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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
giebt keine Verdienste, sondern soll sie nur beloh-
nen. Man hat ja mancherley Gelegenheit, die
Hochachtung, die man vor dem andern hegt, an
Tag zu legen, ob man ihn schon nicht nach einem
falschen Character benennt. Es ist beßer, den an-
dern in der That und im Wercke, als mit bloßen
Worten zu ehren und zu lieben.

§. 43. Der Wohlstand, die Höflichkeit und
Schuldigkeit erfordert, daß wir einen jeden diejeni-
gen äußerlichen Ehren-Bezeugungen leisten, die
ihm nach seinem Stande oder Praedicat zukom-
men, ob er schon seinen Einkünfften nach nicht so
grossen Staat und Figur machen kan, als ein an-
drer. Jst er unserer Wohlthaten und Hülffe nicht
benöthiget, so haben wir uns auch um ihn nicht zu
bekümmern, und ihm bey seinen Ausgaben keine
Vorschrifft zu ertheilen. Darum haben sich seine
Herrschafft und seine Vorgesetzten zu befragen.
Des andern Abgang an zeitlichen Gütern ertheilt
uns kein Privilegium, ihm dasjenige zu versagen,
was sein Amt oder Stand mit sich bringen. Der
Christlichen Liebe nach sind wir verbunden auch
denjenigen alle äußerliche Ehre zu erweisen, die ih-
nen zugehörig, die sich in der grösten Armuth be-
sinden, und unserer Liebe und Gutthat bedürfftig.
Ob sie schon, wenn sie sich als Vernünfftige bezeu-
gen wollen, in dergleichen Umständen mancherley
Ehren-Benennungen nicht von uns begehren noch
annehmen werden, so müssen wir doch bereitwillig
seyn, ihnen solche anzubieten; da sie durch ihre Ar-
muth allbereits unglückseelig sind, müssen wir sie

durch
G 3

Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
giebt keine Verdienſte, ſondern ſoll ſie nur beloh-
nen. Man hat ja mancherley Gelegenheit, die
Hochachtung, die man vor dem andern hegt, an
Tag zu legen, ob man ihn ſchon nicht nach einem
falſchen Character benennt. Es iſt beßer, den an-
dern in der That und im Wercke, als mit bloßen
Worten zu ehren und zu lieben.

§. 43. Der Wohlſtand, die Hoͤflichkeit und
Schuldigkeit erfordert, daß wir einen jeden diejeni-
gen aͤußerlichen Ehren-Bezeugungen leiſten, die
ihm nach ſeinem Stande oder Prædicat zukom-
men, ob er ſchon ſeinen Einkuͤnfften nach nicht ſo
groſſen Staat und Figur machen kan, als ein an-
drer. Jſt er unſerer Wohlthaten und Huͤlffe nicht
benoͤthiget, ſo haben wir uns auch um ihn nicht zu
bekuͤmmern, und ihm bey ſeinen Ausgaben keine
Vorſchrifft zu ertheilen. Darum haben ſich ſeine
Herrſchafft und ſeine Vorgeſetzten zu befragen.
Des andern Abgang an zeitlichen Guͤtern ertheilt
uns kein Privilegium, ihm dasjenige zu verſagen,
was ſein Amt oder Stand mit ſich bringen. Der
Chriſtlichen Liebe nach ſind wir verbunden auch
denjenigen alle aͤußerliche Ehre zu erweiſen, die ih-
nen zugehoͤrig, die ſich in der groͤſten Armuth be-
ſinden, und unſerer Liebe und Gutthat beduͤrfftig.
Ob ſie ſchon, wenn ſie ſich als Vernuͤnfftige bezeu-
gen wollen, in dergleichen Umſtaͤnden mancherley
Ehren-Benennungen nicht von uns begehren noch
annehmen werden, ſo muͤſſen wir doch bereitwillig
ſeyn, ihnen ſolche anzubieten; da ſie durch ihre Ar-
muth allbereits ungluͤckſeelig ſind, muͤſſen wir ſie

durch
G 3
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[101/0121] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. giebt keine Verdienſte, ſondern ſoll ſie nur beloh- nen. Man hat ja mancherley Gelegenheit, die Hochachtung, die man vor dem andern hegt, an Tag zu legen, ob man ihn ſchon nicht nach einem falſchen Character benennt. Es iſt beßer, den an- dern in der That und im Wercke, als mit bloßen Worten zu ehren und zu lieben. §. 43. Der Wohlſtand, die Hoͤflichkeit und Schuldigkeit erfordert, daß wir einen jeden diejeni- gen aͤußerlichen Ehren-Bezeugungen leiſten, die ihm nach ſeinem Stande oder Prædicat zukom- men, ob er ſchon ſeinen Einkuͤnfften nach nicht ſo groſſen Staat und Figur machen kan, als ein an- drer. Jſt er unſerer Wohlthaten und Huͤlffe nicht benoͤthiget, ſo haben wir uns auch um ihn nicht zu bekuͤmmern, und ihm bey ſeinen Ausgaben keine Vorſchrifft zu ertheilen. Darum haben ſich ſeine Herrſchafft und ſeine Vorgeſetzten zu befragen. Des andern Abgang an zeitlichen Guͤtern ertheilt uns kein Privilegium, ihm dasjenige zu verſagen, was ſein Amt oder Stand mit ſich bringen. Der Chriſtlichen Liebe nach ſind wir verbunden auch denjenigen alle aͤußerliche Ehre zu erweiſen, die ih- nen zugehoͤrig, die ſich in der groͤſten Armuth be- ſinden, und unſerer Liebe und Gutthat beduͤrfftig. Ob ſie ſchon, wenn ſie ſich als Vernuͤnfftige bezeu- gen wollen, in dergleichen Umſtaͤnden mancherley Ehren-Benennungen nicht von uns begehren noch annehmen werden, ſo muͤſſen wir doch bereitwillig ſeyn, ihnen ſolche anzubieten; da ſie durch ihre Ar- muth allbereits ungluͤckſeelig ſind, muͤſſen wir ſie durch G 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/121>, abgerufen am 24.11.2024.