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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. IV. Capitul.
Höflichkeit bezeigen. Es zeiget sonst eine sehr grosse
Thorheit an/ wenn einige nicht allein bey Leich-
Processionen, oder an der Tafel, sondern auch bey
allen Gelegenheiten im Gehen, Stehen, Sitzen,
u. s. w. auf eine sehr affectirte Weise ihren Rang
behaupten wolten. Ein vernünfftiger Mensch
wird bey den Fällen, da er selbst Macht hat über
seinen Rang zu disponiren, auch gegen diejenigen,
über die ihm unstreitig der Rang zustehet, com-
plaisant
seyn, er wird ihnen nicht mit Gewalt vor-
lauffen, oder sich mit Ungestüm vordringen, sondern
ihnen vielmehr Ehren-halber Complimens und
Reverences machen, und dasjenige, was sie ihm
zu leisten willig und schuldig seyn werden, aus Höf-
lichkeit zuerst anbieten.

§. 7. Jnsonderheit wird er in seinem Hause ge-
gen Fremde, die ihren Besuch bey ihm abstatten,
von dem ihm zukommenden Range viel abbrechen,
sintemahl auch wohl hohe Standes-Personen und
die Ministri hierinne viel nachgeben, damit sie den
Ruhm der Höflichkeit und Complaisance davon
tragen. Die Geringern können sich hierauf nichts
einbilden, und kein Recht hiedurch erlangen, sinte-
mahl dieses blosse Würckungen der Höflichkeit.
Der ehmahlige Frantzösische Groß-Cantzler Mon-
sieur de Chavergny
vermahnet in seiner Instru-
ction
seinen Sohn mit folgenden Worten, p. 407.
Il est bien seant a un homme d' honneur de
remettre queque chose de son rang, a l' endroit
de ceux, qui viennent le privement visites, ail-

leurs

I. Theil. IV. Capitul.
Hoͤflichkeit bezeigen. Es zeiget ſonſt eine ſehr groſſe
Thorheit an/ wenn einige nicht allein bey Leich-
Proceſſionen, oder an der Tafel, ſondern auch bey
allen Gelegenheiten im Gehen, Stehen, Sitzen,
u. ſ. w. auf eine ſehr affectirte Weiſe ihren Rang
behaupten wolten. Ein vernuͤnfftiger Menſch
wird bey den Faͤllen, da er ſelbſt Macht hat uͤber
ſeinen Rang zu diſponiren, auch gegen diejenigen,
uͤber die ihm unſtreitig der Rang zuſtehet, com-
plaiſant
ſeyn, er wird ihnen nicht mit Gewalt vor-
lauffen, oder ſich mit Ungeſtuͤm vordringen, ſondern
ihnen vielmehr Ehren-halber Complimens und
Reverences machen, und dasjenige, was ſie ihm
zu leiſten willig und ſchuldig ſeyn werden, aus Hoͤf-
lichkeit zuerſt anbieten.

§. 7. Jnſonderheit wird er in ſeinem Hauſe ge-
gen Fremde, die ihren Beſuch bey ihm abſtatten,
von dem ihm zukommenden Range viel abbrechen,
ſintemahl auch wohl hohe Standes-Perſonen und
die Miniſtri hierinne viel nachgeben, damit ſie den
Ruhm der Hoͤflichkeit und Complaiſance davon
tragen. Die Geringern koͤnnen ſich hierauf nichts
einbilden, und kein Recht hiedurch erlangen, ſinte-
mahl dieſes bloſſe Wuͤrckungen der Hoͤflichkeit.
Der ehmahlige Frantzoͤſiſche Groß-Cantzler Mon-
ſieur de Chavergny
vermahnet in ſeiner Inſtru-
ction
ſeinen Sohn mit folgenden Worten, p. 407.
Il eſt bien ſeant a un homme d’ honneur de
remettre quêque choſe de ſon rang, a l’ endroit
de ceux, qui viennent le privèment viſites, ail-

leurs
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[110/0130] I. Theil. IV. Capitul. Hoͤflichkeit bezeigen. Es zeiget ſonſt eine ſehr groſſe Thorheit an/ wenn einige nicht allein bey Leich- Proceſſionen, oder an der Tafel, ſondern auch bey allen Gelegenheiten im Gehen, Stehen, Sitzen, u. ſ. w. auf eine ſehr affectirte Weiſe ihren Rang behaupten wolten. Ein vernuͤnfftiger Menſch wird bey den Faͤllen, da er ſelbſt Macht hat uͤber ſeinen Rang zu diſponiren, auch gegen diejenigen, uͤber die ihm unſtreitig der Rang zuſtehet, com- plaiſant ſeyn, er wird ihnen nicht mit Gewalt vor- lauffen, oder ſich mit Ungeſtuͤm vordringen, ſondern ihnen vielmehr Ehren-halber Complimens und Reverences machen, und dasjenige, was ſie ihm zu leiſten willig und ſchuldig ſeyn werden, aus Hoͤf- lichkeit zuerſt anbieten. §. 7. Jnſonderheit wird er in ſeinem Hauſe ge- gen Fremde, die ihren Beſuch bey ihm abſtatten, von dem ihm zukommenden Range viel abbrechen, ſintemahl auch wohl hohe Standes-Perſonen und die Miniſtri hierinne viel nachgeben, damit ſie den Ruhm der Hoͤflichkeit und Complaiſance davon tragen. Die Geringern koͤnnen ſich hierauf nichts einbilden, und kein Recht hiedurch erlangen, ſinte- mahl dieſes bloſſe Wuͤrckungen der Hoͤflichkeit. Der ehmahlige Frantzoͤſiſche Groß-Cantzler Mon- ſieur de Chavergny vermahnet in ſeiner Inſtru- ction ſeinen Sohn mit folgenden Worten, p. 407. Il eſt bien ſeant a un homme d’ honneur de remettre quêque choſe de ſon rang, a l’ endroit de ceux, qui viennent le privèment viſites, ail- leurs

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/130>, abgerufen am 24.11.2024.