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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
einem jeden aufzuführen, und was er in Ansehung
seiner zu beobachten habe.

§. 40. Man muß einem jeden den Titul beyle-
gen, der seiner Geburth, Bedienung, und seinem
Stande gemäß ist, darein ihn GOtt gesetzt, den
die Höflichkeit und Wohlstand erfordert, und die
Gewohnheit unserer Zeiten eingeführt. Man
dencke, daß man eben dergleichen von andern ver-
lange, und auch dieses von ihnen zu fordern berech-
tiget. Will der andere, zumahl der Höhere, aus
besonderer Höflichkeit und Sittsamkeit oder Gna-
de, die er vor uns bezeuget, eine gewisse Courtoisie
und Titulatur von uns nicht annehmen, so treibet
uns zwar dieses noch mehr an, ihn zu ehren, man
muß sich aber doch auch dasjenige, was er beliebet,
gefallen lassen, und sich seinem Willen nicht allzu-
sehr wiedersetzen. Also findet man bißweilen ei-
nige große Generals, die es nicht leiden können,
wenn man sie Jhro Excellenz nennt, und die sich
lieber Herr General heissen lassen.

§. 41. Wie nun die Humeure der Leute bey
der Titulatur so wohl als in andern Puncten gar
sehr unterschieden zu seyn pflegen, so muß man sich
vorher genau erkundigen, wie man einem jeden zu
begegnen habe, damit man nicht verstoße. Jst
einem an dergleichen Ceremonien-Werck sehr
viel gelegen, und man ist nach den Umständen, da-
rinnen man sich befindet, seiner Gnade oder Gunst
benöthiget, so ertheile man ihm einen sehr grossen
Titul. Der seelige Christian Weise spricht in ei-

nem
G 2

Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
einem jeden aufzufuͤhren, und was er in Anſehung
ſeiner zu beobachten habe.

§. 40. Man muß einem jeden den Titul beyle-
gen, der ſeiner Geburth, Bedienung, und ſeinem
Stande gemaͤß iſt, darein ihn GOtt geſetzt, den
die Hoͤflichkeit und Wohlſtand erfordert, und die
Gewohnheit unſerer Zeiten eingefuͤhrt. Man
dencke, daß man eben dergleichen von andern ver-
lange, und auch dieſes von ihnen zu fordern berech-
tiget. Will der andere, zumahl der Hoͤhere, aus
beſonderer Hoͤflichkeit und Sittſamkeit oder Gna-
de, die er vor uns bezeuget, eine gewiſſe Courtoiſie
und Titulatur von uns nicht annehmen, ſo treibet
uns zwar dieſes noch mehr an, ihn zu ehren, man
muß ſich aber doch auch dasjenige, was er beliebet,
gefallen laſſen, und ſich ſeinem Willen nicht allzu-
ſehr wiederſetzen. Alſo findet man bißweilen ei-
nige große Generals, die es nicht leiden koͤnnen,
wenn man ſie Jhro Excellenz nennt, und die ſich
lieber Herr General heiſſen laſſen.

§. 41. Wie nun die Humeure der Leute bey
der Titulatur ſo wohl als in andern Puncten gar
ſehr unterſchieden zu ſeyn pflegen, ſo muß man ſich
vorher genau erkundigen, wie man einem jeden zu
begegnen habe, damit man nicht verſtoße. Jſt
einem an dergleichen Ceremonien-Werck ſehr
viel gelegen, und man iſt nach den Umſtaͤnden, da-
rinnen man ſich befindet, ſeiner Gnade oder Gunſt
benoͤthiget, ſo ertheile man ihm einen ſehr groſſen
Titul. Der ſeelige Chriſtian Weiſe ſpricht in ei-

nem
G 2
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[99/0119] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. einem jeden aufzufuͤhren, und was er in Anſehung ſeiner zu beobachten habe. §. 40. Man muß einem jeden den Titul beyle- gen, der ſeiner Geburth, Bedienung, und ſeinem Stande gemaͤß iſt, darein ihn GOtt geſetzt, den die Hoͤflichkeit und Wohlſtand erfordert, und die Gewohnheit unſerer Zeiten eingefuͤhrt. Man dencke, daß man eben dergleichen von andern ver- lange, und auch dieſes von ihnen zu fordern berech- tiget. Will der andere, zumahl der Hoͤhere, aus beſonderer Hoͤflichkeit und Sittſamkeit oder Gna- de, die er vor uns bezeuget, eine gewiſſe Courtoiſie und Titulatur von uns nicht annehmen, ſo treibet uns zwar dieſes noch mehr an, ihn zu ehren, man muß ſich aber doch auch dasjenige, was er beliebet, gefallen laſſen, und ſich ſeinem Willen nicht allzu- ſehr wiederſetzen. Alſo findet man bißweilen ei- nige große Generals, die es nicht leiden koͤnnen, wenn man ſie Jhro Excellenz nennt, und die ſich lieber Herr General heiſſen laſſen. §. 41. Wie nun die Humeure der Leute bey der Titulatur ſo wohl als in andern Puncten gar ſehr unterſchieden zu ſeyn pflegen, ſo muß man ſich vorher genau erkundigen, wie man einem jeden zu begegnen habe, damit man nicht verſtoße. Jſt einem an dergleichen Ceremonien-Werck ſehr viel gelegen, und man iſt nach den Umſtaͤnden, da- rinnen man ſich befindet, ſeiner Gnade oder Gunſt benoͤthiget, ſo ertheile man ihm einen ſehr groſſen Titul. Der ſeelige Chriſtian Weiſe ſpricht in ei- nem G 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/119>, abgerufen am 21.11.2024.