingetheilt haben, ſie werden durch einen ein- tzigen Tritt oder Schritt den eine andere Perſon ihrem Rang zum Præjudiz thut, entzuͤndet, und in Harniſch geſetzt. Legt man einer andern geringern Perſon aus Verſehen zu erſt vor, ſo haͤngen ſie das Maul, und ſchmeckt ihnen nachgehends die gantze Mahlzeit uͤber kein Biſſen mehr. Alſo bildet ſich manche Prieſter-Frau in einem kleinen Staͤdtgen mehr ein, als manche Adelich, oder manche Ge- heimbde Raͤthin an einem groſſen Hofe. Sie er- zehlt allen Leuten zu vielmahlen uͤber welche Wei- ber ihr der Rang zukomme, was ſie mit dieſer oder jener vor Diſputen gehabt wie ſie aber doch endlich gluͤcklich uͤber die ander victoriſirt, und die Ober- Stelle erhalten. Begegnet man ihr nicht recht nach ihren Range, ſo laͤufft ſie alſobald aus der Geſellſchafft. §. 14. Hierbey erinnere mich eines curieuſen Rang-Streites, der vor einiger Zeit an einem ſichern Orte zwiſchen zwey Bruͤdern obſchwebte. Der eine unter ihnen war ein Fuͤrſtlicher Gaͤrtner, der andere aber hatte bey einem Grafen als Gaͤrt- ner in Dienſten geſtanden. Nachdem ſie nun beyde an einerley Ort zu dem Heiligen Abendmahl mit einander zu gehen entſchloſſen, wolte ſich der Fuͤrſtliche Gaͤrtner bey dem Superintent deſſelben Ortes Raths erhohlen, ob es nicht wieder ſeinen Reſpect waͤre, und es auch nicht ſeinem Herrn zum Schimpff

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/136>, abgerufen am 21.11.2024.